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Unternehmen warten auf Pfandgesetz

Polen setzt europäische Kunststoff-Verordnungen mit Verzögerung um. Verbände werden unruhig, weil es immer noch kein Pfandsystem für Getränkeflaschen gibt. Es drohen Strafen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Seit Jahren ringen Lebensmittelhersteller, der Einzelhandel und die Regierung in Polen um ein Pfandsystem für Getränkeflaschen aus Kunststoff. Bereits 2019 hatte Premierminister Mateusz Morawiecki eine entsprechende Regelung angekündigt. Passiert ist bislang wenig. Jetzt schlägt die Lebensmittelindustrie Alarm. "Das Fehlen eines Pfandsystems bedeutet Verluste in Millionenhöhe", schreibt der polnische Verband der Lebensmittelhersteller PFPŻ (Polska Federacja Producentów Żywności Związek Pracodawców) in einer Stellungnahme.

Hintergrund ist ein neues Gesetz über Einweg-Kunststoffartikel (Single-Use-Plastics, SUP). Es trat Mitte Mai 2023 in Kraft. In der Folge dürfen Händler verschiedene Einweg-Plastikerzeugnisse nicht mehr anbieten. Ausnahmen gelten für noch vorhandene Lagerbestände. Das Verbot zieht unter anderem Plastikbesteck und Kunststoffteller sowie Behälter und Becher aus Polystyrol aus dem Verkehr. Polen setzt mit dem Gesetz verschiedene EU-Vorgaben um.

Einweg-Kunststoffprodukte, die nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen
  • Wattestäbchen
  • Teller und Besteck
  • Strohhalme
  • Rührstäbchen
  • Luftballonhalter
  • Lebensmittelbehälter, Getränkebehälter und Becher aus expandiertem Polystyrol

Ausnahmen gelten für medizinische Produkte

Rücknahmequoten setzen Firmen unter Druck

Außerdem formuliert die Reform neue Recyclingziele. Hersteller und Händler müssen ab 2025 mindestens 77 Prozent aller verkauften Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff separat einsammeln. Bis 2029 steigt die Quote auf 90 Prozent. Das Problem: Ohne ein gesetzlich geregeltes Pfandwesen ist es laut PFPŻ nicht möglich, diese Zahlen zu erreichen. Aktuell schafft Polen Medienberichten zufolge rund 50 Prozent, hauptsächlich über die Mülltrennung in Privathaushalten. Flaschen aus PET (Polyethylenterephtalat) müssen ab 2025 einen Anteil von 25 Prozent an recyceltem Granulat enthalten.

Verfehlen Unternehmen die Ziele, drohen Strafzahlungen. Laut PFPŻ müssten Firmen insgesamt bis zu 220 Millionen Euro pro Jahr zahlen. Besser wäre es, wenn die Rücknahmequoten aus dem Einwegplastik-Gesetz erst mit dem geplanten Pfandsystem in Kraft treten würden.

Der aktuelle Entwurf des Pfandgesetzes liegt laut Angaben des Klimaministeriums seit Anfang 2023 im Büro des Premierministers. In einem nächsten Schritt müsste das Kabinett die Reform verabschieden und dann an das Parlament weitergeben. Das ist bis Ende Mai 2023 nicht passiert. Verbände befürchten, dass es vor der Parlamentswahl im Herbst 2023 keine Entscheidung geben könnte.

Handel braucht mehr Zeit für das Pfandsystem

Der Entwurf sieht ein Pfand in Höhe von umgerechnet 11 Cent vor. Der Betrag gilt für Einweg-Getränkeflaschen aus Plastik mit einem Fassungsvermögen von bis zu 3 Litern, für Mehrweg-Glasflaschen mit bis zu 1,5 Litern und für Metalldosen mit bis zu einem Liter. Einweg-Glasflaschen befinden sich gegenüber früheren Entwürfen nicht mehr im System.

