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Belgrad macht Tempo bei Infrastrukturausbau für Expo 2027
Serbiens Hauptstadt baut für die Weltausstellung. Ein Sondergesetz soll die Bauarbeiten beschleunigen. Für deutsche Firmen bestehen Geschäftschancen, aber auch -risiken.
06.08.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Vom 15. Mai bis 15. August 2027 verwandelt sich die serbische Hauptstadt in das Zentrum der Messewelt: Belgrad empfängt als Gastgeber der Weltausstellung Expo internationale Gäste. Die Arbeiten für dieses ambitionierte Projekt laufen bereits auf Hochtouren. Im Vorort Surčin in der Nähe des Flughafens Nikola Tesla entstehen derzeit die Ausstellungshallen auf dem neuen, 270 Hektar großen Messegelände. Die Baukosten allein für die Expo-Infrastruktur belaufen sich auf rund 1,3 Milliarden Euro.
Insgesamt investiert das größte Westbalkanland im Rahmen des Entwicklungsprogramms Sprung in die Zukunft – Serbien 2027 rund 18 Milliarden Euro. Neben dem Ausstellungskomplex entstehen ein neues Nationalstadion mit einem Fassungsvermögen von 52.000 Personen, ein Hotel- und Wohnkomplex mit 1.500 Apartments für die Aussteller sowie Kultur-, Erholungs- und Freizeitstätten wie Restaurants, ein Naturkundemuseum, Themenparks und ein Wassersportzentrum. Außerdem wird eine neue, 18 Kilometer lange, elektrifizierte Zugstrecke gebaut. Sie führt vom Hauptbahnhof Prokop über Zemun und den Flughafen bis zum Messegelände. Daneben soll ein neuer Anlagekai am Ufer der Save entstehen.
Zur Finanzierung all dieser Vorhaben nimmt Serbien weitere Darlehen und Kredite auf und gibt neue Staatsanleihen heraus. Zudem hofft die Regierung auf private Investoren.
Chinesischer Baukonzern erhält Hauptauftrag
Als Generalauftragnehmer für den Bau der Messehallen auf dem Expogelände fungiert Power Construction Corporation of China (PowerChina). Das staatlich gelenkte chinesische Bauunternehmen wiederum setzt in erster Linie auf Unterauftragnehmer aus seinem Lieferantennetzwerk. Lokaler Partner ist unter anderem der Baukonzern Millennium Team. Die Projektierung führt das serbische staatliche Unternehmen Građevinska direkcija Srbije (GDS) durch.
Bau von Pavillons und Innenausbau bieten Chancen
Das Expogelände gliedert sich in insgesamt drei Bereiche: In der "Themenzone" sind drei thematische Pavillons sowie Bühnen, Konferenzräume und ein Auditorium mit einer Kapazität von 20.000 Plätzen geplant. Die "Best Practice Area" wird 23 Pavillons für Unternehmen und Bühnen umfassen. Im Bereich für die teilnehmenden Länder sollen 82 individuelle sowie Gemeinschaftsmessestände entstehen. Daneben werden Bühnen und Meeting-Räume errichtet. Gebaut werden soll mit nachhaltigen Materialien wie Holz, sowie in Modularbauweise.
Die Pavillons sollen entsprechend den individuellen Wünschen der Teilnehmenden errichtet werden. Die Aussteller sind verpflichtet, beim Bau der Pavillons mit lokal ansässigen, lizenzierten und zertifizierten Unternehmen zusammenzuarbeiten. Die Liste dieser Firmen soll im September 2025 veröffentlicht werden.
Deutsche Spezialisten für Baustoffe und Beratung haben gute Chancen, als Unterauftragnehmer an Projekten mitzuwirken. Auch bei Lösungen zu nachhaltigem Bauen, energieeffizienten Baumaterialien oder erneuerbaren Energien bestehen Geschäftschancen. Die Ausschreibungen werden auf dem Portal für öffentliche Aufträge veröffentlicht.
