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Westbalkan erweitert und modernisiert seine Schieneninfrastruktur
Die Westbalkanländer bauen mit Hilfe der EU ihre Transportkorridore aus. Im Fokus stehen Schienenwege. Geschäftschancen haben Anbieter von Baudienstleistungen und Baumaschinen.
16.05.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
- EU unterstützt beim Ausbau des Schienennetzes
- Serbien elektrifiziert sein Schienennetz
- Bosnien und Herzegowina modernisiert Schienen ans Meer
- Nordmazedonien baut Ost-West-Transportkorridor aus
- Albanien entwickelt Nord-Süd-Korridor
- Montenegro modernisiert sein Schienennetz
- Kosovo: Modernisierung der Schienenstrecken stockt
Der Westbalkan ist von Deutschland aus per Zug nicht erreichbar. Das Eisenbahnnetz ist seit dem Ende der Balkankriege in den 90er Jahren kaum entwickelt und unterfinanziert. Weniger als die Hälfte der Streckenabschnitte sind elektrifiziert. Die Signaltechnik ist veraltet. Ein Großteil der Gleise kann nur mit maximal 60 Kilometer pro Stunde befahren werden. Zum Umladen von Schiene auf Straße werden mehr multimodale Güterterminals benötigt.
EU unterstützt beim Ausbau des Schienennetzes
Um die Volkswirtschaften der Region enger mit der EU zu verzahnen, die Konnektivität untereinander zu erhöhen und eine Einbindung in das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) zu erreichen, wollen die sechs Länder ihre Schieneninfrastruktur erweitern und modernisieren.
Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRE) und das Western Balkan Investment Framework (WBIF) der EU finanzieren den Ausbau des Schienennetzes über Darlehen und Zuschüsse. Die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) arbeitet bei der Steigerung der Konnektivität in der Region bis 2026 mit der Organisation Transport Community mit Sitz in Belgrad zusammen.
Für deutsche Unternehmen ergeben sich bei folgenden Gewerken Geschäftschancen:
- Beton- Bewehrungs-, Entwässerungsarbeiten;
- Tunnelbauarbeiten;
- Stahlbauarbeiten bei Eisenbahnbrücken;
- Ingenieurs- und Beratungsdienstleistungen;
- Baumaschinen.
Serbien elektrifiziert sein Schienennetz
Serbien setzt als wirtschaftliches Schwergewicht der Region künftig mehr auf die Schiene. Das wichtigste Vorhaben ist die 350 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke von Belgrad nach Budapest. Mit bis zu 200 Kilometer pro Stunde sinkt die Fahrtzeit zwischen den beiden Hauptstädten von neun auf weniger als drei Stunden. Anfang 2026 soll die Strecke vollständig in Betrieb genommen werden.
Daneben erweitert Serbien sein inländisches Schienennetz von rund 3.750 Kilometern. Im Fokus steht die Modernisierung des rund 240 Kilometer langen Abschnitts von Belgrad nach Niš. Die EU finanziert das bis 2029 geplante Projekt mit 2,2 Milliarden Euro. Die Modernisierung der rund 100 Kilometer langen Strecke von Niš nach Dimitrovgrad umfasst die Elektrifizierung der Trasse und die Modernisierung der Signal-, Sicherheits- und Telekommunikationssysteme. Die Fertigstellung ist für 2027 geplant. Mit DB Engineering & Consulting ist ein deutscher Konzern an bestimmten Abschnitten der Schienenprojekte beteiligt.
Bosnien und Herzegowina modernisiert Schienen ans Meer
Das rund 1.000 Kilometer lange Schienennetz des zweitgrößten Westbalkanlands erstreckt sich über beide Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina sowie Republika Srpska. Entsprechend sind zwei Betreibergesellschaften für die Instandhaltung der Gleisinfrastruktur verantwortlich. Die Föderation Bosnien und Herzegowina verfolgt mit der Modernisierung ihrer Schienentrassen das Ziel, die regionale Anbindung zu verbessern und in den Transportkorridor TEN-T eingebunden zu werden.
Im Fokus steht der Ausbau des Eisenbahnkorridors Vc, der Budapest mit dem kroatischen Adriahafen Ploče verbindet. Die Trasse verläuft entlang der Wirtschaftszentren Zenica, Sarajevo und Mostar. Auf dem gesamten Abschnitt sind mehrere Teilprojekte geplant. Dafür gewähren unter anderem WBIF und EIB Zuschüsse.
Nordmazedonien baut Ost-West-Transportkorridor aus
Durch die nordmazedonische Hauptstadt Skopje soll der paneuropäische Korridor VIII verlaufen, der Varna am Schwarzen Meer mit Durres an der Adria verbinden soll. Der Ausbau dieser Strecke ist entscheidend für die Verbesserung der Konnektivität in Ost-West-Richtung. Zentral dafür ist die Modernisierung der 30 Kilometer langen Schienenstrecke von Kumanowo nach Beljakovce. Die EBRE und das WBIF finanzieren das Vorhaben mit 78 Millionen Euro.
Im weiteren Verlauf soll die Trasse bis Kriva Palanka ausgebaut werden. Dabei müssen 29 Brücken, sechs Überführungen, drei Unterführungen und 15 Tunnel errichtet werden. Das Projekt soll 2026 fertig gestellt werden.
Albanien entwickelt Nord-Süd-Korridor
Albanien verfügt mit rund 200 Kilometern nur über ein sehr kleines Schienennetz. Für die Elektrifizierung der 120 Kilometer langen Eisenbahnstrecke von Vlorë nach Hani i Hotit als Teil des adriatisch-ionischen Korridors stellen EBRD und WBIF Darlehen von rund 200 Millionen Euro zur Verfügung.
Für die Modernisierung und Elektrifizierung der 40 Kilometer langen Schienenstrecke von Tirana zur Adriahafenstadt Durrës stellen EBRD und WBIF rund 73 Millionen Euro als Zuschüsse und Darlehen bereit.
Montenegro modernisiert sein Schienennetz
Montenegro erweitert und modernisiert seine Schieneninfrastruktur. Das wichtigste Projekt ist die Modernisierung der Strecke von Bar nach Vrbnica. Dafür stellen EIB und EBRD rund 76 Millionen Euro bereit. Das Projekt beinhaltet auch die Sanierung des 6,5 Kilometer langen Sozina-Tunnels. EIB und EBRD unterstützen zudem die 192 Millionen Euro teure Generalsanierung des 40 Kilometer langen Abschnitts zwischen Bar und Golubovci.
Die Modernisierung der Trasse von Podgorica nach Tuzi an der albanischen Grenze kostet rund 70 Millionen Euro. Einen Teil der Finanzierung übernimmt die EBRD.
Kosovo: Modernisierung der Schienenstrecken stockt
Das rund 430 Kilometer lange Schienennetz Kosovos ist modernisierungsbedürftig und kann nur mit 60 Kilometern pro Stunde befahren werden. Wichtigstes Projekt ist der Ausbau der 150 Kilometer langen Schienenstrecke, die Kosovo mit den Nachbarländern Serbien im Norden und Nordmazedonien im Süden verbindet. Diese Trasse ist Teil des Korridors TEN-V. EIB und EBRD gewähren Zuschüsse und Darlehen über 40 Millionen Euro. Aufgrund der politischen Spannungen mit Serbien ist der Abschnitt nördlich von Mitrovica aktuell geschlossen.