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Wirtschaftsausblick | Saudi-Arabien
Die Steigerung der Ölproduktion und die hohen Ölpreise bescherten Saudi-Arabien 2022 ein Rekordwachstum. Jetzt hat sich die Lage deutlich zu Ungunsten des Königreichs geändert.
17.05.2023
Von Robert Espey | Dubai
Das Königreich Saudi-Arabien setzt auf eine intensive Imagekampagne. Insbesondere die wachsende Flut von Pressemeldungen über die zahlreichen geplanten oder angelaufenen Megaprojekte vermitteln den Eindruck einer boomenden Wirtschaft. Die Vorhaben sollen wesentlich zu der im Rahmen der "Vision 2030" angestrebten Diversifizierung der Wirtschaft beitragen. Mitte April 2023 spekulierten deutsche Medien, dass Saudi-Arabien unter den großen Volkswirtschaften 2023 mit einem möglichen Wirtschaftswachstum von über 6 Prozent der Spitzenreiter sein könnte.
Zwischen dem gefühlten Wirtschaftsboom und den meisten Wachstumsprognosen existiert jedoch eine deutliche Diskrepanz. Nachdem die Gruppe der OPEC+ am 2. April eine weitere Drosselung der Ölproduktion angekündigt hat, ist für 2023 in Saudi-Arabien ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von weniger als 2 Prozent nicht auszuschließen.
Dem Beschluss der OPEC+ zufolge wird Saudi-Arabien von Mai bis Dezember 2023 die Ölförderung auf nur noch durchschnittlich 9,98 Millionen Barrel pro Tag (bpd) herunterfahren. Für das Gesamtjahr 2023 ergäbe sich ein Durchschnitt von 10,14 Millionen bpd. Dies wäre eine Schrumpfung gegenüber 2022 um 4,2 Prozent. Der Anteil des Ölsektors am realen BIP würde auf 37 Prozent sinken (2022: 39 Prozent).
Indikator | 2021 1) | 2022 2) | Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Milliarden US$) | 868,6 | 1.108,1 | 4.072,0 |
BIP pro Kopf (US$) | 25.464 | 31.661 | 48.595 |
Bevölkerung (Millionen) 3) | 34,1 | 35,0 | 83,8 |
Saudi-Araber | 21,7 | 22,0 | -- |
Ausländer | 12,4 | 13,0 | -- |
Wechselkurs (1 US$ / S.Rl) 4) | 3,75 | 3,75 | -- |
Die Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vom April 2023 berücksichtigen die Auswirkungen der weiteren Reduzierung der Ölförderung noch nicht. Die IWF-Prognose weist für 2023 und 2024 ein BIP-Plus von jeweils 3,1 Prozent aus und erwartet im Zeitraum 2025 bis 2028 ein stabiles Wachstum von jeweils etwa 3 Prozent. Die Weltbank geht für 2023 von 2,9 Prozent aus, 3,3 und 2,5 Prozent sollen es 2024 und 2025 werden.
Als Reaktion auf die stärkere OPEC+ Öldrosselung hat die Emirates NBD, eine führende Bank in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Wachstumsprognose 2023 für die GCC-Ländergruppe (Gulf Cooperation Council) von durchschnittlich 3,2 auf 2,3 Prozent korrigiert. Die BIP-Vorhersage für Saudi-Arabien wurde von 3,1 auf 2,1 Prozent gesenkt. Der Ölsektor soll in Saudi-Arabien um 2,0 Prozent schrumpfen, die Nicht-Öl-Wirtschaft hingegen um 4,8 Prozent expandieren. |
Das 2022 erzielte BIP-Wachstum von real 8,7 Prozent ist vor allem auf die starke Ausweitung der Ölförderung um 16 Prozent zurückzuführen. Die Erhöhung der Ölförderung sowie der mengen- und preisbedingte starke Anstieg der Öleinnahmen haben 2022 auch dem Nichtölsektor kräftige Impulse gegeben. Hier wird ein Plus von 4,8 Prozent gemeldet. Die verarbeitende Industrie legte um 7,9 Prozent zu, die Bauwirtschaft um 4,5 Prozent und das Dienstleistungsgewerbe um 4,3 Prozent.
Nach vorläufigen Angaben der nationalen Statistikbehörde stiegen die Bruttoanlageinvestitionen 2022 real um über 24 Prozent (2021: 10 Prozent). Nominal sollen sich die Investitionen um 31 Prozent auf 277 Milliarden US$ erhöht haben. Davon werden 242 Milliarden US$ (2021: 182 Milliarden US$) als private Investitionen klassifiziert, die restlichen 35 Milliarden US$ (2021: 29 Milliarden US$) als staatliche. Die kräftigen Steigerungen der letzten beiden Jahre markieren das Ende einer Investitionsflaute. Im Fünfjahreszeitraum 2016 bis 2020 waren die Investitionen jährlich um durchschnittlich 3,4 Prozent zurückgegangen.
