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Branchen | Polen | Verpackungen

Recycling kommt in Polen nur langsam voran

Unternehmen wollen mehr recycelten Kunststoff einsetzen. Allerdings fehlen Rohstoffe. Abfälle landen zu selten in Wiederverwertungsanlagen. Polen will mit Gesetzen gegensteuern. 

Von Christopher Fuß | Warschau

Ab 2025 müssen die EU-Mitgliedsstaaten mindestens 77 Prozent aller in Verkehr gebrachten PET-Flaschen wiederverwerten. Getränkebehälter aus Kunststoff sollen zu mindestens 25 Prozent aus recycelten Materialien bestehen. Die vorgeschriebene Recyclingquote, also das Verhältnis zwischen eingesammelten und wiederverwerteten Abfällen, steigt bis 2030 für Verpackungsmaterialien auf 70 Prozent.

Polen hat, wie viele andere Länder, ein gutes Stück Arbeit vor sich, um die Ziele zu erfüllen. Verpackungen landen häufiger als im EU-Durchschnitt auf Müllhalden oder in Verbrennungsanlagen. Branchenverbände schätzen, dass Polen nicht mehr als 40 Prozent aller Getränkeflaschen aus Kunststoff recycelt. Die Regierung hat Nachbesserungen angekündigt. Drei Gesetze befinden sich in der Vorbereitung.

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Pfandsystem spaltet den Handel

Bis 2025 will Polen ein Pfand für Getränkebehälter einführen. Einwegflaschen und Mehrwegflaschen aus Glas mit bis zu 1,5 Litern wären betroffen. PET-Flaschen und Dosen aus Aluminium fallen ebenfalls unter das neue System. Die Höhe des Pfandes ist noch unbekannt. Geschäfte mit einer Fläche von über 100 Quadratmetern wären dazu verpflichtet, Pfandflaschen zurückzunehmen – egal, wo der Kunde sie gekauft hat. Kleinere Geschäfte können die Rücknahme verweigern. Unabhängig von der Ladengröße müssen alle Händler das Pfand vom Kunden einziehen.

Der Branchenverband der großen Einzelhandelsunternehmen (Polska Organizacja Handlu i Dystrybucji; POHiD) begrüßt in einer Stellungnahme, dass es keinen zentralen Betreiber für das Pfandsystem geben soll. Handelsunternehmen können selbst entscheiden, wo und wie die Verpackungen gesammelt und verarbeitet werden. Die polnischen Niederlassungen der deutschen Discounter Lidl und Kaufland gehören zum POHiD.

Die Polnische Einzelhandelskammer (Polska Izba Handlu; PIH) fordert hingegen einen zentralen Betreiber für das Pfandsystem. Zu den Mitgliedern der PIH gehören Firmen mit kleineren Ladenflächen wie Żabka, Fresh Market oder Lewiatan. Sie befürchten, dass internationale Unternehmen wie Lidl die leeren Verpackungen ins Ausland transportieren. Recycelte Materialien würden auf dem polnischen Markt fehlen.

Lidl wiegelt ab: "Wir planen nicht, Verpackungen ins Ausland zu verschicken. Die Bewirtschaftung der Pfandabfälle sollen gemeinnützige Organisationen übernehmen. Ziel ist es, hohe Sammelquoten zu erreichen", erklärte Unternehmenssprecherin Aleksandra Robaszkiewicz gegenüber dem Portal money.pl. Bereits jetzt hat Lidl in einigen polnischen Geschäften Rücknahme-Automaten aufgestellt. Kunden erhalten für jede abgegebene PET-Flasche ungefähr einen Cent Rabatt beim Einkauf. 

Glaspfand stößt auf Widerstand

Gemeinsam möchten POHiD und PIH Glasflaschen aus dem Pfandgesetz streichen. Ein Grund: Leere Glasflaschen nehmen Platz weg. Mehr Lagerfläche bedeutet weniger Verkaufsfläche und weniger Umsatz. Laut POHiD sollten Läden außerdem erst ab 500 Quadratmetern Fläche dazu verpflichtet werden, Pfandflaschen zurückzunehmen. Zu den Verfechtern eines Glaspfandes gehören Umweltverbände. Sie loben, dass kleine Glasflaschen mit 100 Millilitern unter das Pfandsystem fallen. In diesen Behältern wird oft hochprozentiger Alkohol verkauft.

