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Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen
Das Engagement deutscher Firmen ist in Marokkos Hochbau überschaubar. Doch besteht ein Bedarf an hochspezialisierten Lösungen, die aus Deutschland geliefert werden könnten.
05.05.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
In den zurückliegenden Jahren hat sich Marokko zu einem potenziell vielversprechenden Markt für die deutsche Baubranche entwickelt. Es obliegt nun der deutschen Wirtschaft, diese Potenziale auch zu nutzen und sie nicht fast ausschließlich Wettbewerbern aus Drittländern zu überlassen.
Generell zeichnet sich das Königreich durch eine stabile politische Lage, ehrgeizige Entwicklungsprogramme und eine steigende Nachfrage nach hochwertigen Inneneinrichtungen, Baustoffen und Baumaterialien aus. Dies eröffnet vielfältige Möglichkeiten, beispielsweise im Bereich des nachhaltigen Bauens, der Umsetzung von Infrastrukturprojekten sowie der bautechnischen Vorbereitung von Großereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft.
Doch dominieren den Markt für Hoch- und Tiefbauleistungen neben marokkanischen Baukonzernen wie Societe Generale des Traveaux du Maroc, Vias, Stam, Staport, Samco National Construction, El Hallaoui, Houar, Bioui Traceaux, NGE, SGIM, EMB, Alidarim, RIWAL und Mojazine auch Niederlassungen von Konzernen aus Drittländern. Darunter finden sich Firmen wie Bouygues Construction, Vinci Construction, Eiffage Construction, NGE Contracting, GCP, CAPEP, ACS Group, FCC Construcción, Sacyr, Acciona, Campezo, The Arab Contractors, Turc IRIS Insaat, Yapi Merkezi Holding sowie Saudi Binladin Group. Allein aus China haben sich folgende Unternehmen in Marokko niedergelassen: China State Construction Engineering Corporation (CSCEC), China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC), China Road and Bridge Corporation (CRBC), China Overseas Engineering Group Co (Covec), China International Water & Electric Corp., China Railway Tunnel Group sowie China Railway 20th Bureau Group.
Lokale Bauunternehmen mit Wettbewerbsvorteilen
Aus Deutschland heraus sind Bauvorhaben in Marokko nicht durchführbar. Dafür ist eine Niederlassung vor Ort erforderlich. Alternativ können deutsche Unternehmen auf Kooperationspartner aus der marokkanischen Baubranche zurückgreifen, die bei der Auftragsakquise und Projektrealisierung stellvertretend aktiv werden. Nur ein einziges Branchenunternehmen aus Deutschland ist in Marokko mit einer eigenen Niederlassung vertreten: Peri Maroc, ein Spezialist für Schalungen, Gerüste, Holzwerkstoffe und baubegleitende Dienstleistungen.
Gut vernetzte lokale Baufirmen beziehungsweise die etablierten Niederlassungen ausländischer Baufirmen haben gegenüber potenziellen Marktteilnehmern aus Deutschland entscheidende Vorteile bei der Auftragsakquise. Sie sind in der Lage, zum Projektstart eine ausreichende Anzahl von Arbeitskräften und Baugeräten bereitzustellen, sie sind mit den nationalen Baunormen und Standards vertraut und nur sie können für die meist umfangreichen Bauvorhaben die benötigte Menge an Baustoffen und Baumaterialien zu Bestpreisen lokal beschaffen.
Made in Germany genießt ein hohes Ansehen
Die marokkanische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Handelsbeziehungen in alle Himmelsrichtungen zu diversifizieren und sieht Deutschland hier als einen wichtigen Partner. Deutsche Firmen haben große Vorteile mit ihren Erfahrungen in den Bereichen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, was bei marokkanischen Entscheidungsträgern auf hohe Akzeptanz stoßen dürfte.
Bis zum Jahr 2030 sollen insbesondere öffentliche Verwaltungsgebäude, aber auch öffentliche Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen energieeffizient modernisiert werden. Der Staat wird in dieser Frage eine Vorreiterrolle einnehmen, bevor private Bauherren in der Breite nachziehen. Der Gebäudebestand staatlicher Konzerne wie Office Chérifien des Phosphates (OCP) oder auch Office national de l'électricité du Maroc (ONEE) wird ebenfalls entsprechend nachgerüstet. Die Einführung neuer Energiestandards durch die Marokkanische Agentur für Energieeffizienz (Agence Marocaine pour l’Efficacité Energétique/AMEE) eröffnet deutschen Unternehmen zweifellos Chancen, denn sie gelten weltweit als Vorreiter im Bereich Passivhäuser und energieeffiziente Bauweisen.
Nachhaltigkeit als Wachstumschance
Die jährliche Zunahme der Gebäudefläche im Nichtwohnbereich beläuft sich auf circa 200.000 Quadratmeter, wobei der Schwerpunkt in den Sektoren Bau von Büros, Hotels und Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen liegt. Gleichzeitig besteht ein signifikanter Renovierungsbedarf bei älteren Betonkonstruktionen, bei dem Dämmstoffe aus Deutschland aufgrund ihrer Qualität und Effizienz eine entscheidende Rolle spielen könnten.
Weiteres Absatzpotenzial bieten moderne Steuerungssysteme für Klimatisierung und Wassereinsatz. Derzeit liegt der Anteil der Raum- und Gebäudeklimatisierung am gesamten Stromverbrauch des Landes bei 16 Prozent. In Expertenkreisen wird dies als zu hoch angesehen. Intelligente Technologien wie BACnet oder EnOcean sowie neuartige Dämm- und Isolierstoffe könnten den Energieverbrauch senken.