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Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung
Marokkos Baukonjunktur entwickelt sich prächtig, wovon gut vernetzte lokale Baufirmen profitieren. Auch nimmt der Beitrag der Bauwirtschaft zum Wirtschaftswachstum zu.
05.05.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
Die Prognosen für die marokkanische Bauwirtschaft sind positiv: Für das Jahr 2025 rechnen die CEO großer Baukonzerne mit einem Branchenwachstum von rund 4 Prozent. Damit wächst die Bauwirtschaft stärker als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht das BIP-Wachstum im laufenden Jahr bei 3,6 Prozent.
Die für 2025 geplanten Hoch- und Tiefbauprojekte bezeichnen Branchenexperten als äußerst ambitioniert. Zu Jahresbeginn herrscht im Königreich eine Stimmung, in der Bauinvestoren lieber zu früh als zu spät den ersten Spatenstich setzen. Die Ausrichtung des Africa Cups 2025 und der FIFA WM 2030 in Marokko beflügeln die Wachstumsphantasien öffentlicher und privater Projektentwickler zusätzlich.
Auch fließen Auslandsinvestitionen in Bestandsimmobilien, die einen positiven Wachstumseffekt auf die marokkanische Bauindustrie haben. Die Gelder stammen hauptsächlich aus Frankreich und Spanien, aber auch aus den Niederlanden. Zielobjekte dieses kapitalkräftigen Engagements sind der Erwerb von Wohnungen und Wohngebäuden, Hotels, Bürohäusern, Einkaufszentren sowie von Industrie- und Energieanlagen.
Im Hochbau sind besonders viele private Investoren unterwegs
Private Baufirmen engagieren sich bevorzugt auf Baustellen für Wohn- und Geschäftsgebäude, Einkaufszentren, Hotels und Restaurants, aber auch für Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Nicht umsonst ist Marokko bestrebt, nicht mehr allein als wichtiges Zielland für den internationalen Tourismus zu gelten, sondern auch seine Bedeutung als Hochschulstandort für Studierende aus Afrika zu stärken. Darüber hinaus wirbt das Land um ausländische Patienten, die sich in Marokko operieren und behandeln lassen. Für all diese devisenbringenden Geschäftsfelder werden nun moderne Gebäude errichtet.
Ein signifikanter Anteil der geplanten Hochbauprojekte betrifft den Bau von Wohngebäuden sämtlicher Größenordnungen. Der Wohnungsbau dürfte im Jahr 2025 sogar die höchste Dynamik verzeichnen. Gemäß der renommierten Zeitung "TelQuel" hatte der Wohnungsbau bereits im Jahr 2024 ein beeindruckendes Tempo vorgelegt: Die Nachfrage nach Wohnimmobilien war im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung war auf einen Zuwachs von 17 Prozent für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und 10 Prozent für Einfamilienhäuser zurückzuführen. Ausgehend von den genehmigten Bauanträgen dürfte sich dieser Trend im Jahr 2025 fortsetzen, möglicherweise sogar darüber hinausgehen.
Riesenbedarf im sozialen Wohnungsbau
Trotz der positiven Entwicklungen im Wohnungsbau bleibt die Deckung des Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum in den Ballungsgebieten eine Herausforderung. Die zunehmende Binnenmigration aus ländlichen Regionen in die Städte sowie das stetige Bevölkerungswachstum lassen die Nachfrage nach Wohnraum in den urbanen Zentren steigen. Gemäß der jüngsten Volkszählung könnte die Urbanisierungsquote bis zum Jahr 2050 von den aktuellen 66 Prozent auf 74 Prozent zulegen. Die Bevölkerung wird bis 2050 von 37 Millionen auf 45 Millionen wachsen. Dadurch dürfte der Wohnungsmarkt langfristig im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses bleiben.
Gemäß den aktuellen Projektionen und Bauanträgen sowie den Zielvorgaben der Regierung ist zu erwarten, dass im Jahr 2025 zwischen 100.000 und 150.000 Wohneinheiten gebaut werden – dies umfasst sowohl den sozialen Wohnungsbau als auch private Projekte. Die Angaben und Schätzungen variieren allerdings und eine konsolidierte, offizielle Zahl liegt nicht vor.
Das Programm "Direkte Wohnbeihilfe" zur Förderung von Wohneigentum im Zeitraum 2024/2028 lässt ebenfalls auf ein Wachstum im Wohnungsbau schließen, obwohl das Programm kein spezifisches Ziel für 2025 ausweist. Seit Jahresbeginn wurden bereits mehr als 35.000 Förderverträge unterzeichnet.
Innovative Technologien auf dem Vormarsch
Die marokkanische Baubranche erlebt derzeit eine bemerkenswerte Transformation, die durch den Einsatz innovativer Technologien, wie beispielsweise des 3D-Drucks, an Dynamik gewinnt. Diese modernen Lösungen tragen maßgeblich zu einer Steigerung der Effizienz und Nachhaltigkeit bei und führen dazu, dass intelligente und zugleich umweltfreundliche Gebäude entstehen. Die Politik unterstützt eine Reihe wichtiger Trends, zu denen Know-how in den Bereichen Energieeinsparung, Wärmedämmung und Bau von Aktiv- und Passivhäusern zählen. Ein bedeutender Meilenstein ist in diesem Zusammenhang die bis 2030 angelegte Stratégie Nationale de l´Efficacité Energétique.
Die Marokkanische Agentur für Energieeffizienz (Agence Marocaine pour l'Efficacité Energétique/AMEE) hat im Rahmen der Wärmedämmungsvorschriften zwei Energiestandards in den marokkanischen Baukodex (Réglementation thermique de construction au Maroc/RTCM) eingeführt. Auf deren Grundlage erfolgt die energietechnische Zertifizierung von Gebäuden nach neuen nationalen Standards sowie die Vergabe von Effizienz-Labels. Zudem hat AMEE seine Türen für die internationale Zusammenarbeit geöffnet. So hat sie mit der französischen Schwesterorganisation Institut Francais pour la Transition Energétique et Ecologique eine Kooperation vereinbart.
Private Initiative erhält staatliche Förderung
Die Regierung und das Parlament unterstützen private Bauinvestoren weitgehend: Bei strategisch wichtigen Bauprojekten wie Stadien oder auch Gewerbeimmobilien in Industriegebieten und Hafenanlagen haben Investoren die Möglichkeit, mit dem Staat über Steuer- und Zollerleichterungen, Ausbildungszuschüsse für das einzustellende Personal oder auch direkte Zuschüsse zu verhandeln. Für den Bau von Industriegebäuden und Wasserstoff-Elektrolyseanlagen stellt der Staat sogar kostenloses Bauland zur Verfügung.