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Libanon | Israel | Wirtschaftsumfeld | Gasförderung

Historische Einigung vor Libanons Küste

Ein Abkommen über die gemeinsame Seegrenze sichert die Offshore-Exploration von Erdgas in Israel und Libanon. Für die Wirtschaft Libanons ist es ein bedeutsamer Hoffnungsschimmer.

Von Detlef Gürtler, Wladimir Struminski | Berlin, Jerusalem

Israel und der Libanon haben am Donnerstag, den 27. Oktober 2022, ein Abkommen zur gemeinsamen Seegrenze unterzeichnet. Damit wird ein jahrzehntelanger Grenzstreit der beiden verfeindeten Länder zwar nicht beendet, aber doch pragmatisch aus dem Weg geräumt. Der Konflikt hatte sich nach der Entdeckung von großen Mengen Erdgas in der umstrittenen Grenzregion verschärft. Für die Wirtschaft Libanons ist das Abkommen der erste Hoffnungsschimmer seit Jahren.

Beiden Ländern ist zugleich klar, dass mit diesem Deal keine Normalisierung ihrer Beziehungen einhergeht – sie befinden sich offiziell im Kriegszustand. Das durch die USA und Frankreich vermittelte Abkommen regelt denn auch vor allem die wirtschaftliche Aufteilung der umstrittenen Zone: Von den zwei Gasfeldern in Grenznähe wird eines (Karish) der israelischen Seite zugesprochen, das andere (Qana) dem Libanon.

Israelisches Erdgasfeld abgesichert

Die Absicherung des Karish-Feldes ist der größte wirtschaftliche Vorteil, den Israel aus dem Abkommen zieht. Zwar hatte die israelische Regierung bereits davor angekündigt, die Erdgasförderung des neu erschlossenen Vorkommens unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen mit dem Libanon anlaufen zu lassen. Im Libanon jedoch stieß diese Absicht auf Widerstand. Es kam sogar zu militärischen Spannungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Bewegung. Nun aber ist die Förderung des Karish-Feldes abgesegnet und hat offiziell bereits begonnen.

Da Israels Eigenbedarf an Erdgas durch die bereits zuvor erschlossenen Gasfelder über Jahrzehnte gedeckt ist, stehen die Lieferungen aus Karish komplett für den Export zur Verfügung. Das ist vor dem Hintergrund der durch den Ukrainekrieg entstandenen internationalen Versorgungskrise von besonderer Bedeutung.

Entschädigung vom französischen Total-Konzern

Eine zusätzliche Einnahmequelle muss die israelische Regierung in den nächsten Monaten mit dem französischen Konzern Total Energies aushandeln. Die Franzosen führen das internationale Konsortium, das die Lizenz zur Exploration des Qana-Vorkommens hält – jenes Gasfeldes, das laut Abkommen ausschließlich der Libanon erschließen soll. Da ein Teil des Reservoirs auf der israelischen Seite der vereinbarten Trennungslinie liegt, soll Israel vom künftigen Betreiber des Feldes entschädigt werden.

Nach Berechnungen der israelischen Wirtschaftszeitung The Marker könnte Israel nach Erschließung des Vorkommens durch den Betreiber – optimistisch kalkuliert – zwischen 35 und 58 Millionen US-Dollar (US$) pro Jahr für die Dauer von 20 bis 25 Jahren erhalten. Für die israelische Staatskasse, die nach Angaben des Finanzministeriums 2021 Steuereinnahmen von umgerechnet 154 Milliarden US$ verbuchen konnte, wäre eine solche Beteiligung am Erlös von Qana von untergeordneter Bedeutung.

Erster Hoffnungsschimmer seit Jahren für die libanesische Wirtschaft

Umso wichtiger ist die Rechts- und Planungssicherheit, die nun für den Libanon erreicht wurde. Das Land steckt seit Anfang 2020 in einer systemischen Wirtschaftskrise, die durch die Hafenexplosion in Beirut im gleichen Jahr noch verschärft wurde. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich halbiert. Die Währung ist genauso kollabiert wie der Bankensektor und die Kraftwerke produzieren praktisch keinen Strom mehr. Wenn das Qana-Gasfeld nennenswerte Fördermengen hervorbringt, kann die Energieversorgung wieder aufgebaut werden, und auch die chronisch defizitäre Handelsbilanz könnte sich verbessern. Allerdings stellt sich das erst im kommenden Jahr heraus, wenn die ersten Ergebnisse der Exploration des Qana-Feldes vorliegen.

