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Rechtsmeldung Niederlande Investitionsrecht

Niederlande schützen neue Technologie mit altem Gesetz

Die kürzlichen Geschehnisse um den Chiphersteller Nexperia waren sehr schlagzeilenträchtig. Aber was ist in rechtlicher Hinsicht passiert? 

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Was führte zu der aktuellen Situation? 

Die Vorgeschichte der besprochenen Maßnahmen beginnt mit der Entscheidung der Vereinigten Staaten, eine “Entities List” zu schaffen. Diese Liste enthält Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die nach Einschätzung der US-Regierung eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder außenpolitische Interessen der USA darstellen. Unternehmen auf dieser Liste dürfen nur mit spezieller Genehmigung US-Produkte, -Technologien oder -Software erhalten. 

Wingtech, die chinesische Muttergesellschaft von Nexperia, steht seit Dezember 2024 auf dieser Liste. Mit Entscheidung vom 29. September 2025 verordnete das zuständige “Bureau of Industry and Security (BIS)” im US-Handelsministerium, dass künftig auch Tochterunternehmen von gelisteten Unternehmen oben genannten Maßnahmen betroffen sind (die so genannte “Affiliates Rule”). Nexperia ist eine hundertprozentige Tochter von Wingtech 

Welche Rechtsgrundlagen gibt es in den Niederlanden? 

Zwangsverwaltung durch die niederländische Regierung 

Am 30. September wurde dann Nexperia von der niederländischen Regierung unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Entscheidung ist (zunächst) auf ein Jahr befristet. Rechtsgrundlage hierfür ist das niederländische Gesetz über die Verfügbarkeit von Waren (Wet beschikbaarheid goederen), dort Artikel 2.  

Dieses Gesetz dient dazu, die Verfügbarkeit strategisch wichtiger Güter in Krisenzeiten sicherzustellen. Es erlaubt dem Staat, Unternehmen in strategischen Sektoren zu regulieren, wenn deren Handlungen die nationale Versorgungssicherheit gefährden. Dazu ermöglicht es ein Verbot strategischer Entscheidungen (z. B. Verlagerung von Produktion, Entlassungen) ohne Genehmigung und somit erhebliche Eingriffe in die operative Entscheidungsfreiheit des Unternehmens. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1952, wurde jedoch immer wieder geändert, zuletzt im Jahr 2021.  

Soweit ersichtlich wurde es erstmals auf ein Hightech-Unternehmen angewandt.  Konkret wurde der chinesischen Unternehmensführung vorgeworfen, einen Teil der Belegschaft abbauen sowie geistiges Eigentum und Maschinen aus den Niederlanden abziehen und nach China verlagern zu wollen. Damit sei die Chipversorgung in den Niederlanden und in Europa in Gefahr geraten. Der Fall wirft interessante Fragen auf, so zum Beispiel die Frage, ob Governance-Mängel und strategische Abhängigkeiten den Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnen. Die Abgrenzung zum – nicht vom Gesetz gedeckten – wirtschaftspolitischen Protektionismus ist schwierig.  

Eilantrag bei Gericht 

Am 1.  Oktober 2025 reichten dann einige europäische Führungskräfte von Nexperia einen Antrag bei Gericht ein, der eine andere Zielrichtung hatte. Rechtsgrundlage waren die Artikel 344 ff. des zweiten Buchs des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek (BW)). Diese Regelungen haben den Zweck, den Schutz der ordnungsgemäßen Unternehmensführung und der Interessen von Anteilseignern und Stakeholdern zu gewährleisten. Zuständig für solche Entscheidungen ist die “Odernemingskamer van het gerechtshof Amsterdam” (Artikel 346 BW). 

Die möglichen Maßnahmen der Unternehmenskammer sind in Artikel 356 ff. des BW (zweites Buch) geregelt. Sie umfassen zum Beispiel die Suspendierung oder Entlassung von Geschäftsführern, die (vorübergehende) Ernennung anderer Geschäftsführer oder die Suspendierung von Beschlüssen der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats. In Extremfällen kann sogar die komplette Auflösung der Gesellschaft angeordnet werden (Artikel 356 f.). 

Die Unternehmenskammer ordnete am 7. Oktober 2025 die Suspendierung des CEO Zhang Xuezheng an. Gleichzeitig übertrug es die Stimmrechte der chinesischen Muttergesellschaft Wingtech an einen unabhängigen Treuhänder und setzte ein neues Management ein. Diese Entscheidungen wurden im Rahmen eines Untersuchungsverfahrens (enquêteprocedure) getroffen und enthalten einstweilige Maßnahmen (voorlopige voorzieningen) – also vorläufigen Rechtsschutz. Wann eine Entscheidung in der Hauptsache folgt, ist derzeit noch nicht abzusehen. 

Das bilaterale Investitionsschutzabkommen 

Zwischen den Niederlanden und China gibt es ein Investitionsschutzabkommen aus dem Jahr 2001. Unklar ist, ob es angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Ausdehnung der Kompetenz der EU auf dieses Thema (siehe die Neufassung des Artikel 207 AEUV) noch Wirkung entfaltet. Dort gibt es ein grundsätzliches Verbot der Enteignung von Investitionsgut der anderen Seite, aber unter bestimmten Umständen ist sie doch möglich. Dazu muss die Enteignung im öffentlichen Interesse sein, sie darf nicht diskriminierend sein und sie muss gegen Entschädigung erfolgen.   

Entschädigungsregelungen 

Das Gesetz von 1952 enthält eine Entschädigungsregelung, aber nur für direkte Vermögenseinbußen, die auf die Maßnahme zurückgehen. Wenn der Eingriff hingegen rechtswidrig wäre, könnte das geschädigte Unternehmen eventuell einen Anspruch aus Staatshaftung (Artikel 162 im sechsten Buch des Burgerlijk Wetboek) haben. Das gilt auch, wenn die Maßnahme der Unternehmenskammer rechtswidrig sein sollte. 

Wie könnte es weitergehen? 

Die Entscheidung nach dem Gesetz über die Verfügbarkeit von Waren ist ein Verwaltungsakt und somit anfechtbar. Ob eine solche Anfechtung erfolgt ist oder noch zu erwarten ist, ist unklar. Die Einspruchsfrist beträgt regelmäßig sechs Wochen. Bleibt der Einspruch erfolglos, ist die Klage zum Verwaltungsgericht möglich. 

 Zum Thema: Presseerklärung von Nexperia 

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