Branchen | Niederlande | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Der Chemiesektor ist eine der wichtigsten niederländischen Industriebranchen.
05.01.2022
Von Torsten Pauly | Berlin
Forschungsnetzwerke sind hervorragend
Ein Vorteil der Niederlande sind die kurzen Wege, die hervorragende Infrastruktur bei Pipelines und allen anderen Verkehrsträgern sowie die räumliche Nähe von Erzeugern und öffentlichen sowie privaten Forschungseinrichtungen. Die niederländischen Chemieunternehmen wenden laut Verband VCNI jährlich 1,5 Milliarden Euro für ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auf. Darüber hinaus gaben die niederländischen Pharmaanbieter 2018 etwa 640 Millionen Euro für ihre Forschung und Entwicklung aus. Die hohe Innovationstätigkeit begünstigt auch die Entwicklung von Startups, von denen in den Niederlanden viele in den letzten Jahren gegründet wurden.
Auch die geographische Lage im Herzen Nordwesteuropas ist ein Standortvorteil. Die Niederlande sind mit den Häfen in Rotterdam - dem größten des Kontinents -, in Amsterdam und in der Provinz Seeland für viele europäische Regionen ein „Tor zur Welt“ und eine wichtige Logistikdrehscheibe. Dies gilt insbesondere für die großen Chemiecluster an Rhein und Main sowie in Antwerpen. Die Niederlande sind auch ein sehr attraktiver Standort für ausländische Unternehmen. Laut der öffentlichen Investitionsförderagentur Invest in Holland sind 19 der 25 weltgrößten Chemiekonzerne in den Niederlanden präsent. Ein zunehmendes Problem ist allerdings der Fachkräftemangel, sowohl in der Forschung und Entwicklung als auch in der Produktion.
Die Chemieindustrie im engeren Sinne hat 2020 etwa 11,1 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe erbracht. Bedeutend sind auch der Pharmasektor und die Mineralölverarbeitung mit Anteilen von 3,6 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent. In den Niederlanden gab es 2019 insgesamt 1.055 Unternehmen in der Chemieindustrie. Diese hatten 46.030 Mitarbeiter. Darüber hinaus existierten 389 Pharmaunternehmen mit 13.629 Beschäftigten. In der Mineralölverarbeitung waren 38 Unternehmen mit 5.647 Mitarbeitern tätig.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2020 |
---|---|---|
Agrarchemikalien, Pflanzenschutzmittel | 730 | |
Synthetische Kunststoffe, Fasern, Filamente | 637 | |
Diverse chemische Erzeugnisse | 386 | |
Synthetische Kunststoffe, Fasern, Filamente | 373 | |
Industriegase | 84 |
In räumlicher Hinsicht konzentriert sich die niederländische Chemie- und Mineralölindustrie daher in den Hafenstädten Rotterdam, Amsterdam und Terneuzen, in Noord-Nederland mit dem Cluster Delfzilj und dem Chemiepark Getec sowie in der Provinz Limburg, wo das Cluster Chemelot seinen Sitz hat. Die Pharmaindustrie ist ebenfalls stark in den Provinzen Nord- und Südholland, Limburg, Noord-Nederland sowie in den Provinzen Noord-Brabant, Gelderland, Utrecht und Flevoland ansässig.
Der Sektor ist besser durch die Coronakrise gekommen als andere niederländische Industriebranchen. So ist die Produktion 2020 in der Chemieindustrie um 0,2 Prozent und in der Pharmabranche um 1,6 Prozent gestiegen, während es im verarbeitenden Gewerbe insgesamt einen Rückgang um 5,9 Prozent gegeben hat. Auch im dritten Quartal 2021 war der saisonbereinigte Ausstoß der Chemieunternehmen um 2,8 Prozent und derjenige der Pharmafirmen um 5,5 Prozent höher als im selben Vorjahreszeitraum. Im vierten Quartal 2021 erwarten 40 Prozent der Chemieunternehmen steigende Umsätze für 2022. Nur 6 Prozent rechnen mit Rückgängen. In der Pharmaindustrie sind 20 Prozent bezüglich der Umsatzentwicklung optimistisch und 2 Prozent pessimistisch.
Unternehmen sind sehr exportstark
Die niederländischen Chemieerzeuger sind stark exportorientiert und erzielen jährlich hohe Ausfuhrüberschüsse. Diese haben sich 2020 auf 18,1 Milliarden Euro summiert. Den größten Anteil hatten dabei Kunststoffe in Primärform (41,4 Prozent), gefolgt von Industriechemikalien (23 Prozent). Auch mit Arzneimitteln haben die Niederlande 2020 einen Exportüberschuss von 14,4 Milliarden Euro generiert. Deutschland ist der wichtigste Auslandsmarkt, der 2020 etwa 21,8 Prozent aller chemischen und 16 Prozent aller pharmazeutischen Erzeugnisse abgenommen hat.