Jedoch sollten Firmen die gebotenen Konditionen prüfen und die Rentabilität kalkulieren. Zudem vermuten Branchenkenner, dass die Unterauftragnehmer mit hohen Vertragsstrafen dazu angehalten werden sollen, unter Hochdruck zu arbeiten, Verzögerungen zu vermeiden und ihre Gewerke pünktlich fertigzustellen. Für ausländische Mitarbeitende können für die Bauphase der Expo zeitlich befristete Arbeitsgenehmigungen erteilt werden.
Sondergesetz soll Umsetzung beschleunigen
Da der Zeitdruck enorm ist, erließ die Regierung ein "Lex Specialis“. Diese Maßnahme ermöglicht es, öffentliche Vergabeverfahren zu umgehen, einzelne Aufträge direkt zu vergeben und so den Bauprozess zu beschleunigen. Dieses Sondergesetz kann im Prinzip auf jedes Infrastrukturprojekt angewendet werden, das im Zusammenhang mit dem Bau der Expo 2027 steht. Das Bauministerium erteilt eine vorläufige Baugenehmigung. Eine technische Kommission inspiziert die Anlagen und nimmt sie ab. Bis Mitte Juli 2025 wurden bereits Aufträge über 300 Millionen Euro außerhalb des öffentlichen Vergaberechts kontraktiert.
Hintergrund Lex Specialis Am 1. November 2024 stürzte ein frisch renoviertes Vordach am Bahnhof in Novi Sad ein, 16 Menschen starben. Aus der Bevölkerung werden Vorwürfe bezüglich Nachlässigkeit und Korruption gegenüber der Regierung laut. Auch ein chinesisches Unternehmen ist in den Skandal verwickelt. Seither schaut die Zivilgesellschaft aufmerksam auf die Einhaltung baurechtlicher Vorschriften. Am Rande des Kick-off Meetings der Expo kam es zu Protesten von Gegnern dieses Großprojekts. |
Die Nichtregierungsorganisation Transparentnost Srbija kritisiert, dass das vereinfachte und beschleunigte Verfahren unlauteren Wettbewerb begünstige und Risiken für Intransparenz sowie Korruption berge. Zudem beklagt sie eine fehlende, vorgeschriebene Mindestfrist für die Einreichung von Angeboten. Normalerweise beträgt diese 15 Tage. Einspruchsmöglichkeiten gegen eine Vergabeentscheidung sind ausgeschlossen.
Messeinfrastruktur wird weitergenutzt
Nach dem Ende der Expo soll ein Großteil der Gebäude ein zweites Leben erhalten. Die Ausstellungshallen, das Nationalstadion und die Hotels eignen sich gut für eine spätere Nutzung, beispielsweise für Fachmessen oder andere Veranstaltungen. Zudem ist der Bau einer neuen Universität auf dem Gelände der Expo im Gespräch.
Die Pavillons werden gemäß der "Lex Specialis“ provisorisch errichtet. Nach Ende der Weltausstellung sollen die Bauelemente in Schulen und Kindergärten verbaut werden. Für deutsche Unternehmen könnten sich Geschäftschancen in den Bereichen nachhaltige Stadtentwicklung und Landschaftsgestaltung oder als Lieferanten von Baumaterialien ergeben.
Migranten sollen Arbeitskräftemangel decken
Neben der Zeit fehlen auch die Arbeitskräfte. Auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt im Großraum Belgrad drohen Kapazitätsengpässe. Angesichts des Fachkräftemangels setzt die serbische Regierung auf eine zeitweise Unterstützung durch Arbeitsmigranten. Im Gespräch sind bis zu 100.000 Personen aus Ghana. Auch die aktuell rund 20.000 chinesischen Arbeitskräfte, die Powerchina auf anderen Baustellen bereits im Land hat, könnten weiter aufgestockt werden.