Branchen | Saudi-Arabien | Künstliche Intelligenz
Saudi-Arabien investiert Milliarden in Rechenzentren
Mit Hilfe der USA strebt Saudi-Arabien eine führende Rolle im globalen KI-Sektor an – doch die Umsetzung, Fachkräftemangel und der ökologische Fußabdruck werfen Fragen auf.
25.06.2025
Von Ulrich Binkert | Bonn
Der Besuch von Donald Trump und einer hochrangigen US-Tech-Entourage Mitte Mai 2025 hat den großen Plänen Saudi-Arabiens zum Bau neuer Rechenzentren noch ein paar Nullen hinzugefügt. So kündigte Amazon Web Services (AWS) an, im Königreich 5,3 Milliarden US-Dollar (US$) in den Aufbau einer neuartigen "AI-Zone" für Künstliche Intelligenz (KI) zu investieren. Die AWS-Infrastruktur soll bereits 2026 verfügbar sein.
Milliardendeals mit US-Firmen vereinbart
Humain, eine Firma, die erst im Mai 2025 als Tochter des saudi-arabischen Staatsfonds PIF gegründet wurde, will Pressemeldungen zufolge bis 2030 Rechenzentren mit einer Kapazität von 1.900 Megawatt errichten. Das wäre das Siebenfache dessen, was schätzungsweise aktuell in Saudi-Arabien installiert ist. Bis 2034 soll die Kapazität sogar auf 6.600 Megawatt steigen.
Bereits 2026 sollen 50 Megawatt mit Chips von Nvidia in Betrieb gehen, mit einem Ausbauplan auf 500 Megawatt. Nvidia-Konkurrent AMD soll im Rahmen einer 10-Milliarden-US$-Vereinbarung bis 2030 für Humain ebenfalls 500 Megawatt bestücken, davon 50 Megawatt bereits bis Ende 2025. Mit der US-Firma Qualcomm will Humain ein Chipdesignzentrum in Riad aufbauen. Die Beschaffungen seitens der US-Akteure sollen bereits Mitte 2025 starten, sagte Humain-Chef Tareq Amin Ende Mai 2025 in einem Interview mit der Financial Times.
Projekt, Standort | Investitionen (in Mio. US$) | Projektphase, Anmerkungen |
---|---|---|
Amazon Web Services Data Centres, mehrere Orte | 5.300 | Studie |
Humain/Nvidia – AI factories | 5.000 | Studie; 500 MW |
DataVolt/NEOM – AI Data Center Campus, NEOM-Oxagon | 5.000 | Studie; beteiligt: Schneider Electric |
Microsoft Azure Data Center, Riad | 2.100 | Machbarkeitsstudie; angehalten |
China Mobile International/Lumaotong – Desert Dragon Data Centres | 1.900 | 4 Rechenzentren; im Bau, davon eines (in Riad, 65 MW) weiter fortgeschritten; Consultant/Auftragnehmer: ICS Arabia; beteiligt: Saudi Call |
Ezditek – Data Centre in Al Jenadriyah Technical Zone, Riad | 704 | Studie |
DataVolt – Data Centre in Modon Technical Zone, Riad | 667 | Studie |
Ezditek – Hyper-Scale Data Centres | 640 | 2 Rechenzentren mit jeweils 24 MW in Riad und Dschidda; im Bau; Auftragnehmer: Horizons (Dschidda), Mfaheem Al Emar (Riad) |
King Abdul Aziz Telecommunication Complex Expansion, Riad | 500 | im Bau; Saudi Telecom, Consultant: Hill; Auftragnehmer: Al Latifa |
SFC (Saudi Fransi Capital) – Data Centres, Dammam | 320 *) | 6 Rechenzentren mit jeweils 4 MW; im Bau; Consultant: Edarat; Auftragnehmer: MMR |
Beobachter gehen davon aus, dass nur ein Teil der Pläne umgesetzt wird. Die Rede ist von einem Viertel, aber auch das wäre sehr viel. Das riesige Vorhaben von AWS erscheint durchaus plausibel. Mehr Zurückhaltung gibt es bei einem Milliarden-Projekt von Microsoft Azure. Der US-Konzern stellt aktuell seine KI-Investitionen global auf den Prüfstand.
Konkrete Pläne sind überschaubarer
Bei den Rechenzentren in NEOM dürfte die Realität weit hinter den Ankündigungen zurückbleiben. Die Mega-Zukunftsstadt ist Berichten zufolge stark betroffen von Sparmaßnahmen infolge des Ölpreisrückgangs bis Ende Mai 2025. Als Investor in NEOM soll DataVolt agieren. Das saudi-arabische Unternehmen plant aktuell nach Daten von Zulieferern pro Quartal neue Rechenzentren mit jeweils rund 6 bis 12 Megawatt.
Ein Zulieferer schätzt unter Fortschreibung älterer Daten der Branchen-Marktforschungsfirma Twimbit, dass Saudi-Arabien zurzeit über gut 30 Rechenzentren mit etwa 270 Megawatt verfügt. Die Angaben divergieren allerdings. Das Portal Global Center Data Hub kam Mitte Mai 2025 auf 525 Megawatt. DC Byte verweist auf 94 Rechenzentren mit insgesamt 671 Megawatt, die in Betrieb, im Bau, zugesagt oder in frühen Projektstadien sind.
