
Markets International 2/25 I Marokko I Bauwirtschaft
Wo Bagger und Bälle rollen
Marokko bereitet sich auf die Fußball-WM 2030 vor und investiert massiv in Infrastruktur. Internationale Baufirmen machen sich bereits warm, die Deutschen sitzen vielfach noch auf der Bank. Dabei haben sie gute Chancen auf Treffer.
10.06.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
Staub wirbelt auf, während Bagger ihre mächtigen Schaufeln in die lehmige Erde graben. Kräne drehen sich träge vor dem Himmel, und zwischen dem Lärm der Presslufthämmer hallen Stimmen wider – der pulsierende Takt eines Landes, das sich für ein historisches Ereignis rüstet.
Die Fußballweltmeisterschaft 2030 ist nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern auch ein Bauprojekt gigantischen Ausmaßes. In Marokko treffen zwei große Leidenschaften aufeinander: der unbändige Enthusiasmus der Marokkaner für den Fußball und der unermüdliche Drang, das Land architektonisch und infrastrukturell voranzutreiben. Während sich die Nationalmannschaft auf dem Rasen auf ihren großen Auftritt vorbereitet, formt sich rundherum eine neue Skyline aus modernen Stadien und imposanten Bauwerken, dazwischen moderne Hochgeschwindigkeitszüge.
Markets International Ausgabe 2/25

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 2/2025 mit dem Schwerpunkt China. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.
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Die Fußball-Weltmeisterschaft 2030 wird zum ersten Mal gleichzeitig auf drei Kontinenten ausgetragen. Es gibt Spiele in Uruguay, Argentinien und Paraguay, die Hauptgastgeber sind aber Spanien, Portugal und Marokko. Im nordafrikanischen Königreich ist die Freude nun groß – nicht nur wegen der Liebe zum Fußball. Das Land nutzt die Vorbereitungen für das Turnier, um seine Infrastruktur weiter auszubauen und zu modernisieren. Baustellen sind ohnehin schon Teil des Alltags, jetzt erst recht. Doch während das Land euphorisch an der Zukunft baut, bleibt eine Fragen offen: Warum hält sich die deutsche Bauwirtschaft auffällig zurück?
Eine Flut von Bauprojekten

Bis zum Jahr 2030 soll eine beeindruckende Anzahl an Hoch- und Tiefbauprojekten umgesetzt werden. Experten sprechen von „ambitionierten“ Vorhaben, und die Bauindustrie erlebt einen Aufschwung. Für die Ausschreibungen zum Stadionbau arbeitet die Nationale Gesellschaft für Sportstätten Sonarges eng mit der Marokkanischen Fußballföderation FMRF zusammen. Fachliche Unterstützung gewährt ihnen dabei die Nationale Agentur für öffentliche Projekte Anep, die auch als Bauaufsicht fungiert.
Insgesamt fließen fast eine Milliarde Euro in die Modernisierung der bestehenden Stadien in Marrakesch, Tanger, Agadir, Fès und Rabat. Hinzu kommt der Bau des Grand Stade in Benslimane, 55 Kilometer östlich von Casablanca für rund 500 Millionen Euro. Während das neue Stadion bereits im Bau ist, erfasst die älteren Arenen nach dem Africa Cup 2025 eine zweite Modernisierungswelle, um den strengen FIFA-Vorgaben gerecht zu werden. Die Betreiber lassen Laufbahnen entfernen, Spielfelder absenken, Tribünen vergrößern und Dächer umgestalten. Gleichzeitig investieren sie in Frischwasser- und Abwassertechnik.
Doch auch kleinere Aufträge stehen an: So gewann das marokkanische Architekturbüro AJN Bureau im Februar 2025 die Ausschreibung für die Neumöblierung des VIP-Bereichs, aber auch von Umkleidekabinen und Aufenthaltsräumen im Prinz-Moulay-Abdallah-Stadion in Rabat. Gleiches trifft für anstehende Umbauten in den anderen Stadien zu. Dazu gehören neue Sitzplätze, renovierte Mannschaftsräume und bessere Tribünenabdeckungen.