Zum Investitionswachstum tragen die neuen Gigaprojekte bei. Die Projektdatenbank MEED Projects veranschlagt den Wert 16 ausgewählter Großprojekte mit 879 Milliarden US$ (Stand: März 2023). Seit 2018 sind für diese Vorhaben Aufträge für rund 46 Milliarden US$ vergeben worden. Daten über die bereits geflossenen Gelder liegen nicht vor.
Betreiber der Großprojekte sind in den meisten Fällen Tochtergesellschaften des staatlichen Public Investment Fund (PIF), der Kronprinz Mohammed bin Salman Al Saud untersteht. Der im In- und Ausland investierende Staatsfonds verfügt über ein geschätztes Vermögen von über 600 Milliarden US$. Das Konzept sieht in der Regel vor, dass mittelfristig private inländische und ausländische Investoren den Hauptteil der geplanten Vorhaben realisieren.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Millionen US$) | Projektstand *) | Projektträger |
---|---|---|---|
The New Murabba/ New Downtown in Riyadh | 47.000 | DE | |
Yanbu Crude Oil To Chemicals (COTC) | 25.000 | ST | |
King Salman International Airport in Riyadh | 8.800 | DE | |
3.5 GW Gas Fired Power Plants in Al-Qassim and Taiba | 8.000 | A | |
Red Sea Tourism Project: Phase 2 | 6.600 | DE | |
Hydrogen Production Plant | 6.500 | ST | |
Nuclear Power Reactor: Package 1 / SMART Reactors | 6.450 | AP | |
The North Pole: Megatall Tower in Riyadh (the world tallest tower) | 5.000 | ST | |
Renewable Energy Program: Round 4 (Wind and Solar; 3,3 GW; 5 Projects) | 4.600 | PQ | |
Carbon Capture and Storage Infrastructure Project: Phase 1 & 2 | 1.500 | ST / PQ (Phase 1) |
Nach einem Rückgang des privaten Konsums im Coronajahr 2020 um real 8,1 Prozent erhöhten sich die Ausgaben der privaten Haushalte 2021 und 2022 um 9,4 beziehungsweise 4,8 Prozent. Die Konsumausgaben lagen 2022 um real 5,4 Prozent über dem Niveau von 2019. Damit werden die Verbraucher ihrer traditionellen Rolle als zuverlässige Konjunkturstütze wieder gerecht.
Auch für 2023 zeichnet sich erneut ein deutlicher Konsumzuwachs ab. Die meisten Prognosen erwarten allerdings eine Abschwächung des Wachstums auf 3 bis 4 Prozent. Die in Saudi-Arabien monatlich vom internationalen Marktforschungsunternehmen Ipsos erhobene Verbraucherstimmung (Primary Consumer Sentiment Index) zeigt eine hohe Konsumbereitschaft. Im Juni 2022 wurde mit 73,6 Indexpunkten ein neuer Höchststand erreicht. Seither schwankt der Index um 70 (März 2023: 71,6) Punkte.
Der gemäß Zentralbank 2022 erzielte Außenhandelsüberschuss von 239 Milliarden US$ dürfte 2023 deutlich schrumpfen. Hauptgründe sind die wieder deutlich sinkenden Öleinnahmen und die weiter steigenden Einfuhren. Der Zoll meldet für die ersten beiden Monate 2023 gegenüber der entsprechenden Vorjahrsperiode einen Rückgang der Exporte um 8 Prozent und eine Zunahme der Importe um 22 Prozent.
2021 2) | 2022 2) | Veränderung 2022/2021 | |
---|---|---|---|
Importe (fob) | 136,4 | 170,8 | 25,2 |
Exporte (fob) | 275,1 | 409,7 | 48,9 |
Öl | 202,2 | 326,3 | 61,4 |
Andere Waren | 60,6 | 70,1 | 15,7 |
Reexporte | 12,3 | 13,3 | 8,1 |
China baut seine Stellung als Saudi-Arabiens führender Handelspartner aus. Chinesischen Zollangaben zufolge erhöhten sich 2022 die Ausfuhren nach Saudi-Arabien um 26 Prozent auf 38 Milliarden US$. Die United States International Trade Commission meldet für 2022 einen Zuwachs der US-Exporte um lediglich 4 Prozent auf 11,6 Milliarden US$.
Gemäß Destatis fielen die deutschen Ausfuhren nach Saudi-Arabien 2021 weiter um 4,7 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro (6,6 Milliarden US$). Das war der niedrigste Wert seit 2009. Der Spitzenwert wurde 2015 mit 9,9 Milliarden Euro erreicht. Die deutschen Lieferungen expandierten 2022 um 20,5 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro (7 Milliarden US$).