Branchen | Norwegen | Bauwirtschaft
Markttrends
Norwegens Baubranche strauchelt noch immer. Insbesondere beim Wohnungsbau sieht es düster aus. Doch es scheint ein schwaches Licht am Ende des Tunnels.
09.07.2024
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Die norwegische Baubranche sieht auf den ersten Blick wahrlich nicht verheißungsvoll aus. Der Wohnungsbau ist zuletzt beinahe zum Erliegen gekommen. Wer zuletzt auf die norwegische Bahn setzen musste, tat dies aufgrund sich häufender Meldungen zu Zugentgleisungen und einem mehrwöchigen Stillstand wichtiger Güterverbindungen mit einem eher unguten Gefühl.
Tunnelbau bietet Chancen
Während das Schienennetz Norwegens längenmäßig lediglich 11 Prozent der deutschen Schieneninfrastruktur entspricht, gibt es in Norwegen fast annähernd gleich viele Tunnel wie hierzulande. Der Tunnelbau zählt zu den wichtigen Geschäftsfeldern in Norwegen, auch für deutsche Unternehmen.
Ganz aktuell liegt dem norwegischen Parlament Storting ein Regierungsvorschlag zur Entwicklung sowie Finanzierung der zweiten Bauphase des Projekts E134 Oslofjord vor. Dabei geht es um den Bau einer weiteren Tunnelstrecke im Oslofjord mit dem Ziel einer sicheren Unterquerung des Fjords. Ebenfalls könnte hierdurch ein entscheidender Beitrag zur Verkehrssicherheit erzielt werden. Finanziert werden soll der Bau aus staatlichen Mitteln sowie Mautgebühren mit einem finanziellen Rahmen von umgerechnet etwa 660 Millionen Euro. Baustart soll 2025 sein. Darüber hinaus gibt es aktuell einige bereits laufende Tunnelprojekte.
Wohnungsbaukrise geht weiter
Der negative Trend des Wohnungsbaus des vergangenen Jahres setzt sich auch 2024 fort. "Wir müssen bis zur Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre zurückgehen, um ähnlich schwache Zahlen für den Wohnungsmarkt in Norwegen zu finden", erklärt der CEO des Verbandes norwegischer Wohnungsbauer, Lars Jacob Hiim im April 2024. Im Zeitraum von März 2023 bis Februar 2024 seien lediglich 13.642 Wohneinheiten begonnen worden. Dies entspräche der Hälfte des geschätzten Wohnungsbedarfs und ist die geringste Quote, seit 2010 mit den monatlichen Registrierungen begonnen wurde.
Durch die weitere Verknappung des Wohnraums erwartet der Verband der Wohnungsbauunternehmen Boligprodusentenes Forening, dass die Preise wieder steigen werden. Besonders stark trifft dies auf die urbanen Zentren von Oslo und Stavanger zu, wo mit einer Preissteigerung des Wohnraums zwischen 7 und 9 Prozent gerechnet wird. Auch die Vereinigung der norwegischen Bauindustrie, BNL (Byggenæringens Landsforening) bestätigt einen weiteren Rückgang im Wohnungsbau für 2024. Gründe hierfür seien vor allem die anhaltend hohen Baukosten, nach wie vor hohe Zinsen und ein insgesamt schwacher makroökonomischer Ausblick, die für eine gedämpfte Nachfrage nach Neubauten sorgen.
bei Baugenehmigungen von Wohngebäuden im Vergleich zum Vorjahr.
Nach dem Produktionsindex des norwegischen Statistischen Amtes SSB ist die Produktion im Hochbau bereits fünf Quartale in Folge zurückgegangen, aber der größte Rückgang steht vermutlich noch bevor. Der Produktionsindex zeigt auch für das Baugewerbe in diesem Jahr einen Rückgang an.
Unternehmen zeichnen pessimistischen Blick in die nahe Zukunft
Auch die monatlich stattfindende Befragung der Bauunternehmen bestätigt den negativen Trend. Auf die Frage, wie die Unternehmen die Aussicht auf die kommenden zwölf Monate einschätzen, fällt die Antwort nach einem kurzzeitigen positiven Trend nun wieder deutlich negativ aus. Zwischen 84 Prozent und 91 Prozent der Unternehmen sagten, dass sie hinsichtlich der Verkaufspreise, der Investitionen, des Betriebsergebnisses als auch der Anzahl der Beschäftigten in den kommenden sechs Monaten mit einer Stagnation oder aber Verschlechterung der Parameter rechneten.