Straßen, Schienen und Energie
Die WM sorgt nicht nur für moderne Sportstätten, sie ist auch Treiber für den Infrastrukturausbau. So werden die Straßen und Autobahnen zwischen den WM-Spielorten ausgebaut, und die Hochgeschwindigkeitsbahn wird verlängert. Die Eisenbahngesellschaft ONCF plant sogar die Verdreifachung der schnellen Zugverbindungen, darunter die Strecke von Kenitra nach Marrakesch und weiter bis Agadir – ein Projekt mit einem Budget von 5,3 Milliarden Euro.
Auch im Energiesektor tut sich einiges. Der staatliche Energieversorger Onee investiert in den Ausbau von Stromnetzen, Gaskraftwerken und Erdgaspipelines. Gleichzeitig gewinnt das Thema Wasserstoff an Bedeutung. Die marokkanische Agentur für erneuerbare Energien Masen arbeitet daran, Investoren zu akquirieren und das Land in diesem Bereich voranzubringen.
Projekte im zeitlichen Vorfeld zur Fußball-WM
(in Millionen Euro, Stand 2025)
Projektbezeichnung | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkung |
Verlegung eines Unterseestromkabels nach Portugal | 865 | Vorstudie | Energieversorger ONEE, 250 km |
Bau einer Anlage zur Meerwasserentsalzung in Rabat | 660 | Vorstudie | Veolia |
Erweiterung des Straßenbahnnetzes in Rabat Salé | 648 | Vorstudie | Stadtverwaltung Rabat, 19,5 Kilometer |
Stadionbau Casablanca Benslimane | 500 | Realisierung | ANEP hat die Ausgestaltung der Tribünen neu ausgeschrieben |
Autobahnbau Casablanca – Rabat | 500 | Ausschreibung | Autobahnbehörde ADM, 80 km |
Bau einer Anlage zur Meerwasserentsalzung in Agadir | 460 | Vorstudie | Konsortium SEDA (Abengoa und InfraMaroc) |
Bau einer Anlage zur Meerwasserentsalzung in Nador | 3 | Vorstudie | China Haisun Engineering |
Quelle: Recherche GTAI, marokkanische Presse
Marokko entwickelt sich schon länger zu einem attraktiven Markt für ausländische Investoren: Die geografische Lage zwischen Afrika und Europa macht das Land zu einem strategischen Logistikstandort mit guten Handelsverbindungen mit vielen Ländern. Gleichzeitig bietet Marokko politische Stabilität und ein investitionsfreundliches Klima. Darüber hinaus verfolgt das Land die Diversifizierung seiner Wirtschaft, das bedeutet neue Geschäftschancen in verschiedenen Branchen. Besonders vielversprechend sind neben der Automobilindustrie und dem Flugzeugbau auch die erneuerbaren Energien, der Bergbau, die Bauwirtschaft, die Gesundheitswirtschaft sowie die Agrar-, Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie.
Ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union verschafft den Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Marokko Rückenwind. Es vereinfacht den Marktzugang für deutsche Unternehmen und stärkt die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Mit seiner strategischen Lage, wirtschaftlichen Stabilität und zunehmenden wirtschaftlichen Diversifizierung bietet Marokko eine vielversprechende Perspektive für deutsche Exporteure und Investoren.
Deutsche bleiben zurückhaltend
Doch während viele internationale Firmen den Vorbereitungsschwung zur Fußball-WM nutzen und sich große Aufträge sichern, ist die deutsche Bauwirtschaft kaum vertreten. Im Unterschied zur WM 2010 in Südafrika scheint das Interesse an Marokko nur gering auszufallen. Deutsche Firmen treten meist nur als Subunternehmer auf, während Konsortien aus anderen Ländern umfangreiche Projekte an Land ziehen. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten für deutsche Unternehmen, insbesondere in spezialisierten Bereichen wie dem nachhaltigen Bauen, der Energieeffizienz oder auch bei der ausfallsicheren Strom- und Wasserversorgung. Gerade in diesen Bereichen wären sie mit ihrem Know-how gefragt.