Branchenvertreter wie der Handelsverband POHID (Polska Organizacja Handlu i Dystrybucji) konnten durchsetzen, dass es mehrere Rücknahmedienstleister geben darf - zum Unmut der Lebensmittelhersteller, die sich einen einzigen Betreiber wünschen. Das Klimaministerium hat auch die minimale Verkaufsfläche, ab der Geschäfte eine Flasche zurücknehmen müssen, angehoben - von ursprünglich 100 Quadratmetern auf jetzt 200 Quadratmeter. Weniger erfreuen dürfte den POHID, dass weiterhin auch Milchgetränke unter das Pfandsystem fallen würden. Bereits im August 2022 hatte Verbandsgeschäftsführerin Renata Juszkiewicz gefordert, Milchgetränke aus Hygienegründen auszuklammern.

Das Pfandsystem soll bereits 2025 in Kraft treten - auch, damit Unternehmen die Quoten aus der Einwegplastik-Gesetzgebung erfüllen können. Laut PFPŻ dauere es aber mindestens zwei Jahre, ein Rücknahmesystem aufzubauen. Industrievertreter fordern daher, das Pfandsystem solle erst 2026 starten. Das Klimaministerium zeigt sich offen für Gespräche.

Pfandautomaten sind schon heute gefragt

Auch ohne gesetzliche Pfandregelung werden einige Unternehmen aktiv. Brauereien in Polen betreiben bereits ein eigenes Rücknahmesystem für Mehrweg-Glasflaschen. Einzelhändler stellen Automaten für alte PET-Flaschen auf. Kunden von Lidl und Kaufland erhalten beispielsweise rund 2 Cent je zurückgebrachter Flasche - obwohl beim Kauf kein Pfand anfiel. Ähnliche Konzepte verfolgen die französischstämmige Carrefour-Kette und der polnische Nachbarschaftsladen Żabka. Städte wie Warschau und Szczecin investieren in öffentliche Automaten. Der Grund: Alte Flaschen sind heute ein begehrter und damit gewinnbringender Rohstoff.

Laut PFPŻ sieht die Lebensmittelindustrie große Chancen im Recyclingmarkt. "Wenn wir das [geplante] Pfandsystem nur als Kosten betrachten, dann machen wir einen großen Fehler. Es ist eine Investition, die uns den Zugang zu Wertstoffen garantiert. Wir steigern den Umsatz jedes Geschäfts im Pfandsystem", sagt Andrzej Gantner, Geschäftsführer des Verbandes. Anstatt recyceltes Granulat für viel Geld im Ausland zu kaufen, will Polens Lebensmittelindustrie eigene Wiederverwertungsketten aufbauen. Das bedeutet, dass der Bedarf an neuen Aufbereitungs- und Recyclinganlagen, aber auch an kunststoffverarbeitenden Maschinen steigen könnte.

Während die Branche ein Pfand auf PET-Flaschen begrüßt, sorgt eine weitere Stelle im Einwegplastik-Gesetz für Kopfschütteln. Auf Fast-Food-Verpackungen aus Kunststoff, auf Plastikflaschen und auf Einweg-Becher müssen Unternehmen ab 2024 bis zu 4,5 Cent je Kilogramm als Gebühr abführen. Ziel ist es, den Handel an den Entsorgungskosten für Abfälle zu beteiligen. Unternehmen halten den Betrag für willkürlich und kritisieren, dass in einem ersten Gesetzesentwurf noch von deutlich niedrigeren Abgaben die Rede war.

Weniger umstritten ist, dass auch Kunden ab Januar 2024 stärker zur Kasse gebeten werden. Sie müssen eine Gebühr von bis zu 5,5 Cent für Einweg-Getränkebecher und Einweg-Lebensmittelbehälter zahlen. Händler haben die Pflicht, einen wiederverwendbaren Becher als Alternative anzubieten. Die neuen Gebühren könnten den Markt für nachhaltige Verpackungslösungen ankurbeln.

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