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Wirtschaftsausblick | Kroatien
Kroatien hat die Wende geschafft. Nach dem heftigen Coronaeinbruch wächst die Wirtschaft wieder. Doch die Risiken haben deutlich zugenommen.
13.06.2022
Von Waldemar Lichter | Zagreb
Seit Frühjahr 2021 geht es kräftig aufwärts. Nach dem überragenden 2. und 3. Quartal 2021 mit Rekordwachstumsraten von 16,5 und 15,8 Prozent jeweils zum entsprechenden Vorjahresquartal nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2021 insgesamt real um 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu und hat sich damit vollständig von der Coronakrise erholt. Zu verdanken war das zum großen Teil der überragenden Tourismussaison, aber auch der wieder angezogenen Konjunktur in der Europäischen Union (EU).
Das kräftige Wachstum hielt auch im 1. Quartal 2022 - wenngleich abgeschwächt - weiter an. Das BIP nahm real um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal zu. Es war das vierte Quartalswachstum in Folge, getragen vom wachsenden Konsum privater Haushalte, starkem Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen sowie der Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen.
Im Jahr 2020 musste die kroatische Wirtschaft gleich zwei schwere Rückschläge verkraften. Die Coronapandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben die Konjunktur ausgebremst. Hinzu kamen mehrere schwere Erdbeben in Zentralkroatien, die Schäden in Milliardenhöhe verursachten. Im Ergebnis schloss das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 mit einem hohen Minus von 8,1 Prozent ab.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird das bis dahin kräftige Wachstum der kroatischen Wirtschaft ausbremsen. Die direkten Auswirkungen dürften sich mit wenigen Ausnahmen in Grenzen halten. Dafür ist die Bedeutung des russischen und ukrainischen Marktes für die kroatische Industrie mit wenigen Ausnahmen (etwa Pharmaindustrie) relativ gering.
Doch die kroatische Wirtschaft wird die Folgen der verschlechterten Konjunktur im EU-Raum spüren. Das gilt für die Exportnachfrage aus wichtigen Handelspartnerländern in der EU, wie Italien oder Deutschland. Noch stärker treffen das Land aber die Auswirkungen des Krieges auf den Tourismus. Die verschlechterte Sicherheitslage in Europa drückt auf die Reisefreude mittel- und westeuropäischer Touristen. Gäste aus Russland und der Ukraine bleiben zum größten Teil ganz weg.
Aufgrund der widrigen Entwicklung sind die meisten Prognosen für 2022 und 2023 deutlich nach unten korrigiert worden. Dennoch wird das Wirtschaftswachstum mit rund 3 Prozent in beiden Jahren solide bleiben.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 50,2 | 57,2 | 3.571 |
BIP pro Kopf (Euro) | 12.400 | 14.710 | 42.918 |
Bevölkerung (Mio.) | 4,1 | 4,0 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... Kuna) | 7,54 | 7,53 | - |
Die Unsicherheiten über die weitere Konjunkturentwicklung in der Coronakrise ließen die Investitionen der Unternehmen sinken. Ungewisse Geschäftsaussichten haben einige Investitionsvorhaben infrage gestellt. Betroffen waren vor allem Projekte im Tourismussektor, aber auch in der Industrie. Der Konjunkturumschwung 2021 hatte zum Wachstum der Investitionen geführt. Der Ukrainekrieg dürfte einige geplante Vorhaben allerdings wieder ausbremsen. Starke Impulse für Investitionen sind bereits 2022 und in den folgenden Jahren von Projekten zu erwarten, die aus der Wiederaufbau- und Resilienzfazilität (6,3 Milliarden Euro) und aus Fonds der EU-Finanzierungsperiode 2021 bis 2027 (9,1 Milliarden Euro) getragen werden. Auch der Wiederaufbau der von Erdbeben zerstörten Infrastruktur und Gebäude soll nun beschleunigt vorankommen. Beeinträchtigt werden die Investitionen durch hohe Preissteigerungen und Lieferengpässe bei Baustoffen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Eisenbahnstrecke Rijeka - Zagreb | 2.500 | Studie, zum Teil Bieterauswahl; geplante Fertigstellung von 2030 auf 2035 verlegt | |
Ausbau des Autobahnnetzes in Süddalmatien bis nach Dubrovnik | 1.200 | Planung; Studie | |
Pelješac-Brücke samt Zufahrtstraßen | 526 | Durchführung | |
Straßentunnel Učka: zweite Röhre | 200 | Durchführung | Konzessionär: Bina-Istra d.d. |
Seehafen Rijeka: 1) intermodale Umschlaginfrastruktur; 2) Ausbau Terminal Zagreb Deep Sea | 1) 133; 2) 300 | Durchführung; Planung | Lucka uprava Rijeka, HZ-Infrastruktura; Konzessionär: Joint-Venture von APM Terminals B.V und ENNA Logic d.o.o. |
Wasserkraftanlage Kosinj-Senj: Senj II (412 MW), Tunnel durch das Velebit-Gebirge und Stausee Kosinj | 450 | Studie; geplante Fertigstellung 2028 | |
Erdölraffinerie Rijeka (Modernisierung); Bioraffinerie Sisak (Ausbau: Biokraftstofferzeugung) | 450; 250 | Durchführung; Planung | |
Erdgasförderung Nordadria: Fertigstellung von neun Bohrungen und Ausbau von sieben Förderplattformen | 265 | Planung; zum Teil Ausschreibung für Teilabschnitte | |
Ausbau Erdgasspeicher in Grubisno Polje (40 Millionen cbm) | 66 | Durchführung (Phase 1); Baugenehmigung (Phase 2) | Podzemno skladište plina d. o. o. |
Weitere Informationen über öffentliche Ausschreibungen in Kroatien finden sich im entsprechenden Amtsblatt.
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet GTAI in der Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Vom Konsum gingen 2021 die wichtigsten Impulse für die Konjunkturbelebung aus. Der private Verbrauch legte real um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Dessen Wachstum wird sich 2022 abschwächen, aber immer noch bedeutend bleiben. Gestützt werden dürfte der private Konsum durch die günstige Entwicklung der Beschäftigung und steigende Löhne. Allerdings schränken die starken Preissteigerungen etwa bei Lebensmitteln die Kaufkraft der Verbraucher ein. Die Unsicherheiten - verursacht durch den Ukrainekrieg - dämpfen jedoch die Konsumlust und lassen Käufe eher zurückstellen.
Für 2022 und 2023 ist aufgrund des Ukrainekrieges mit einer abgeschwächten Nachfrage aus dem Ausland nach kroatischen Waren und Dienstleistungen (Tourismus) zu rechnen. Kroatien wird mangels ausreichenden eigenen Angebots auf Importe von Investitionsgütern sowie - bedingt vor allem durch die Nachfrage aus dem Tourismussektor - auf Einfuhren westeuropäischer Nahrungsmittel und Getränke angewiesen sein.
Nach einem pandemiebedingten kräftigen Rückgang des Außenhandels mit Waren und Dienstleistungen 2020 von über 19,4 Prozent schlug das Pendel 2021 mit einem Plus von über 30 Prozent kräftig in die andere Richtung. Die Einfuhren legten dabei um 30,5 Prozent, die Ausfuhren sogar um fast 40 Prozent zu. Bei den Exporten wirkte sich der starke Anstieg der Erlöse im Tourismussektor aufgrund der sehr guten Saison 2021 aus.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe (cif) | 23.478 | 29.146 | 24,1 |
Exporte (fob) | 15.023 | 19.247 | 28,1 |