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Nordamerikas Batterieboom droht zu platzen
Nordamerika wollte alle Teile einer Elektroautobatterie selbst fertigen – vom Vormaterial bis zur Zelle. Doch vielen Batterieprojekten bricht nun die erhoffte Nachfrage weg.
25.08.2025
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Kaum ging es richtig los, droht der Batterieboom in Nordamerika schon wieder zu enden. Angetrieben durch den Inflation Reduction Act (IRA) wurden in den USA Batteriezellprojekte im Wert von rund 79 Milliarden US-Dollar (US$) angestoßen. Auch Kanada zog Vorhaben mit rund 25 Milliarden US$ an. Bis 2030 steuerten beide Staaten dadurch auf eine gemeinsame Fertigungskapazität von über 1.000 Gigawattstunden pro Jahr zu.
Die Entwickler hatten auf einen starken Nachfrageanstieg für Elektroautos in den USA gesetzt. Eine Strategie, die begründet schien, denn unter Joe Biden zielte die Politik der US-Regierung darauf ab, dass batterieelektrische Autos bis 2030 einen Anteil von rund 50 Prozent an den Neuverkäufen erreichen. Ein Szenario, das über 40 Gigafactories zur Batterieherstellung erfordert hätte.
Nun regiert Donald Trump im Weißen Haus – und der erwartete Nachfrageboom nach Elektroautos bleibt aus. Infolge dessen dürfte ein Großteil der geplanten Batteriekapazitäten gar nicht mehr benötigt werden.
Bedarf bereits weitgehend gedeckt
Werden Batteriezellprojekte eingerechnet, die 2025 in Betrieb gehen sollen, dann verfügen die USA bereits über Kapazitäten von rund 400 Gigawattstunden pro Jahr. In Kanada soll ab Herbst 2025 das Unternehmen Next Star Energy, ein Joint Venture zwischen Stellantis und LG Energy, Batteriezellen produzieren. Ausgelegt ist das Werk in Windsor (Provinz Ontario) auf eine Produktion von 49 Gigawattstunden pro Jahr.
Bereits damit könnte der Markt übersättigt sein. Denn durch die Politik der Trump-Regierung bleibt die E-Auto-Nachfrage so weit hinter den Erwartungen zurück, dass laut Studien der Princeton University in den USA 2030 höchstens 304 Gigawattstunden an Zellkapazität benötigt würden. Der kanadische Markt ist mit rund 217.000 im Jahr 2024 verkauften Batterieautos – was einem Anteil von 11,4 Prozent an den Gesamtverkäufen – zu klein für eigenständige Impulse.
So streicht Trump die Förderung von E-Autos zusammen
Unter Joe Biden setzte die US-Regierung auf Zuckerbrot und Peitsche: Steuergutschriften für Elektroautos und Batterien auf der einen Seite, strengere Emissionsvorschriften für Fahrzeuge auf der anderen. Wie im Wahlkampf angekündigt, machte sich Trump schnell daran, dieses Rahmenwerk zu zerlegen.
- Kaufanreize fallen weg
- Emissionsvorschriften werden gelockert
- Kein Verbrenneraus der Bundesstaaten
Trostpflaster für Batteriehersteller: Die Steuergutschriften bleiben weitgehend intakt. Der Bonus für lokal produzierte Batteriezellen von 35 US$ pro Kilowattstunde bleibt bis 2029 unverändert und schmilzt bis 2032 schrittweise ab. Auch die "Advanced Energy Project Investment Tax Credits" überleben. Darüber können Batterieprojekte bis zu 30 Prozent der Investitionskosten geltend machen.
Projektliste wird kürzer
Erste Batteriezellpläne fallen dem Marktumfeld bereits zum Opfer. Der norwegische Hersteller Freyr stoppte im Februar 2025 sein Projekt zum Bau einer Batteriezellfabrik im US-Bundesstaat Georgia. Geplant war ein Werk zur Produktion von 34 Gigawattstunden pro Jahr. Auch die Pläne von Kore Power für eine 1,3 Milliarden US$ teure Batteriezellfabrik im Staat Arizona liegen auf Eis.
General Motors (GM) will in den USA nur noch drei statt vier Batteriezellfabriken betreiben. Auch Stellantis zieht die Reißleine – eine geplante Batteriefabrik für 3 Milliarden US$ am Standort Belvidere (Staat Illinois) ist vom Tisch.
Ford wiederum verschiebt die Inbetriebnahme einer der zwei geplanten Zellfabriken (jeweils 43 Gigawattstunden) im Staat Kentucky auf unbestimmte Zeit. Das Projekt in Marshall (Staat Michigan) soll hingegen mit reduzierter Kapazität (20 statt 35 Gigawattstunden) im Jahr 2026 an den Start gehen. Dort will Ford künftig kostengünstige Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) fertigen. Im August 2025 gab Ford bekannt, 2 Milliarden US$ in das Werk Louisville (Kentucky) zu investieren, um dort günstige E-Modelle zu bauen, die mit diesen LFP-Batterien ausgestattet werden sollen.
