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Electronic circuit board with processor, close up. Electronic circuit board with processor, close up. | © krasyuk/stock.adobe.com

Special | Westbalkan | Beschaffung | Elektronik

Westbalkan wird als Beschaffungsmarkt für Elektronik bedeutender

Serbien und Nordmazedonien beliefern deutsche Unternehmen mit Elektrotechnik. Die Qualität stimmt. Zu den Lieferanten gehören auch Tochtergesellschaften deutscher Kfz-Zulieferer.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad

Serbien und Nordmazedonien sind etablierte Fertigungsstandorte für elektrotechnische Erzeugnisse. Neben der hohen Qualität in der Fertigung sowie den gut ausgebildeten Fachkräften schätzen deutsche Einkäufer an beiden Beschaffungsmärkten die geografische Nähe zur EU.

Spätestens seit 2024 drückt eine Absatzflaute der europäischen Kfz-Industrie in Kombination mit steigenden Lohnstückkosten auf die Margen der Hersteller von Kabelbäumen. Daher kündigten Branchengrößen wie Dräxlmaier oder Leoni an, ihre Kapazitäten in Serbien und Nordmazedonien zu reduzieren. Aktuell gefährdet der chinesische Exportstopp für Mikrochips des Herstellers Nexperia die Versorgung von Elektronikherstellern in der Region mit Halbleiter-Bauelementen.

 

Lokale Hersteller bieten breite Produktpalette

Serbien steigt in der Bedeutung als Standort für die Produktion von Elektronik. Im Großraum Belgrad und in Novi Sad werden Leiterplatten, Messgeräte, Schalter, Steckverbindungen, Steuerungssysteme oder Haushaltsgeräte, darunter von Bosch-Siemens Haustechnik, gefertigt. Im Süden des Landes bei Niš und Kraljevo lässt Leoni Kabelbäume und Kabelkonfektionen produzieren.

Eine bedeutende Rolle spielt die Produktion von Kfz-Elektronik. Zu den größten deutschen Investoren in Serbien zählen Systemlieferanten wie ZF (Leistungselektronik für E-Mobile und Hybride), Continental (elektronische Fahrzeugmanagementsysteme und Displaylösungen) oder Brose (Kfz-Elektronik und elektrische Motoren).

In Nordmazedonien konzentrieren sich Elektronikproduzenten vor allem bei Kočani, Struga, der Vardar-Region sowie der Hauptstadt Skopje. Hersteller wie Amphonol, Baumer, Kemet, Magna oder ODW Elektrik siedeln sich vor allem in den Technologie- und Industriezonen (TIDZ) an. Gefertigt werden Nieder-, Mittelspannungs- und Spezialkabel, Steckverbinder, Kabelbäume, Leiterplatten, Beleuchtungssysteme, Sensoren sowie Kfz-Elektronik.

Verfahren ermöglichen hochwertige Produktion

Firmen in Serbien und Nordmazedonien verfügen über hochwertige Maschinen und Anlagen zur Fertigung elektrotechnischer Produkte. Dazu gehören die Konfektionierung von Kabelbäumen sowie die Isolationsextrusion und Mantelapplikation. Anlagen zur Fertigung von Leiterplatten und Schaltkreisen sowie zum Gehäusebau entsprechen gängigen IPC-Standards. Regionale Stanz- und Werkzeugmacher fertigen Klemmen, Halterungen oder kleinere Blechteile für die Kabelfertigung.

Komplexe Folgeverbundwerkzeuge stammen häufig von Werkzeugmachern aus der EU. Lokale Betriebe fertigen kleine bis mittlere Werkzeuge.

Zertifikate sind Standard 

Lokale Hersteller von Elektro- und Elektronikbauteilen in beiden Ländern erfüllen die branchenüblichen Qualitätsstandards. Für das allgemeine Qualitätsmanagement und Umweltstandards müssen Lieferanten deutscher Abnehmer ISO 9001 sowie ISO 14001 Zertifikate nachweisen.

Für die Automobilindustrie ist IATF 16949 die gängige Norm für Zulieferer. Bei elektronischen Baugruppen ist IPC-A-610 der globale Standard, den Hersteller erfüllen müssen. Für Produzenten von Kabeln sind die CE- und EN-Spannungskategorien maßgeblich. Kabelhersteller legen im Regelfall entsprechende Prüfberichte vor.

Standardmäßig werden Prüfungen und Messungen durchgeführt, darunter dielektrische, Mittel- und Hochspannungs-, sowie Durchgangs- und Zugfestigkeitsprüfungen für Kabelschuhe und Klemmen, TDR- und Verbindungsprüfungen, Salzsprüh- und Korrosionsprüfungen für in Kabelbäumen verwendete Metallteile, sowie eine PPAP-Dokumentation für Kfz-Teile. Kabelbaumkonfektionierer unterhalten interne Prüflabore nach EU-Normen.

