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Wirtschaftsausblick | Portugal
Das Wirtschaftswachstum in Portugal soll sich 2023 stark verlangsamen. Mittelfristig dürften die Realisierung von Projekten und eine sinkende Inflation die Aussichten aufhellen.
23.12.2022
Von Oliver Idem | Madrid
Im November ging die EU-Kommission für 2022 von real 6,6 Prozent Zunahme der portugiesischen Wirtschaftsleistung aus. Damit wäre Portugal nach Irland der zweitstärkste Wachstumsmotor innerhalb der EU. Zu dem außerordentlichen Anstieg trug vor allem die Erholung des Dienstleistungssektors im ersten Halbjahr 2022 bei.
Globale Verwerfungen und Unsicherheiten schlugen zwar verzögert auf Portugal durch, treffen das Land aber dennoch. Zusammen mit der hohen Inflation begründet dies ein wesentlich schwächeres Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr. Die EU-Kommission prognostiziert nur noch einen Anstieg um 0,7 Prozent.
Längerfristig dürfte Portugal davon profitieren, früh die Energiewende eingeleitet zu haben. In den ersten elf Monaten 2022 stammten 54,4 Prozent der Stromerzeugung auf dem Festland aus erneuerbaren Energiequellen. Diese sollen weiter ausgebaut werden, auch um ohne Übergangslösungen direkt grünen Wasserstoff produzieren zu können.
Dafür bietet sich vor allem die Industrie- und Hafenstadt Sines an. Dort sind einerseits potenzielle lokale Kunden ansässig, andererseits bietet der Tiefwasserhafen Exportmöglichkeiten. Die Häfen Sines und Rotterdam bauen ihre Kooperation im Wasserstoffsektor aus. Die geplanten Investitionen einer Vielzahl von Wasserstoffunternehmen in Sines summieren sich bereits auf etwa 10 Milliarden Euro.
Ein Innovationsmotor sind auch die rund 2.200 Start-ups Portugals. Fintech, Personalvermittlung, Energie und Transport sind die aktuellen Schwerpunkte. Das Land hat bis Oktober 2022 sieben mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertete "Unicorns" hervorgebracht. Der Web Summit in Lissabon bildet jedes Jahr im November einen zentralen Anlaufpunkt für junge Unternehmen. Doch nicht nur Dynamik sorgt für Aufmerksamkeit. Portugal steht weiterhin für politische Stabilität, Verlässlichkeit und Sicherheit. Vor ein paar Jahren wäre das allenfalls eine Randnotiz gewesen. In Zeiten wachsender geopolitischer Unsicherheiten werden diese Eigenschaften zunehmend als eine Stärke des Landes wahrgenommen.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 200,5 | 214,5 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 19.471 | 20.736 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 10,3 | 10,3 | 83,2 |
Die öffentlichen Investitionen erhalten durch die Mittel des nationalen Aufbau- und Resilienzplans mit Zuschüssen von 13,9 Milliarden Euro frischen Wind. Zudem ergab die Neuberechnung der Zuschüsse im Juni 2022 zusätzliche 1,6 Milliarden Euro für Portugal. Hinzu kommen weitere 2,7 Milliarden Euro an Krediten.
Im Juni 2021 wurde der Aufbau- und Resilienzplan Portugals zur Mittelverwendung durch die EU bestätigt. Am 16. Dezember 2022 gab die Steuerungsgruppe für den Aufbauplan bekannt, dass 31 Prozent der Finanzmittel bereits von der EU nach Portugal transferiert wurden. Der Umsetzungsstand lag zu diesem Zeitpunkt bei 21 Prozent.
Da die Realisierung des Plans voranschreitet, entfaltet er auch seine Wirkung hinsichtlich der Investitionen. Unterstützt durch das Programm Next Generation EU will die portugiesische Regierung in die Digitalisierung, die Infrastruktur und ein nachhaltigeres Wirtschaften investieren.
Segmente wie Gewerbeimmobilien, erneuerbare Energien und Wasserstoff dürften weiterhin für Investitionsimpulse sorgen. In anderen Bereichen dürfte die Ungewissheit über die Energie- und Rohstoffsituation und die inländische und ausländische Nachfrage das Investitionsklima verschlechtern.
