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Gasverarbeitung hat strategische Priorität für Kasachstan

Von Viktor Ebel | Almaty

Ende Oktober 2025 traf eine ukrainische Drohne die russische Gasverarbeitungsanlage in Orenburg. Diese gilt als eine der größten der Welt und verarbeitet auch Milliarden Kubikmeter Gas aus dem Karachaganak-Feld im nahegelegenen Kasachstan. Aufgrund der Schäden musste die Annahme kasachischen Gases zeitweise eingestellt werden, was für Kasachstan nicht ohne Folgen blieb. Denn wenn Begleitgase aus der Erdöl- und Gaskondensatförderung nicht ausreichend abgeführt werden können, muss die Produktion gedrosselt werden.

Rang 15

belegt Kasachstan bei den weltweiten Erdgasreserven laut dem BP Statistical Review of World Energy von 2021.

Um den systemrelevanten Rohstoffsektor in Zukunft resilienter aufzustellen, errichten Staatsunternehmen sowie internationale Investoren in den nächsten Jahren milliardenteure Gasverarbeitungsanlagen. Auch an Abnehmern mangelt es nicht. Viele Haushalte im Land warten auf den Anschluss ans Gasnetz. Mit dem gewonnenen Rohstoff sollen außerdem emissionsintensive Kohlekraftwerke und Stahlwerke schrittweise auf das umweltschonendere Gas umgestellt werden. Zudem befindet sich in Kasachstan die gaschemische Industrie im Aufbau, die Erdgas zu Polypropylen verarbeitet und bald auch mit der Produktion von Polyethylen beginnen will.

Hochkomplexe Anlagen benötigen viel Ausrüstung

Die Komplexität der Anlagen, die strategische Bedeutung für Kasachstan und die Beteiligung internationaler Unternehmen sprechen dafür, dass bei der Ausrüstung großer Wert auf Qualität gelegt wird. Bei dem mehrstufigen Verfahren zur Verarbeitung des Gases kommen unter anderem Flüssigkeitspumpen, Gaskompressoren, Destillations- und Fraktionierungstürme, Gasreiniger, Druck- und Durchflussmesser sowie Prozesssteuerungssysteme zum Einsatz.

Für deutsche Unternehmen verschiedener Branchen bieten sich hier Lieferchancen: Denn der Bedarf der Gaschemiekomplexe spiegelt das deutsche Exportportfolio nach Kasachstan wider, das stark von mechanischen Geräten und Anlagen sowie Mess- und Regeltechnik geprägt ist. In diesen Kategorien ist Deutschland bei den kasachischen Importen traditionell mit führend.

Gasverbrauch könnte sich bis 2030 verdoppeln

Die kasachische Regierung schätzt, dass vorbehaltlich der Umsetzung von Energie- und Industrieprojekten der Gasverbrauch zwischen 2025 und 2030 von 21,3 Milliarden auf 39,7 Milliarden Kubikmeter Gas steigen wird. Dem steht eine Produktion von 28,7 Milliarden Kubikmetern marktfähigen Gases (Stand 2024) gegenüber, die nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlagen, Reinjektion in die Ölfelder, technischer Verluste und Verarbeitung übrig bleiben.

Das Gasdefizit in Kasachstan, das obendrein noch mehrere Milliarden Kubikmeter Gas jährlich exportiert, könnte bis 2030 enorm ausfallen und die Dekarbonisierung und Diversifizierung der Wirtschaft bremsen. Hinzu kommt, dass Energiepreise ein Inflationstreiber und dementsprechend ein sensibles Thema in dem Land sind, weshalb die Regierung die Gasverarbeitung vor Ort zu einer strategischen Priorität erklärt hat.

Kasachstan erschließt neue Erdgasfelder

Die Rohgasförderung kletterte in den letzten Jahren nur langsam nach oben und erreicht 2025 Schätzungen des Energieministeriums zufolge 62,8 Milliarden Kubikmeter. Bis 2030 soll sie aber merklich auf 74 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich zunehmen, so das Staatsunternehmen QazaqGaz, das auf die Erschließung 15 neuer Felder sowie die Ausweitung bestehender verweist. Neben der Förderung soll auch die Verarbeitung ausgebaut werden.

Mehrere neue Gasverarbeitungskomplexe geplant

Bis 2030 sollen vier neue Gasverarbeitungsanlagen die jährliche Produktion marktfähigen Gases auf 34,6 Milliarden Kubikmeter erhöhen. Eines der Projekte im Einzuggebiet von Kashagan, das neben Tengiz und Karachaganak eins der drei größten Ölfelder in Kasachstan ist, setzt QazaqGaz gemeinsam mit dem katarischen Investor UCC Holding um. Medienberichten zufolge sind die Bauarbeiten bereits weit fortgeschritten und sollen Ende 2026 abgeschlossen werden. Eine zweite, noch größere Anlage plant das Staatsunternehmen KazMunayGas.

Das größte und teuerste der Vorhaben, eine Gasverarbeitungsanlage mit einer Kapazität von 4 Milliarden Kubikmetern in Karachaganak, sorgte im Sommer 2025 für Schlagzeilen, als die kasachische Regierung das Konsortium aus Eni, Shell, Chevron und Lukoil von dem Projekt abgezogen hatte. Der Grund waren Differenzen zur Finanzierung und Kapazität sowie zum Fertigstellungsdatum der Anlage.

Im September 2025 einigten sich beide Seiten dann doch, wie Orda.kz berichtet, was auf Zugeständnisse seitens der Regierung hinsichtlich der Finanzierung hindeutet. Damit dürften auch die vom Konsortium ausgewählten Generalunternehmer Hyundai Engineering (Südkorea) und Sicim (Italien) an Bord des Projektes bleiben.

Ausgewählte Projekte zur Gasverarbeitung in KasachstanIn Millionen US-Dollar
Projektbezeichnung

Investition

ProjektstandAnmerkungen (Kapazität pro Jahr, Projektbeteiligte)
Gasverarbeitungsanlage für Karachaganak

3.700

Vorbereitung4 Mrd. cbm; Eni (Italien), Shell (Vereingtes Königreich, Niederlande), Chevron (USA), Lukoil (Russland)
Gasseparationsanlage für Tengiz

2.000

Umsetzung9 Mrd. cbm; KazMunayGas, Tecnimont (Italien), CCIC (Libanon)
Gasverarbeitungsanlage für Kashagan

2.000

Planung2,5 Mrd. cbm; KazMunayGas
Gasverarbeitungsanlage für Kashagan 

1.000

Umsetzung1 Mrd. cbm;  QazaqGaz, UCC Holding (Katar)
Gasverarbeitungsanlage im Gebiet Mangystau (Schangaösen)

Etwa 350

Vorbereitung900 Mio. cbm; KazMunayGas
Anlage zur Fraktionierung von Flüssiggas für Kashagan

k.A.

Fertigstellung Dezember 2026700.000 t; QazaqGaz, North Caspian Operating Company, Eskene
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

Auch der Aufbau der Gaschemieindustrie bietet Chancen

Es lohnt sich auch ein Blick auf die im Aufbau befindliche Gaschemieindustrie, wo ebenfalls Milliarden investiert werden. Im Gebiet Atyrau, wo Kasachstans größtes Ölfeld Tengiz liegt, wird der Bau eines Gasabscheidungskomplexes vorbereitet. Dieser soll ab 2028 bis zu 1,6 Millionen Tonnen Ethan für die Produktion von Polyethylen liefern.

Ab 2029 will die Projektgesellschaft Silleno beginnen, jährlich 1,25 Millionen Tonnen Polyethylen herzustellen. Der dafür benötigte Gaschemiekomplex wird Medienberichten zufolge zusammen mit einem italienisch-libanesischen Konsortium (Maire Group und CCIC) realisiert, soll 7,6 Milliarden US-Dollar kosten und in der Chemiesonderwirtschaftszone Atyrau angesiedelt werden. Technologiepartner sollen dem Vernehmen nach vor allem US-Unternehmen sein.

Zwar stammt die Verfahrenstechnik in Kasachstans Gaschemieindustrie überwiegend aus den USA. Doch bei einer Unternehmensbesichtigung bei Kazakhstan Petroleum Industries (KPI), das seit 2022 Polypropylen in der Sonderwirtschaftszone in Atyrau produziert, konnte Germany Trade & Invest sich auch vom Einsatz deutscher Maschinen überzeugen. Neben Gasturbinen von Siemens setzt KPI auch auf Abfüll- und Verpackungsanlagen von Haver & Boecker sowie auf Prüf- und Messanlagen von Möller.

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