Bereits heute greifbar und nutzbar sind hingegen die positiven Auswirkungen der politischen Beruhigung: Das Grenzabkommen reduziert die Gefahr eines militärischen Konflikts und erhöht damit auch die Planungssicherheit für Investoren. Wie weitreichend diese politische Beruhigung sein wird, ist unter den Experten umstritten. Das betrifft insbesondere die Rolle der schiitischen Hisbollah, die an den Verhandlungen über die Seegrenze maßgeblich beteiligt war.

Joseph Daher, Nahost-Wissenschaftler an der Universität Lausanne sieht hierin ein Indiz, dass der Hisbollah "ihre Interessen im Libanon wichtiger sind als der Kampf gegen Israel". Der scheidende libanesische Präsident Michel Aoun hingegen betont gerade diese Gegnerschaft zum südlichen Nachbarstaat: "Libanon wird seine Beziehungen mit Israel unter keinen Umständen normalisieren."

Frankreich als Partner für die libanesische Exploration

Wenn nun vor Libanons Küste mit der Gasexploration begonnen wird, werden deutsche Unternehmen wohl kaum zum Zug kommen. Für das Qana-Feld wurde bereits 2018 die Lizenz an ein Konsortium aus Total (Frankreich), Eni (Italien) und Novatek (Russland) vergeben. Der Minderheitsanteil von Novatek (20 Prozent) steht zwar derzeit zur Disposition, doch gilt hier Katar als wahrscheinlichster Käufer. Für die weiteren Offshore-Lizenzen, die der Libanon in naher Zukunft vergeben wird, dürften faktisch US-Konzerne erste Wahl sein. Die wichtige Rolle, die die USA und Frankreich als Mittler zwischen Libanon und Israel spielten, wird sich nicht zuletzt auch in den Explorationslizenzen widerspiegeln.

Allerdings bietet die Erdgas-Exploration im Libanon auch über die eigentliche Lizenz hinaus ökonomische Chancen. Das betrifft insbesondere den Aufbau jeglicher Infrastruktur, die benötigt wird, um potenziell gefördertes Erdgas verarbeiten und einsetzen zu können. Gänzlich ohne bisherige eigene Gasförderung fehlen dem Land hier sämtliche Kapazitäten. Von libanesischer Seite wird angemerkt, dass deutsches Know-how in diesem Bereich sehr gut eingebracht werden könnte. Allerdings sei es empfehlenswert, nicht so sehr auf Alleingänge zu setzen, sondern sich eher mit den französischen Nachbarn zu koordinieren.

Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer

Sowohl die israelischen als auch die libanesischen Gasvorkommen sind ein Teil der Lagerstätten des sogenannten Levant Basin, in dem auch Zypern und Ägypten Gas fördern. Das gesamte Potenzial des Levant Basin wird auf 3.500 Milliarden Kubikmeter Gas und 1,7 Milliarden Barrel Öl geschätzt.


Das Karish-Feld südlich der nun festgelegten Seegrenze wird von dem britisch-griechischen Unternehmen Energean erschlossen. Sein Gesamtvolumen beträgt etwa 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Damit ist es deutlich kleiner als die bereits im Betrieb befindlichen israelischen Gasfelder Tamar und Leviathan. Seit dem 26. Oktober 2022 fließt Gas aus dem Karish-Feld nach Israel.


Das Qana-Feld liegt zum größeren Teil nördlich der Seegrenze und wird vom Libanon aus erschlossen. Verlässliche Daten zur Größe des Vorkommens liegen noch nicht vor. Die Bohrungen sollen 2023 beginnen. Den gesamten Anteil des Libanon an den Gasfeldern des Levant Basin schätzt die Lebanese Oil and Gas Initiative auf bestenfalls 450 Milliarden Kubikmeter. Qana deckt - wenn überhaupt - nur einen Teil davon ab. Weitere Explorationen sollen in den kommenden Jahren folgen.

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