Insgesamt rechnet die EU-Kommission mit einem schwächeren Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen. Nach einer Zunahme um 4 Prozent im Jahr 2022 soll die Rate auf 3,5 Prozent 2023 zurückgehen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
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Groß-Rechenzentrum "Sines 4.0" | 3.500 | Erstes von neun geplanten Gebäuden im Bau, Eröffnung 1. Halbjahr 2023, Fertigstellung 2027 | Projektentwickler: Start Campus. Europas größtes mit erneuerbaren Energien versorgtes Rechenzentrum für Streaming, Videokonferenzen, Cloud Computing usw. Projekt ist von der Regierung als Vorhaben von nationalem Interesse klassifiziert |
Wind- und Solarparks und Wasserstoffproduktion in Sines | 1.500 | Im Bau beziehungsweise in Planung | Projektplaner: Iberdrola. Zubau von 3.000 MW aus erneuerbaren Energien zur Erzeugung von Wasserstoff für die industrielle Nutzung |
Drei Wasserstoff- und Ammoniakproduktionsanlagen in Sines (Madoqua H2, Madoqua NH3) und Porto de Aveiro (Madoqua Synfuels) | über 1.000 | Im Genehmigungsprozess, Baubeginn Ende 2023 | Details: MadoquaPower2X. Geplante Anlagen erzeugen 50.000 Tonnen grünen Wasserstoff und 500.000 Tonnen Ammoniak pro Jahr |
Metro Porto Linienerweiterung (Linha Amarela) und Neubau (Linha Rosa) | 765 | Linha Rosa und Linha Amarela im Bau bis Ende 2024 Linha Rubí (Casa de Música-Santo Ovidio) und Linha BRT Boavista-Imperio im Bau bis 2025 | Auftragnehmer: Baukonsortium Ferrovial/ACA. Finanzierung von Linha Rosa und Amarela teilweise durch EU-Kohäsionsprogramm POSEUR. Linha Rubí und BRT sind in Plano de Recuperação e Resiliência (PRR) einbezogen |
Metro Lissabon Linienerweiterung (neue Ringlinie Linha Circular) | 210 | Im Bau bis Ende 2024 | Mitfinanzierung durch EU- Kohäsionsprogramm POSEUR |
Zwei Herstellungsanlagen für Polymer-Materialien in Sines | 659 | Auftrag für Planung und Bau von beiden Anlagen erteilt, geplante Inbetriebnahme 2025 | Auftraggeber: Repsol, Auftragnehmer: Tecnimon |
Corredor Internacional Sul (internationaler Südschienenkorridor) Strecke Evora-Elvas (Endstation Caia) | 530 | Strecke Freixo-Alandroal (20,5 km) und Strecke Alendroal-Elvas (38,5 km) im Bau, Fertigstellung 2024 | Auftragnehmer: Mota Engil, Sacyr Infraestructuras-Somague. Projekt zur Verbindung des Hafen Sines und Portugals Süden mit dem Rest Europas. Teil von Ferrovia 2020 |
Neues Krankenhaus in Madeira, Hospital Central da Madeira (HCM) | 352 | Im Bau, Bauausschreibung für erste Phase Strukturen und Außenbereiche ist erteilt, Fertigstellung Ende 2024 | Auftragnehmer der ersten Phase: Tecnovia Madeira, Sociedade de Empreitadas, Afavias, Socicorreia. Projekt wird je zur Hälfte finanziert vom portugiesischen Staat und der Region Madeira |
Neues Krankenhaus in Evora (Alentejo), Hospital Central do Alentejo | 210 | Erdarbeiten begonnen, geplante Fertigstellung Ende 2023 | Auftraggeber: Administração Regional de Saúde do Alentejo (ARS Alentejo), Auftragnehmer: Baukonzern Acciona. Nutzung von europäischen Fördermitteln in Höhe von 40 Mio. Euro |
Logistikplattform in Castanheira do Ribatejo | 150 | Erderschließungsarbeiten im Gang, Bauperiode von Januar 2023 bis Ende 2024 | Auftraggeber: Logistikimmobilienentwickler Montepino, Auftragnehmer: Baumarkt Leroy Merlin. Bau nach hohen Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsstandards |
Bau von drei Supermärkten auf Madeira | 100 | Ankündigung von drei Supermärkten für 2023 | Auftraggeber: Lidl |
Portugal verfügt über eine nationale Ausschreibungsdatenbank. Der Internetauftritt wird auch in englischer Sprache angeboten. Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen finden Sie auf unserer GTAI-Seite zu internationalen Ausschreibungen.
Die Inflationsrate in Portugal schnellte später in die Höhe als in anderen EU-Staaten und lässt voraussichtlich auch später wieder nach. Im November lag die Teuerungsrate noch bei 9,9 Prozent im Jahresvergleich. Portugiesische Haushalte müssen insbesondere für elementare Ausgaben wie Nahrungsmittel und Wohnen deutlich tiefer in die Tasche greifen. Das belastet das Konsumklima.
Ein ermutigendes Zeichen senden die Erzeugerpreise aus. Im September und Oktober nahmen sie geringfügiger zu als in sämtlichen vorigen Monaten des Jahres 2022. Damit wird wahrscheinlicher, dass der Höhepunkt der Inflation erreicht oder bereits überschritten ist.
Der Arbeitsmarkt erweist sich indes als weiterhin sehr stabil. Die Arbeitslosigkeit liegt im EU-Durchschnitt und ist weniger als halb so hoch als im Nachbarland Spanien. Mindestens bis Ende 2024 soll die Quote laut der EU-Kommission unterhalb der Marke von 6 Prozent bleiben.
Portugals Im- und Exporte setzen ihren Höhenflug fort. Die EU-Kommission geht in ihrer neuesten Projektion 2022 von 12,3 Prozent mehr Einfuhren von Waren und Dienstleistungen aus. Bei den Ausfuhren soll die Zunahme gegenüber dem Vorjahr 8,6 Prozent betragen. Das Wachstum schwächt sich 2023 voraussichtlich bei beiden Indikatoren auf 4,1 Prozent ab.
Im Warenhandel erreichten die Importe und Exporte in den ersten drei Quartalen 2022 schon nahezu den kompletten Vorjahreswert. Zu diesem Höhenflug dürften Preiseffekte wesentlich beigetragen haben. Die sich abzeichnende Entspannung bei Inflation und Erzeugerpreisen spricht für eine geringere Wachstumsrate im Außenhandel für das Jahr 2023.
Dass die Lieferketten und ihre Belastbarkeit derzeit stark im Blickpunkt stehen, bietet Chancen für Portugal. Der Trend zur Diversifizierung von Lieferbeziehungen und die Suche nach stabilen Bezugsländern spielt dem iberischen Land in die Hände.
2020 | 2021 2 | 2022 2 | Veränderung 2022/2021 2 | |
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Importe | 83,1 | 59,4 | 81,2 | 36,7 |
Exporte | 63,6 | 46,7 | 58,6 | 25,6 |