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Diversifizierung der Wirtschaft ohne Schwung
Der aktuelle Entwicklungsplan "Kuwait Vision 2035" sieht vor, die Wirtschaft stärker zu diversifizieren. Die bisherigen Ergebnisse sind allerdings noch unzureichend.
03.08.2023
Von Robert Espey | Dubai
Kuwaits große Ölvorkommen sichern den Wohlstand des Emirats mit 4,7 Millionen Einwohnern, von denen 3,2 Millionen Ausländer sind. Um die Abhängigkeit vom Ölsektor zu reduzieren, der 2022 geschätzte 54 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und etwa 94 Prozent der Exporterlöse erwirtschaftete, will Kuwait seine Wirtschaft diversifizieren. Es geht aber nur langsam voran.
Die starke Abhängigkeit von den Öleinahmen zeigt sich auch beim Staatshaushalt. Der Ölsektor stellte im Haushaltsjahr 2022/2023 (April bis März) einen Anteil von 93 Prozent an den Staatseinnahmen. Erst der hohe Ölpreis von durchschnittlich 100 US-Dollar (US$) pro Barrel im Jahr 2022 ermöglichte 2022/2023 nach acht defizitären Jahren wieder einen Budgetüberschuss. Aber schon für 2023/2024 droht erneut ein Fehlbetrag. Die National Bank of Kuwait prognostiziert ein Minus von rund 5 Milliarden US$. Dabei geht sie von einem durchschnittlichen Ölpreis von 85 US$ und einer Schrumpfung der Fördermenge um 4 Prozent aus.
Nicht-Ölwirtschaft noch unter Vor-Corona-Niveau
Die Entwicklung des Nicht-Ölsektors kommt nur langsam voran. Bereits 2019, also vor der Coronakrise, schrumpfte er um 0,1 Prozent. Auch 2022 lag die Wertschöpfung des Sektors unter dem Niveau von 2019. Für 2023 erwartet die National Bank of Kuwait allerdings ein Plus um 3,8 Prozent. Mit diesem Wachstum würde der Sektor wieder das Vor-Corona-Niveau von 2019 erreichen und sogar überschreiten.
Ausbau der Downstream-Industrien ist wichtiges Entwicklungsziel
Investitionen in Downstream-Industrien gehören zu den Schwerpunkten der Diversifizierungsstrategie. Mit jahrelangen Verzögerungen konnten 2021 zwei Raffineriegroßprojekte (Clean Fuel Project, Az Zour Refinery) weitgehend fertiggestellt werden. Das 12 Milliarden US$ teure Clean Fuel Project umfasste Modernisierungsmaßnahmen in den Raffinerien Mina Al-Ahmadi und Mina Abdullah.
Der Bau der 16 Milliarden US$ teuren neuen Az-Zour-Raffinerie mit einer Kapazität von 615.000 Barrel pro Tag war im Wesentlichen schon 2021 abgeschlossen. Die volle Produktion wurde jedoch erst im Juli 2023 erreicht. Die drei Raffinerien verfügen nun über eine Gesamtkapazität von 1,4 Millionen Barrel pro Tag.
Nach Berechnungen der Gulf Petrochemicals and Chemicals Association (GPCA) schrumpften in Kuwait die Kapazitäten der chemischen Industrie zwischen 2012 und 2021 von jährlich 5,5 Millionen auf 3,2 Millionen Tonnen. Ein Hauptgrund für den Rückgang ist die Einstellung der Düngemittelproduktion.
Kuwaits wichtigstes Projekt zur Erweiterung der petrochemischen Produktion steckt erneut fest. Der mit 10 Milliarden US$ kalkulierte Az Zour Petrochemical Complex ist seit 2006 in Planung. Die Zuständigkeit für das Projekt wurde 2016 der Kuwait Integrated Petroleum Industries Company (KIPIC) übertragen, einer Tochter der Kuwait Petroleum Corporation (KPC).
Bedeutung der Wirtschaftszweige in Kuwait (Anteile in Prozent)
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022 * | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 0,3 | 2,7 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 48,7 | 1,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | 4,2 | 5,9 |
Energie- und Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung | 1,5 | 1,6 |
Baugewerbe | 1,3 | 8,4 |
Dienstleistungen | 44,0 | 80,2 |
Das Az-Zour-Projekt soll aus den drei Hauptelementen Olefin 3, Kuwaits zweiter Aromaten-Anlage und einem katalytischen Cracker bestehen. Die Produktionskapazitäten sollen bei jährlich 2,8 Millionen Tonnen Aromaten und Polypropylen sowie 1,7 Millionen Tonnen Benzin liegen.
Vorgesehen ist eine Ausschreibung des Projekts in drei Hauptpaketen. Das mit 4 Milliarden US$ kalkulierte Paket 1 wird aus dem Aromaten-Werk und einer Anlage zur Benzin-Herstellung bestehen, das ebenfalls mit 4 Milliarden US$ veranschlagte Paket 2 aus dem Olefin-Werk und das 1,5-Milliarden-US$-Paket 3 aus Hafenanlagen zum Export der petrochemischen Erzeugnisse.
Mehrfach begannen für das Az-Zour-Projekt Ausschreibungsverfahren, wurden dann aber wieder abgebrochen. Für die drei Pakete haben sich insgesamt elf internationale Unternehmen beziehungsweise Konsortien präqualifiziert. Zwei an Konsortien beteiligte Firmen wollen sich aber zurückziehen. Zudem gibt es Beschwerden von Firmen, die nicht präqualifiziert wurden. Wie weiter verfahren wird, ist unklar.
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Politische Konflikte behindern Strukturwandel
Die permanenten Konflikte zwischen der vom Emir ernannten Regierung, dem gewählten Parlament und der staatlichen Bürokratie behindern Strukturreformen und tragen regelmäßig zu erheblichen Projektverzögerungen bei. Im September 2022 wurden nach einer erneuten Parlamentsauflösung Wahlen durchgeführt, jedoch im März 2023 für ungültig erklärt. Im Juni fanden die siebten Parlamentswahlen innerhalb der letzten zehn Jahre statt. Regierungskritische Abgeordnete stellen wieder die Mehrheit.
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) weisen die kuwaitische Regierung immer wieder auf die Notwendigkeit von Strukturreformen hin. In den Rankings des "Doing Business Reports", den die Weltbank bis 2020 jährlich erstellte, war Kuwait im Vergleich der GCC-Staaten (Gulf Cooperation Council) das am schlechtesten platzierte Land. Im Dezember 2022 warnte der IWF nach Konsultationen in Kuwait erneut davor, dass Verzögerungen von Reformen die notwendige Diversifizierung der Wirtschaft behindern.
Im jüngsten "Article IV Report" zu Kuwait vom März 2022 nennt der IWF zahlreiche Maßnahmen, die zur Beschleunigung des Wachstums ergriffen werden müssten. Zur Stärkung des Privatsektors und zur Diversifizierung des Wachstums sind demzufolge unter anderem Maßnahmen zur Förderung des Wettbewerbs, vereinfachte Verwaltungsprozesse und die Unterstützung von Firmengründungen wie Zugang zu Krediten notwendig. Auch eine Reform des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme sowie eine Bekämpfung der Korruption gelten als erforderlich.