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Wirtschaftsausblick | Saudi-Arabien
Die saudi-arabische Wirtschaft erzielt 2022 das höchste Wachstum seit über zehn Jahren. Öl ist die Treibkraft. Aber zukünftig dürfte der Ölsektor als Wachstumsmotor ausfallen.
25.11.2022
Von Robert Espey | Dubai
Mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von real (preisbereinigt) 7 bis 9 Prozent erreicht Saudi-Arabien 2022 das höchste Wirtschaftswachstum seit 2011. Die von der OPEC+-Gruppe zwischen August 2021 und September 2022 verfolgte Politik einer schrittweisen Ausweitung der Ölförderung hat in Saudi-Arabien 2022 zu einer Erhöhung der Ölproduktion um 16 Prozent auf durchschnittlich 10,6 Millionen bpd (barrel per day) geführt. Der BIP-Anteil des Ölsektors dürfte 2022 auf 41 Prozent steigen.
Die Erhöhung der Ölförderung sowie der mengen- und preisbedingte starke Anstieg der Öleinnahmen haben dem Nichtölsektor 2022 nur relativ schwache Impulse gegeben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für 2022 in der Nichtölwirtschaft sogar eine leichte Abschwächung des Wachstums gegenüber dem Vorjahr auf 4,2 Prozent.
Der BIP-Anteil des Ölsektors könnte 2023 wieder abnehmen. Grund ist die wahrscheinlich rückläufige Ölförderung. Im Oktober 2022 wurde von der Gruppe OPEC+ eine Drosselung der Ölproduktion ab November beschlossen, die die saudi-arabische Produktionsquote gegenüber Oktober um 4,8 Prozent auf 10,5 Millionen bpd absenkt. Sollte diese Quote im Jahresverlauf 2023 unverändert bleiben, würde Saudi-Arabiens durchschnittliche Ölförderung 2023 gegenüber dem Vorjahr um etwa 1 Prozent schrumpfen.
Indikator | 2020 | 2021 1) | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Milliarden US$) | 703,4 | 833,5 | 4.219 |
BIP pro Kopf (US$) | 20.097 | 24.443 | 50.709 |
Bevölkerung (Millionen) 2) | 35,0 | 34,1 | 83,3 |
Saudi-Araber | 21,4 | 21,7 | - |
Ausländer | 13,6 | 12,4 | - |
Wechselkurs (1 US$ / S.Rl) 3) | 3,75 | 3,75 | - |
Die meisten derzeit vorliegenden BIP-Prognosen berücksichtigen für 2023 den Effekt einer möglichen Stagnation oder Reduzierung der Ölförderung noch nicht. Es wird für 2023 von einem geringeren, aber noch substanziellen Wachstum der Ölproduktion ausgegangen.
Die jüngste IWF-Prognose weist 2023 für den Ölsektor ein Wachstum von 3,3 Prozent aus, die Nichtölwirtschaft soll um 3,8 Prozent expandieren. Insgesamt würde sich ein BIP-Plus von 3,7 Prozent ergeben. Bei Annahme eines Nullwachstums im Ölsektor ergäbe sich 2023 ein BIP-Wachstum von weniger als 2,5 Prozent. Der IWF erwartet im Zeitraum 2024 bis 2027 BIP-Zuwächse jeweils im Bereich von 3 Prozent.
Somit bleibt das hohe Wachstum 2022 eine einmalige Abweichung von einer insgesamt eher mäßigen Dynamik. Im Jahr vor der Coronapandemie (2019) lag das BIP nur 8,1 Prozent über dem Niveau von 2014. Das BIP ging 2020 um 4,1 Prozent zurück und legte 2021 um 3,2 Prozent zu. Der Ölsektor expandierte 2021 um 0,2 Prozent, die Nichtölwirtschaft um 4,9 Prozent.
Die Bruttoanlageninvestitionen sind 2021 um real 10,1 Prozent expandiert. Diese kräftige Erhöhung folgte auf ein Minus 2020 von 11,7 Prozent. Im Fünfjahreszeitraum 2016 bis 2020 betrug die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate -4,7 Prozent. Das 2021 erreichte Investitionsniveau lag 13,3 Prozent unter dem Wert von 2015.