Aktuell laufen Investitionen nach Branchenangaben vor allem in Dschidda. Die Stadt am Roten Meer ist Saudi-Arabiens wichtigster Anlandepunkt für unterseeische Datenverbindungskabel. In Dammam wiederum betreibt unter anderem Groq das "größte Inference Center der Region", mit KI-Kunden weltweit. Die US-Firma erhielt im Februar 2025 eine Finanzierungszusage Saudi-Arabiens über 1,5 Milliarden US$ für den Ausbau der Infrastruktur.
Strompreis und Regulierung sind Pluspunkte
Seit Januar 2024 gelten Vorschriften für die Dienste von Rechenzentren, die nach Ansicht von Twimbit das regulatorische Umfeld deutlich verbessert haben. Die Data Center Services Regulations der Communications, Space and Technology Commission erleichtern demnach Partnerschaften von Rechenzentren mit anderen Dienstleistern.
Als weiterer Vorteil Saudi-Arabiens gilt die Verfügbarkeit von Strom, einem weltweiten Engpassfaktor der Branche. Die Kosten sind weitaus niedriger als etwa in Deutschland: Gewerbliche Kunden zahlten Ende 2023 laut Twimbit nur knapp 7 US-Cent pro Kilowattstunde. Dagegen waren es in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) 11 US-Cent und in Oman 22 US-Cent. Nur Katars Strompreis lag mit 3,6 US-Cent je Kilowattstunde unterhalb des Niveaus in Saudi-Arabien.
Branche | Unternehmen |
---|---|
Cloud-Provider | AWS, Microsoft Cloud, Oracle Cloud, Google Cloud, Huawei, Alibaba Cloud |
Telekomgesellschaften | Saudi Telecom, Mobily, Zain Salam, Go |
Sonstige Rechenzentren-Betreiber und -Investoren/Colocators 2) | Jawraa, NourNet, Shabakah Net, Al Moammar Information Systems Co. – MIS, Ezditek (Saudi-Arabien); Quantum Switch, Edgnex, Gulf Data Hub (VAE) |
Armee, Polizei, staatliche Sicherheitsdienste | keine Angaben |
Allerdings stammt der Strom in Saudi-Arabien fast ausschließlich aus fossilen Quellen, allen ehrgeizigen Ausbauplänen für erneuerbare Energien zum Trotz. Das ist ein Hemmnis für Investoren, die sich dem Ruf ihrer Branche als Energiefresser bewusst sind und auf Nachhaltigkeit setzen. Twimbit verweist auch auf Schwächen im Stromnetz. Firmen könnten im Einzelfall von Projekten für Rechenzentren absehen, weil sie den Bau einer eigenen Stromversorgung einkalkulieren müssten.
Nachfrage nach Rechenleistung mit Fragezeichen
Eine weitere Frage ist, woher der hohe Bedarf für Rechenleistung kommen soll. Zwar steigt die Nachfrage durch die beachtliche Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und täglichem Leben deutlich. In Saudi-Arabien leben aber nur 34 Millionen Menschen. Zum künftigen Export von Rechenleistung fragen sich Beobachter, warum internationale KI-Anwendungen oder Cloud-Dienste gerade in Saudi-Arabien angesiedelt sein sollen. Das Land sei zwar durch Datenkabel gut angebunden, es mangele jedoch an technischem Know-how und absehbar auch an Fachkräften. Zweifel beim Datenschutz könnten KI-Kunden etwa aus der EU abschrecken.
Zudem gelten die VAE als Konkurrent. Das Nachbarland arbeitet an noch umfangreicheren Ausbauplänen für seine Rechenzentren. "Eine Investitionsankündigung in den VAE nehme ich ernster als eine in Saudi-Arabien", sagt dazu ein Technikzulieferer in Dubai. Die VAE hätten "locker zehn Jahre Vorsprung" gegenüber Saudi-Arabien. Anders als dort gebe es in den VAE bereits ein ganzes Ökosystem an Betreibern und Zulieferern. Die Investitionskosten für Rechenzentren sind in den VAE laut Twimbit mit 8 Millionen US$ pro Megawatt Kapazität geringer als in Saudi-Arabien mit 10 Millionen US$.
In den USA gibt es auch Sicherheitsbedenken, die leistungsfähigsten KI-Chips in derart großer Zahl in den Nahen Osten zu verlagern. Beschränkungen für den Export solcher Chips hatte die Trump-Regierung kürzlich jedoch aufgehoben. Beim Bau der Rechenzentren gelten nach Zulieferer-Angaben strikt US-Standards. In chinesisch investierte Vorhaben wie die laufenden Projekte von China Mobile sei als westlicher Zulieferer schwer hereinzukommen.
Institution | Erläuterung |
---|---|
AHK Saudi-Arabien (Delegation der Deutschen Wirtschaft in Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen; GESALO) | Auslandshandelskammer |
LEAP | Branchenmesse in Riad, nächste Veranstaltung: 13. bis 16. April 2026 |
Saudi Data and Artificial Intelligence Authority | Zentrale Branchenbehörde |