Teilweise verwenden Lieferanten und Käufer unterschiedliche Prüf- und Abnahmestandards. Einkäufer sollten sich daher entsprechende Prüfprotokolle zusenden lassen. Zur Sicherung des hohen Qualitätsniveaus sollten deutsche Einkäufer zudem reguläre Audits durchführen. Schwerpunkte der Werksprüfung sollten die Materialkontrolle, der Werkzeugwartungsplan sowie Endprüfverfahren sein.

Neue PEM-Regeln erleichtern Elektronikimporte

Wenn Komponenten in Westbalkanländern verarbeitet werden und die Verarbeitung den PEM-Regeln entspricht, kann die fertige Baugruppe bei der Einfuhr in die EU von einem Präferenzursprung profitieren. Dies ist dann sinnvoll, wenn Kabelbäume in Serbien oder Nordmazedonien montiert werden, oder die Komponenten aus einem Westbalkanland stammen. Die zum 1. Januar 2025 überarbeiteten PEM-Regeln ermöglichen die vereinfachte Feststellung des Warenursprungs für in verschiedenen Westbalkanländern verarbeitete Baugruppen. Dabei muss festgelegt werden, wer das EUR.1-Formular erstellt und wer die Entrichtung der Zölle übernimmt, wenn der Ursprung verneint wird. Bei Sendungen mit gemischter Stückliste sollte ein Zollagent hinzugezogen werden.

Autobahn ermöglicht schnelle Lieferung 

Serbien und Nordmazedonien bieten einen Beschaffungsmarkt für elektrotechnische Erzeugnisse mit geografischer Nähe zu Mitteleuropa. Die durchschnittliche Lieferzeit für Prototypen und Erstmuster für Kabelbäume oder Leiterplatten liegt zwischen vier und zwölf Wochen, abhängig von der Komplexität der Kabelführung, der Kabelbaumlänge und speziellen Bauteilen. Kleinserien werden in vier bis acht Wochen nach Musterfreigabe geliefert. Die Lieferzeit für Großserien ist abhängig vom Auftragsvolumen.

Für die Einrichtung einer Extrusionsanlage und der Spulenplanung müssen bis zu sechs Wochen für Standardprodukte eingeplant werden. Bei Sonderkonstruktionen erhöht sich dieser Zeitraum entsprechend. Werkzeugbau, Prüfvorrichtungen oder die Einrichtung einer neuen Montagelinie verlängern die Lieferzeit ebenfalls.

Der Transport elektrotechnischer Erzeugnisse aus Serbien und Nordmazedonien erfolgt üblicherweise per Lkw. Trotz der Entfernung von mehr als 1.000 Kilometern können auch Güter aus Nordmazedonien über die Autobahn A1 durch Serbien innerhalb der normalen Transitzeit von zwei bis fünf Tagen am Ziel in Deutschland ankommen. Für kleinere Sendungen wird im Regelfall Sammelgut (LTL) genutzt.

Checkliste: 10 Praxistipps für die Beschaffung

  1.  Vorauswahl qualifizierter Lieferanten (über AHK, BME, PKS)
  2. Angebot und Ursprungsblatt einholen
  3. Zertifikate und Prüfberichte anfordern
  4. Elektrische und mechanische Tests an Prototypen durchführen
  5. ESD-Schutzmaßnahmen in der Fertigung prüfen
  6. Due-Diligence Prüfung
  7. Indexierung von Preisen für rohstoffgebundene Vorprodukte (z.B. Kupfer oder Isolierstoffe)
  8. Abnahme und Wareneingangsprüfung (PPAP, ppm-Ziele)
  9. Vertrag inkl. Strafen und Klauseln unterzeichnen
  10. Audit und Freigabe

Kontaktadressen
BezeichnungAnmerkung
Germany Trade & InvestAußenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

Deutsch-Serbische Wirtschaftskammer (AHK)

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Serbien

AHK NordmazedonienLokale Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Nordmazedonien
Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME)Einschlägiger deutscher Fachverband für die Beschaffung
Serbische WirtschaftskammerRegionale Wirtschaftskammer mit Brancheninformationen
Wirtschaftskammer von NordmazedonienRegionale Wirtschaftskammer mit Brancheninformationen
Direkcijata za tehnološki industriski razvojni zoni (TIDZ)Verwaltung der Industriezonen
Beogradski SajamMessestandort Belgrad
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

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