Der 2021 verbuchte Zuwachs ist das Resultat einer Steigerung der privaten Investitionstätigkeit um 26,7 Prozent und einer Verminderung im öffentlichen Sektor um 40,1 Prozent. Im 1. Halbjahr 2022 legten die Investitionen gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 23,7 Prozent zu. Für den staatlichen Sektor wird ein Plus von 40,9 Prozent ausgewiesen, für die Privatwirtschaft von 21,9 Prozent.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Millionen US$) | Projektstand *) | Projektträger |
---|---|---|---|
Yanbu Crude Oil To Chemicals (COTC): Refinery Package | 20.000 | ST | |
3,5 GW Gas Fired Power Plants in Al-Qassim and Taiba | 8.000 | A | |
Jeddah Islamic Port Expansion | 7.000 | DE | |
Hydrogen Production Plant | 6.500 | ST | |
Nuclear Power Reactor: Package 1 | 6.000 | FEED | |
Renewable Energy Program: Round 4 (Wind and Solar; 3,3 GW; 5 Projects) | 4.600 | PQ | |
Riyadh Dammam High-Speed Rail | 4.500 | DE | |
Integrated Flat Steel Complex in Ras Al-Khair | 4.000 | DE | |
Upgrade of Sewage Treatment Plants: 5 Packages | 2.150 | A | |
NEOM City: The Line: High Speed Rail: Signalling and Rolling Stock | 2.000 | PQ |
Nach einem Rückgang des privaten Konsums 2020 um real 6,3 Prozent haben sich die Ausgaben der privaten Haushalte 2021 um 9,7 Prozent erhöht und lagen 2,7 Prozent über dem Niveau von 2019. Damit wurden die Verbraucher ihrer traditionellen Rolle als zuverlässige Konjunkturstütze wieder gerecht.
Auch für 2022 zeichnet sich erneut ein deutlicher Konsumzuwachs ab. Im 1. Halbjahr 2022 stieg der private Konsum gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 6,3 Prozent. Die in Saudi-Arabien monatlich vom Marktforschungsunternehmen CEIC erhobene Verbraucherstimmung zeigt eine hohe Konsumbereitschaft. Im Juni 2022 wurde mit 71,3 Indexpunkten (National Index) ein neuer Höchststand erreicht, im November 2022 waren es 70,1 Punkte. Im Winter 2021/2022 bewegten sich die Monatswerte unter 65 Punkten.
Das saudi-arabische Außenhandelsvolumen wird 2022 auf einen neuen Spitzenwert steigen. Nach einer deutlichen Erholung 2021 legen die Importe und Exporte 2022 noch einmal kräftig zu. In den ersten acht Monaten 2022 erhöhten sich die Ausfuhren gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode vor allem ölpreisbedingt um 73 Prozent auf 286 Milliarden US$ (fob), die Einfuhren expandierten um 19 Prozent auf 120 Milliarden US$ (cif).
Die hohen Ölpreise und die Ausweitung der Ölexportmengen könnten 2022 die Ölexporte auf 320 Milliarden bis 340 Milliarden US$ ansteigen lassen. Der bisherige Höchstwert wurde 2012 mit 337 Milliarden US$ erreicht. Die Ölausfuhren waren 2020 auf 119 Milliarden US$ gefallen (2019: 200 Milliarden US$) und haben sich 2021 auf 202 Milliarden US$ erholt. Der Anteil des Öls am Gesamtexport dürfte sich 2022 auf etwa 80 Prozent erhöhen (2021: 73 Prozent).
2020 2) | 2021 2) | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe (fob) | 124,9 | 136,4 | 9,2 |
Exporte (fob) | 171,9 | 275,1 | 60,0 |
Öl | 119,4 | 202,2 | 69,4 |
Andere Waren | 43,1 | 60,6 | 40,7 |
Re-Exporte | 9,4 | 12,3 | 30,2 |
China baut seine Stellung als Saudi-Arabiens führender Handelspartner aus. Chinesischen Zollangaben zufolge erhöhten sich in den ersten zehn Monaten 2022 die Ausfuhren nach Saudi-Arabien um 23,2 Prozent auf 30,7 Milliarden US$. Die United States International Trade Commission meldet für die ersten neun Monate 2022 einen Zuwachs der US-Exporte um 3,6 Prozent auf 8 Milliarden US$.
Gemäß Destatis sind die deutschen Ausfuhren nach Saudi-Arabien 2021 weiter um 4,7 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro (6,6 Milliarden US$) gefallen. Das war der niedrigste Wert seit 2009, der Spitzenwert wurde 2015 mit 9,9 Milliarden Euro erreicht. In den ersten neun Monaten 2022 expandierten die deutschen Lieferungen um 15,4 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. In US-Währung war es nur eine Steigerung um 1,9 Prozent auf 5 Milliarden US$.