Das Rücknahmesystem dürfte den Bedarf an Pfandautomaten deutlich erhöhen. Laut POHiD muss jedes Geschäft rund 200.000 Euro investieren. Absatzchancen eröffnen sich auch für Hersteller von Maschinen zur Abfallverwertung. Polens dynamische Verpackungsindustrie könnte sich über eine gesicherte Rohstoffversorgung freuen. 

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To-Go-Kaffee wird nachhaltiger

Ab 2023 will Polen verschiedene Wegwerfartikel aus Plastik (Single-Use-Plastics; SUP) verbieten. Ein Gesetzesentwurf des Umweltministeriums sieht vor, dass Unternehmen keine Einwegteller oder Besteck aus Plastik in den Verkehr bringen dürfen. Nicht alle SUP-Artikel landen auf der Verbotsliste. Verbraucher müssen aber für Getränke im Wegwerfbecher aus Plastik und für zubereitete Gerichte in einem Transportbehälter aus Kunststoff bis zu 21 Cent extra zahlen.

Auch Firmen werden in die Pflicht genommen. Sie müssen Mehrweg-Alternativen anbieten, beispielsweise bei Kaffeebechern. Für bestimmte Lebensmittelverpackungen sollen Unternehmen eine Gebühr von bis zu 21 Cent je Kilogramm zahlen. Das sei zu viel, klagt der polnische Verband der Lebensmittelhersteller (Polska Federacja Producentów Żywności; PFPŻ). Die Regierung will mit den Geldern die Abfallverwertung unterstützen. Laut PFPŻ habe das Umweltministerium aber nicht erklärt, welche Kosten bei der Entsorgung tatsächlich anfallen. Der Betrag sei daher willkürlich.

Polens nationaler Umweltfonds (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej; NFOŚiGW) soll laut Regierungsplänen mit dem neuen Verpackungsentgelt verschiedene Programme finanzieren. Davon könnten insbesondere Gemeinden profitieren und neue Verwertungshöfe oder Recyclinganlagen in Betrieb nehmen.

Städte und Gemeinden befürchten Verluste

Trotz möglicher Zusatzeinnahmen schlagen die Kommunen Alarm. Der Grund: Ein Gesetz über die sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung verzögert sich. Ziel ist es, Hersteller an den Entsorgungskosten ihrer Produkte zu beteiligen. Produzenten von Haushaltsartikeln sollen bis zu 43 Cent je Kilogramm Verpackung bezahlen. Das Geld erhalten Kommunen. Sie sind laut eigenen Aussagen auf die Einnahmen angewiesen, denn PET-Flaschen landen bislang über den Hausmüll in kommunalen Verwertungsanlagen. Das gewonnene Rezyklat verkaufen die Regionen wiederum gewinnbringend. Mit einem Pfandsystem würden PET-Flaschen nicht mehr im Haushaltsmüll landen. Die Kommunen verlieren Geld.

Die Regierung hat die Arbeiten an dem Gesetz zur erweiterten Herstellerverantwortung gestoppt. Die Begründung: Das Gesetz könnte Produkte teurer machen und so die Inflation befeuern. Im August 2022 lagen die Verbraucherpreise um rund 16 Prozent über dem Vorjahreswert. Umweltverbände kritisieren die Argumentation. Verpackungsgebühren würden die Entsorgungskosten senken – und damit die Inflation.

Recycling-Gesetze in Polen

Name

Nummer

Inhalt

Stand

Änderungsgesetz über die Verpackungswirtschaft

UC 98

Einführung eines Pfandsystems für verschiedene Getränkebehälter

Das Kabinett will den Entwurf bis zum 4. Quartal 2022 verabschieden.

Änderungsgesetz über Pflichten von Unternehmen bei der Abfallbehandlung

UC 73

Verbot mehrerer Einwegartikel aus Plastik und Gebühren auf verschiedene Kunststoffprodukte

Das Kabinett will den Entwurf im 3. Quartal 2022 verabschieden.

Änderungsgesetz über die Verpackungswirtschaft (Erweiterte Herstellerverantwortung)

UC 81

Beteiligung von Herstellern an den Entsorgungskosten für ihre Produkte

Das Kabinett wollte den Entwurf im 3. Quartal 2022 verabschieden. Die Arbeiten wurden aber gestoppt.

Quelle: gov.pl 2022; GTAI-Recherchen 2022

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