Ein deutsches Unternehmen ist immerhin dauerhaft vor Ort: Peri Maroc hat sich auf Schalung, den Gerüstbau und Holzbauteile spezialisiert und konnte sich als ein zuverlässiger Partner in der marokkanischen Bauindustrie etablieren. Geschäftsführer Jawad Squalli wundert sich, warum nicht mehr deutsche Firmen den Markt nutzen. Wie er weiß, gibt es viele Chancen, unter anderem im Bereich der FIFA-Standards für Stadien und Hotels. Er kann von Projekten aus der Vergangenheit berichten, an denen deutsche Spezialbaufirmen beteiligt waren. Allerdings blieb es bei Einmalaufträgen. Nach Projektende reisten die Spezialisten wieder nach Deutschland ab. Dabei, findet Squalli, gäbe es vor Ort genügend andere Auftragsmöglichkeiten.
Bau und Umbau von Stadien
Stadium | Projektablauf | Architekturbüro | Bauausführung |
Grand Stadion Hassan II, Casablanca-Benslimane | Baustart erfolgt | Populous, Oualalou + Choi | Maffeis Engineering, ME Engineering, Rider Levett Bucknall, Momentum, SEPSI |
Moulay Abdellah Complex, Rabat | Zweistufiger Ausbau, Phase eins beendet | Derouich Architecte & Associes | SGTM, TEMSAN, Verne Maroc, Protelec, |
Grand Stadion, Marrakesch | Zweistufiger Ausbau, Phase eins beendet | Sad Benkirane | SOMAGEC (Außenarbeiten), TGCC (Innenumbau), Vision Sport (Bestuhlung) |
Grand Stadion, Fes | Zweistufiger Ausbau, Phase eins beendet | BMF Architects, Architekt Mohammed Fikri Benadellah | Zahid, Rapibat, Sotheca, TGCC |
Stadion Adrar, Agadir | Zweistufiger Ausbau, Phase eins beendet | LAM Architecture, Joud Architecture | OTS, Sicatra, SNL Travaux, Alam Equipment |
Stadion Ibn Batouta , Tangir | Zweistufiger Ausbau, Phase eins beendet | JHK Architectes | STAM, IGASER |
Quelle: Marokkanische Presse (SNRT News, TelQuel, Le Desk, L’Economiste)
Schlüsselfertige Lösungen gefragt
Um Boden auf dem marokkanischen Markt für Bauleistungen gutzumachen, müsste die deutsche Wirtschaft mit schlüsselfertigen Bauten, sogenannten Turn-Key-Lösungen antreten, etwa Komplettanlagen zur Meerwasserentsalzung. Offensichtlich fällt es deutschen Mittelständlern aber schwer, miteinander Konsortien zu bilden, im Unterschied zu Wettbewerbern aus Spanien oder Frankreich.
Es kommt sogar schon vor, dass renommierte deutsche Firmen im Rahmen französischer oder spanischer Paketlösungen Technologie und Dienstleistungen nach Marokko verkaufen. So liefert zum Beispiel Vossloh der französischen Alstom in einem Hochgeschwindigkeitsprojekt in Marokko zu. Die spanische Niederlassung von Herrenknecht erhielt wiederum von der Regierung Spaniens den Auftrag, Vorstudien zum Bau eines Bahntunnels zur Unterquerung der Straße von Gibraltar anzufertigen.
Dabei bietet Marokko sogar eine Reihe von Vorteilen, die ein umfangreiches, vor allem langfristiges Engagement der deutschen Wirtschaft vor Ort begünstigen können. Neben Investitionsanreizen in Form von zeitlich begrenzter Steuerbefreiung, Zollsenkungen und Ausbildungszuschüssen gehören dazu Arbeitskräfte, Industriecluster, Auto- und Schnellbahnen, erstklassige Häfen und Flugverbindungen und darüber hinaus stabile politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt: eine geringe Inflationsrate und mit dem Dirham auch eine stabile Währung.