Kennziffer | 20211) | 20221) | Veränderung 2022/20212) |
---|---|---|---|
Marktvolumen insgesamt | 57,8 | 63,5 | 9,8 |
Gebäudebau | 20,0 | 22,0 | 9,9 |
Straßen- und Schienenbau | 4,0 | 4,8 | 18,0 |
Leitungstiefbau und Kläranlagenbau | 1,5 | 1,7 | 11,6 |
Bauinstallation | 9,8 | 10,9 | 12,2 |
Geschäftschancen in der Energiewirtschaft
Ein Sektor bleibt erfolgreich und sorgt für Wachstum: Die Energiewirtschaft bildet zurzeit das Rückgrat norwegischer Investitionen. Mit umgerechnet insgesamt etwa 20,4 Milliarden Euro für die Jahre 2024-2028 für den norwegischen Festlandsockel fällt die Investitionsanalyse des Verbands Offshore Norge überraschend hoch aus.
Das staatseigene Energieunternehmen Statkraft kündigte zu Beginn des Jahres an, massiv in Onshore-Windparks zu investieren. Umgerechnet etwa 1 Milliarde Euro sind für die Modernisierung und auch den Neubau von Windkraftanlagen an Land geplant. Ausgebaut werden sollen beispielsweise die Windparks in Smøla, Hitra und in Kjøllefjord. Darüber hinaus stehen bis zu 3 Milliarden Euro für die Modernisierung beziehungsweise Umbauten bestehender Wasserkraftwerke zur Verfügung. Ziel ist auch eine 20-prozentige Steigerung der installierten Leistung, was etwa einen Zuwachs von bis zu 2.500 Megawatt bedeuten könnte.
Der ebenfalls staatseigene Netzbetreiber Statnett kündigte an, bis 2030 zwischen 5 Milliarden und 8,5 Milliarden Euro in seine Infrastruktur investieren zu wollen. Neben dem Anschluss neuer Stromquellen, gilt es Vorbereitungen für den steigenden Bedarf zu treffen: Bis 2050 soll der jährliche norwegische Stromverbrauch um über die Hälfte auf 220 Terawattstunden steigen. Der im November aktualisierte Netzentwicklungsplan konkretisiert die geplanten Maßnahmen.
Neben Produktionskapazitäten für Wasserstoff, kristallisieren sich auch immer mehr Pipelineprojekte heraus. Rohrleitungen aus ganz Europa werden auch im Rahmen der Kohlenstoffdioxid-Abscheidung und Speicherung geplant.
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Statens Vegvesen / Straßenprojekt E39 Rogfast | 1.800 | gestartet | u.a. soll hier der längste Unterwassertunnel weltweit gebaut werden |
Blastr Green Steel / Fabrik für grüne Eisenerz-Pellets | 1.000 | in Entwicklung | endgültige Investitionsentscheidung 2025; geplante Inbetriebnahme 2028 |
Statens Vegvesen, Skanska / Straßenprojekt | 969 | gestartet | Größtes Straßenbauprojekt in Nordnorwegen; Ziel: bessere Anbindung der Lofoten |
Avinor / Flughafen Bodø | 612 | Baubeginn ab Mai 2024 | geplante Inbetriebnahme: 2029 |
Implenia / U-Bahn-Tunnel Oslo | 111 | gestartet | geplante Fertigstellung: 2025 |
Anlegg Øst Entreprenør AS / Bau einer Umweltstraße | 4 | Beginn 2024 | Pilotprojekt der öffentlichen Straßenverwaltung für emissionsfreie Baustellen |
Statens vegvesen / Arna-Stanghelle, Sørfjord | k.a. | geplant | Bau eines Straßen- und Schienentunnels für die Seeentsorgung von Tunnelmassen |
Hav Eiendom / Stadtentwicklungsprojekt Grønlikaia, Oslo | k.a. | in Entwicklung | geplanter Abschluss aller Regulierungsbeschlüsse 2025; geplanter Baustart 2026 |
Stanett / Hybrid Connection | k.a. | geplant | "offene" Hybridverbindung im norwegischen Bereich der Nordsee, der Norwegen, einen Offshore-Windpark und ein weiteres Land verbindet |