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Fachkräfte
Portugals Arbeitsmarkt bleibt durch Zu- und Abwanderung in Bewegung. Die Gehälter sind im EU-Vergleich niedrig. Jedoch herrscht erhebliche Konkurrenz um Fachkräfte.
03.09.2025
Von Friedrich Henle | Madrid
Der Ausbildungsstand in Portugal wird insbesondere im universitären Bereich immer wieder von Unternehmen gelobt. Einer der Gründe dafür ist, dass viele wirtschaftsrelevante Studienfächer häufig belegt werden. Der Anteil der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) liegt bei etwa 28 Prozent und damit über dem EU-Durchschnitt. Deutsche Unternehmen in Portugal schätzen am lokalen Personal neben den reinen Fachkenntnissen die Motivation sowie Flexibilität und Lernbereitschaft.
Verfügbarkeit von Fachkräften - zwei Seiten einer Medaille
Der Statistikdatenbank Pordata zufolge schlossen 2023 rund 95.600 Menschen in Portugal Universitätsstudiengänge ab. Das ist ein Zuwachs von 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Darunter befanden sich 21.000 aus dem Spektrum Finanzen/Wirtschaft/Recht und 17.400 aus den Ingenieurwissenschaften. Mathematik, naturwissenschaftliche Fächer und Informations- und Kommunikationstechnologie absolvierten 8.500 Personen.
Angesichts einer geringen Arbeitslosigkeit und eines hohen Beschäftigungsstands stellt eher die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für Arbeitgeber eine Herausforderung dar. Laut einer Umfrage der ManpowerGroup von Februar 2025 sagen 84 Prozent der Arbeitgeber in Portugal, dass sie Probleme beim Recruiting hätten. In den untersuchten 42 Ländern steht Portugal damit auf Platz 3. Nur in Deutschland und Israel gaben Arbeitgeber noch höhere Werte an. Insbesondere in den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Schwerindustrie und Materialien sowie Konsumgüter und Dienstleistungen fehlt qualifiziertes Personal. Die befragten Arbeitgeber gaben an, dass sie vor allem durch interne Weiterbildung und Umschulung sowie durch Lohnsteigerungen diesem Mangel begegnen würden.
Beispielsweise bei technischem und naturwissenschaftlichem Fachpersonal stehen Unternehmen untereinander im Wettbewerb, aber oft auch mit Konkurrenten im Ausland. Manche technologischen Vorreiter kooperieren mit Universitäten oder Forschungseinrichtungen und positionieren sich damit als potenzielle Arbeitgeber. So kooperiert Bosch mit der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Universität Minho.
Migration in den Arbeitsmarkt und gleichzeitig Braindrain ins Ausland
Die demografischen Herausforderungen in Portugal und Deutschland ähneln sich sehr. So sind die Geburtenraten vergleichbar niedrig und die Lebenserwartung nahezu gleich hoch. Auf dem Arbeitsmarkt in Portugal herrscht jedoch mehr Bewegung, als die stagnierende Einwohnerzahl und die geringe Arbeitslosigkeit nahelegen.
Einerseits sorgt Migration dafür, dass neue Arbeitskräfte auf dem portugiesischen Arbeitsmarkt aktiv werden. Insgesamt leben bereits rund 1 Million Migranten in Portugal. Sie stammen laut dem Datenportal der Wirtschaftszeitung Expansión vor allem aus den portugiesischsprachigen Ländern Angola und Brasilien. Häufig sind Zugewanderte in Dienstleistungsjobs tätig. Auch die Landwirtschaft setzt zunehmend auf Arbeitskräfte aus dem Ausland.
Dem Zustrom an neuen Arbeitskräften steht andererseits eine massive Abwanderung aus Portugal gegenüber. Insbesondere junge und gut ausgebildete Portugiesinnen und Portugiesen verlassen das Land, wenn ihnen im Ausland teils wesentlich höhere Gehälter winken. Insgesamt leben mehr als zwei Millionen portugiesische Staatsangehörige im Ausland. Die beliebtesten Auswanderungsziele waren im Jahr 2022 Spanien, Frankreich und die Schweiz.
Arbeitslosigkeit betrifft vor allem junge Menschen
Die Arbeitslosenquote sank laut portugiesischem Statistikamt INE im 2. Quartal 2025 auf 5,9 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit 20 Jahren. Die Anzahl der Beschäftigten stieg auf 5,25 Millionen. Dahinter steckt die gute wirtschaftliche Entwicklung, die vor allem durch die robuste private Nachfrage und den Anstieg der Investitionen getragen wird.
Die Betrachtung nach Altersgruppen deckt aber große Unterschiede auf. Demnach ist Arbeitslosigkeit in Portugal vor allem ein Jugendphänomen. Bei den unter 25-Jährigen liegt die Quote bei 18,1 Prozent. In der Altersgruppe ab 25 Jahre sind nur 5 Prozent als arbeitslos gemeldet.
Auch bei Teilzeit und Befristungen sind jüngere Arbeitskräfte deutlich stärker vertreten. Der Berufseinstieg ist oftmals schwierig. Mit zunehmender Erfahrung finden Arbeitskräfte ihren Platz im Berufsleben jedoch in großer Mehrzahl, sei es im In- oder im Ausland.
Sehr gute Fremdsprachenkenntnisse im internationalen Vergleich
Portugal nimmt bei den Fremdsprachenkenntnisse im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein. Das gilt vor allem für Englisch. Im Ranking von Education First belegt das Land weltweit den 6. Platz bei den Englischkenntnissen von Nicht-Muttersprachlern.
Viele Portugiesinnen und Portugiesen sprechen jedoch auch weitere Sprachen wie Spanisch oder Französisch. Die verbreitete Mehrsprachigkeit ist ein Faktor, der auch die Ansiedlung von Zentren für Unternehmensdienstleistungen in den vergangenen Jahren begünstigt hat.
Portugal im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |