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"Investoren fragen nach erneuerbaren Energien"

Mercedes-Benz will mehr Elektroautos bauen. Mit viel Geld stellt das Unternehmen seine Produktionsstandorte um - nicht nur in Deutschland. Auch in Polen entsteht ein neues Werk.

Von Christopher Fuß | Warschau

In der polnischen Stadt Jawor sollen in Zukunft Elektrofahrzeuge vom Band rollen. Die Kleintransporter-Sparte von Mercedes-Benz will hier ein 1,3 Milliarden Euro teures Werk für Kastenwagen und Vans mit Elektroantrieb bauen. Es ist die dritte große Investition des deutschen Automobilkonzerns in Jawor. Das Unternehmen produziert hier bereits Verbrennungsmotoren und Elektrobatterien. Die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Mercedes-Benz Manufacturing Poland, Frau Dr. Ewa Łabno-Falęcka, verrät, was den Standort so besonders macht, wo sie Verbesserungspotenzial sieht und warum am Ausbau der erneuerbaren Energien kein Weg vorbei führt.

Dr. Ewa Łabno-Falęcka, Mercedes Benz Dr. Ewa Łabno-Falęcka, Mercedes Benz | © Mercedes Benz

Frau Dr. Łabno-Falęcka, welche Standortfaktoren gaben den Ausschlag für das neue Werk von Mercedes-Benz Vans in Jawor?

Es gibt viele Faktoren, die analysiert werden. Dazu gehören zum Beispiel die Lage und Form des Grundstücks, die Verkehrsanbindung, die Arbeitskosten, das Humanpotenzial, die lokalen Bildungseinrichtungen oder die Haltung der Behörden.

All diese Rahmenbedingungen stimmen in Jawor. Dank der Nähe zur Großstadt Wrocław (70 Kilometer) gibt es außerdem Zugang zu internationalen Schulen, zu Universitätsstudiengängen für Kinder von Expats und ein reiches kulturelles Angebot. All dies haben wir berücksichtigt.

Entscheidend waren auch unsere positiven Erfahrungen mit dem bestehenden Werk, mit den Beschäftigten sowie die gute Zusammenarbeit mit den zentralen und lokalen Entscheidungsträgern.

Arbeitskosten alleine geben also nicht den Ausschlag?

Was die Arbeitskosten betrifft, so ist Polen immer noch wettbewerbsfähig. Gleichzeitig führt die richtige Mischung aus Automatisierung und hochqualifiziertem Personal hier zu hervorragenden Ergebnissen. 46 Prozent unserer Belegschaft sind Frauen, die großartige Arbeit leisten.

Polen ist ein Industrieland. Das verarbeitende Gewerbe erwirtschaftet mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Eine Folge davon ist, dass Arbeitskräfte über unterschiedlichste Kompetenzen verfügen, offen für neue Technologien sind und sich der Notwendigkeit des "lebenslangen Lernens" bewusst sind.

Das Bildungssystem in Polen hat hier leider klare Defizite. Diese Lücke wird vielerorts von westlichen Investoren gefüllt. Sie übernehmen Patronagen über Berufsschulen oder bieten potenziellen Mitarbeitern Umschulungen und Weiterbildungen an. Wir haben in Jawor ein erfahrenes und kompetentes Team aufgebaut, das auch die Produktion von vollelektrischen Fahrzeugen unterstützen wird.

Stichwort Unterstützung: Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit den Behörden und Institutionen vor Ort?

Wir sind sowohl mit den zentralen, als auch mit lokalen Behörden, Institutionen und Agenturen sehr zufrieden. Wir arbeiten mit vielen Schulen, Berufsschulen und Bildungsinstitutionen in der Woiwodschaft Dolnośląskie zusammen, fördern Kultur-, Jugend- und Sportorganisationen. Das ist unser Leitbild in Jawor.

Wie fügt sich Jawor denn im Gegenzug in das Produktionsnetzwerk von Mercedes-Benz Vans ein?

Mercedes-Benz Vans richtet sein europäisches Produktionsnetzwerk auf eine neue modulare Architektur für vollelektrische Transporter auf Basis der neuen VAN.EA-Plattform aus. Polen wird der einzige Standort, wo nur elektrische Fahrzeuge gebaut werden.

Mit der Neuausrichtung des europäischen Transporter-Produktionsnetzwerks sichert das Unternehmen die langfristigen Perspektiven der bestehenden Werke in Europa. Jawor wird das Netzwerk erweitern. Zukünftig werden große Transporter in geschlossener Bauweise auf der VAN.EA-Architektur basieren.

Welche Rolle spielen für Investoren heute die erneuerbaren Energien?

Polen ist ein Land, in dem 70 Prozent des Stroms aus der Verbrennung von Kohle stammen. Aber es gibt Fortschritte - noch vor 20 Jahren waren es fast 100 Prozent. Auch die polnische Regierung merkt, dass sich etwas tun muss. Unternehmen fangen an, ihren CO2-Fußabdruck zu messen. Potenzielle Investoren fragen immer häufiger nach dem Zugang zu erneuerbaren Energien.

Die regionalen Wirtschaftsfördergesellschaften - die Sonderwirtschaftszonen -, die Investoren anziehen sollen, werden zunehmend in die Energieerzeugung einbezogen. Sie sollen auf Brachflächen Fotovoltaikanlagen bauen und die Energie verkaufen. Auch Direktleitungen sollen bald möglich werden. Gemeint ist die direkte Verbindung zwischen der eigenen Stromerzeugungsquelle und der Fabrik.

Mercedes-Benz produziert in Jawor hingegen schon heute emissionsneutral.

Ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass es möglich ist, in Polen eine Fabrik zu bauen, die fast 1.600 Menschen beschäftigt und zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben wird. Unsere bestehende Fabrik ist vollständig CO2-neutral. Die Energie kommt aus einem Windpark und die Wärme aus Biomasse. Aktuell prüfen wir die Nutzung geothermischer Energie in der Region um Jawor. Außerdem werden wir unsere Fabrikdächer mit Fotovoltaikanlagen ausstatten.

Wichtig ist auch die Logistik, die wir ebenfalls CO2-neutral gestalten wollen. In Jawor wird ein Gleisanschluss gebaut, über den wir in zwei bis drei Jahren 85 Prozent der eingehenden Rohstoffe und Vorprodukte abwickeln wollen.

Im Dezember 2022 hieß es, die endgültige Standortentscheidung hänge noch von der Gewährung staatlicher Beihilfen ab. Gibt es hier schon Neuigkeiten?

Staatliche Beihilfen sind für alle Investoren streng geregelt und können verschiedene Formen annehmen wie beispielsweise Steuererleichterungen oder Zuschüsse. Wenn der Investor bestimmte Bedingungen erfüllt, kann er eine dieser Formen beantragen oder sich für einen Mix entscheiden.

Wir haben im Moment alle notwendigen Anträge eingereicht und warten auf Entscheidungen der polnischen Seite. Von den rund 800 Millionen Euro, die in die ersten beiden Fabriken investiert wurden, erhielt Mercedes-Benz Manufacturing Poland eine Unterstützung in Höhe von circa 18 Millionen Euro. Dies ist nur ein Bruchteil des Betrages, den wir zum Beispiel in die Ausbildung von Beschäftigten investiert haben.

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