Auch deutsche Autobauer sind von Projektstopps betroffen
Für Unruhe bei deutschen Autoherstellern sorgen vor allem Entwicklungen beim japanisch-chinesischen Batterieproduzenten AESC. Die Bauarbeiten für eine 1,6 Milliarden US$ teure Batteriefabrik in Florence (Staat South Carolina) wurden temporär gestoppt. Von dort sollte das US-Werk von BMW in Spartanburg beliefert werden, wo ab 2027 elektrische Modelle der Neuen Klasse gebaut werden. Laut Presseberichten überlegt BMW, die entstehende Lücke mit importierten Batterien aus China zu schließen. Zuvor stellte AESC die Arbeiten für eine Zellfabrik mit 30 Gigawattstunden in Kentucky ein, die auch Mercedes-Benz versorgen sollte.
Volkswagen (VW) setzt auf Kanada, um die Batterieversorgung in Nordamerika zu sichern: In St. Thomas (Ontario) ist für 5,2 Milliarden US$ eine Gigafabrik mit einer Kapazität von 90 Gigawattstunden geplant. Der ursprünglich für 2024 vorgesehene Baustart steht noch aus – könnte aber noch 2025 erfolgen.
Der Bau von Hondas geplanter Zellfertigung in Ontario startet hingegen frühestens 2027 – zwei Jahre später als vorgesehen. Offen ist auch die Zukunft einer von Northvolt in der kanadischen Provinz Québec geplanten Zellfabrik. Das US-Start-up Lyten erwägt, neben europäischen Projekten der insolventen Northvolt auch dieses Vorhaben zu übernehmen.
Stationäre Speicher – der Hoffnungsschimmer für die Batterieindustrie
Während die Nachfrage nach Batterien für Elektroautos enttäuscht, tut sich ein spannender Ersatzmarkt auf: In den USA explodiert der Markt für stationäre Energiespeicher (Battery Energy Storage Systems, BESS), angetrieben durch steigenden Stromverbrauch im Zuge des Booms der Künstlichen Intelligenz (KI).
Mitte 2025 beliefen sich die installierten Kapazitäten für BESS auf 33,2 Gigawatt. Laut Prognosen von WoodMcKanzie könnten bis 2029 rund 81 Gigawatt hinzukommen. Positiv wirkt dabei, dass BESS ihre Steuergutschriften aus dem IRA weitgehend behalten.
LG Energy rüstet in seinen Werken in Lansing und Holland (beide Staat Michigan) bereits Produktionslinien von E-Auto-Batterien auf die Fertigung stationärer Speicher um. Auch andere Hersteller wie Tesla, Stryten Energy oder Eos Energy bauen ihre Kapazitäten für BESS aus.
Entstehende Batteriewertschöpfungskette gerät ins Wanken
Die ausbleibende Nachfrage nach Elektroautos bedroht auch eine zweite Erfolgsgeschichte: Sowohl in den USA als auch in Kanada kam in den vergangenen Jahren der Aufbau einer gesamten Batteriewertschöpfungskette in Gang – die Projekte reichen von Batteriekomponenten wie Kathoden, Anoden oder Separatoren bis hin zu Lithiumminen. Auch hier sorgt das Umfeld dafür, dass Projekte verkleinert, verschoben oder gestrichen werden.
Eine von Albermarle für 1,3 Milliarden US$ geplante Raffinerie für Lithiumhydroxid wurde 2025 ebenso auf Eis gelegt wie die geplante Kathodenherstellung von Ascend Elements in Kentucky. "In Kanada sind bereits 231 Unternehmen entlang der Batteriewertschöpfungskette aktiv", sagte Rahul Malik, Senior Science and Technoloy Advisor von Canada Natural Resources auf dem Battery Forum der Volta Foundation im August 2025. Aber auch dort sind Projekte wie beispielsweise von Umicore und EcoPro für Kathodenmaterial ins Stocken geraten.
In den USA kommt für Projektentwickler auch regulatorische Unsicherheit hinzu. Die Biden-Regierung hatte für den Aufbau einer Batteriewertschöpfungskette mehrere Milliarden Dollar an Fördergeldern vergeben. Unter Trump verkündete das Department of Energy (DoE), die Vergaben für 179 Projekte zu überprüfen – was zu Verzögerungen führt. Hoffnung macht, dass das DoE die Vergabe neuer Mittel aus dem Battery Materials Processing and Battery Manufacturing and Recycling Grant Program noch 2025 wieder aufnehmen will.
Beim für Batterieanoden wichtigen Graphit setzt Trump hingegen auf sein Lieblingsinstrument Zölle: Seit 17. Juli 2025 gilt für Importe aus China ein Satz von 93,5 Prozent. Ob US-Projekte für Anodenmaterial wie die von Graphite One oder Novonix davon profitieren, ist offen.