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Neue Züge, neue Gleise: Serbien setzt künftig mehr auf Schiene
Mehrere Milliarden Euro an Investitionen sind für Serbiens Schienennetz eingeplant. Die EU gibt dafür den bisher größten Einzelzuschuss für ein Projekt in Serbien überhaupt.
06.03.2024
Von Martin Gaber | Belgrad
"Als die Verbindung 1884 gebaut wurde, hat die Fahrt acht Stunden gedauert und heute sind es sechseinhalb. [...] In 130 Jahren hat sich nichts verändert. Aber jetzt verändern wir Serbien, mit Hilfe der EU", sagt Serbiens Präsident Aleksandar Vučić im Zuge einer EU-Finanzierungszusage. Brüssel hat seinem Beitrittskandidaten rund 600 Millionen Euro an Zuschüssen für die Modernisierung der Bahnstrecke von Belgrad nach Niš zugesagt. Eines von Serbiens größten Schienenprojekten in den kommenden Jahren. Und der größte Zuschuss der EU für ein Einzelprojekt in Serbien überhaupt. Hinzu kommt ein Kredit über knapp 1,7 Milliarden Euro. Das Projekt ist Teil des EU Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan.
Serbien baut schon seit einigen Jahren seine Schieneninfrastruktur mit Finanzmitteln internationaler Geber aus, darunter die EU, China und auch Russland. Das bislang bekannteste Projekt ist die Schnellstrecke von Belgrad nach Budapest, die sich nach wie vor in der Umsetzung befindet. Dabei soll es aber nicht bleiben. Serbiens Regierung treibt den Schienenausbau und -umbau weiter voran. Viele Projekte gehören dabei zu Serbien 2027, dem neuen Megaplan der Regierung. So sollen insgesamt rund 2.000 Schienenkilometer erneuert oder neu gebaut werden. Derzeit umfasst das serbische Schienennetz rund 3.350 Kilometer, so Angaben des Infrastrukturministeriums.
Projekt | Volumen in Millionen Euro | Finanzierung | Weitere Informationen |
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Planung und Bau der Metro Belgrad (2 Linien, 32 km) | 4.600 | Eigenmittel, Darlehen aus Frankreich und China | JKP Beogradski Metro i Voz |
Modernisierung und Umbau der Strecke Belgrad - Niš (208 km) | 3.300 | Eigenmittel, Darlehen von EBRD, EIB, WBIF und Zuschuss der EU | Ministerium für Infrastruktur |
Bau neuer Regional-/S-Bahnlinien in Belgrad (73 km) | 1.500 | k.A. | JKP Beogradski Metro i Voz |
Modernisierung und Umbau der Strecke Valjevo - Vrbnica - montenegrinische Grenze (210 km) | 1.340 | k.A. | Ministerium für Infrastruktur |
Modernisierung und Umbau der Strecke Novi Sad - Subotica (108 km) | 1.163 | Eigenmittel, chinesische Exim-Bank | Ministerium für Infrastruktur |
Modernisierung und Umbau der Strecke Niš - Dimitrovgrad (weiter Richtung bulgarische Grenze, 108 km) | 374 | Eigenmittel, EIB, WBIF | Ministerium für Infrastruktur |
Umbau der Strecke Niš - Brestovac (23 km) | 60 | Eigenmittel, Mittel aus dem IPA-Fonds der EU | Ministerium für Infrastruktur |
Bau der Strecke Sobovica - Lužnice - Kragujevac (15 km) | 60 | Eigenmittel | Ministerium für Infrastruktur |
Modernisierung und Umbau der Strecke Pančevo - Subotica (200 km) | k.A. | k.A. | Serbien 2027 |
Weiterentwicklung des Hauptbahnhofs Belgrad-Centar | 30 | Weltbank, französische Entwicklungsagentur AFD | Ministerium für Infrastruktur |
Bau einer modernen Leitzentrale | 117 | Eigenmittel, russisches Darlehen | Ministerium für Infrastruktur |
Serbia Railway Modernization Project | 102 | Weltbank, französische Entwicklungsagentur AFD | Französische Entwicklungsagentur AFD |
Paneuropäischer Verkehrskorridor X läuft durch Serbien
"Serbien ist ein zentraler Hub für wichtige Bahnkorridore. Durch das Land verlaufen die Verkehrsachsen in Richtung Istanbul, in Richtung der Häfen Thessaloniki und Piräus sowie an die Adria. Das sind wichtige Trassen, die auch für die Deutsche Bahn interessant sind. Gerade investiert das Land in die Modernisierung und den Ausbau dieser Strecken, Belgrad zudem in den Ausbau des ÖPNV. [...]", sagt Niko Warbanoff, Vorsitzender der Geschäftsleitung der DB E.C.O. Group und CEO von DB International Operations, im Gespräch mit Germany Trade & Invest.
Durch den Balkanstaat verläuft der paneuropäische Verkehrskorridor X. Er verbindet Salzburg mit der griechischen Hafenstadt Thessaloniki. Belgrad und Niš sind Knotenpunkte auf dieser Strecke. Dort erfolgen die Abzweigungen Richtung Kroatien, Ungarn, Bulgarien und Griechenland. Das macht Serbien zu einem wichtigen Baustein im Verkehrsnetz der EU. Auch die Bahn-Tochter DB Engineering & Consulting wirkt am Ausbau des Korridors mit und ist an mehreren Projekten in dem Balkanstaat beteiligt.
Nächste Etappe führt Richtung Nordmazedonien
Um den Korridor X weiterzuführen und den Anschluss nach Griechenland zu schaffen, muss perspektivisch die Verbindung von Niš Richtung Nordmazedoniens Hauptstadt Skopje erfolgen. Die Regierungen der beiden Länder haben im November 2023 eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet. Auf der anspruchsvollen Strecke sollen Höchstgeschwindigkeiten zwischen 120 und 160 Kilometern pro Stunde möglich sein. Die derzeit einspurige Strecke existiert zwar, wird vom Personenverkehr aber nicht mehr grenzüberschreitend genutzt. Die Regierungen beider Länder streben eine Finanzierung durch die EU an. Brüssel finanziert bereits Nordmazedoniens Schienenanbindung an Bulgarien im Rahmen seiner Global Gateway Initiative.
Internationale Geber finanzieren weitere Projekte
"Der Eisenbahnsektor ist eine Schlüsselpriorität für die EBRD auf dem Westbalkan", sagt Matteo Colangeli, Regionalleiter Westbalkan bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).
Die Entwicklungsbank finanziert nicht nur neue Strecken, sondern auch den Bau eines neuen Regionaldepots in Niš sowie die Modernisierung zweier bestehender Depots in Zemun und Sombor. Vor allem das Depot in Niš wird für die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke relevant sein. Neben dem direkten Bau sollen auch Maschinen und Ausstattung für die Depots besorgt und Ausbildungsstrukturen eingeführt werden. Die EBRD hat nach eigenen Angaben bislang Projekte im Wert von rund 500 Millionen Euro in Serbien finanziert und weitere 500 Millionen Euro in Vorbereitung.
Die Weltbank ist ebenfalls an der Entwicklung des Eisenbahnsektors in Serbien beteiligt. Sie finanziert zusammen mit der französischen Entwicklungsagentur AFD das 102-Millionen-Euro-Projekt "Serbia Railway Sector Modernization". Neben Mitteln für die Infrastruktur sollen auch die zuständigen Institutionen und deren Projektmanagement gestärkt werden.
Nahverkehr in Belgrad wird ausgebaut
Neben dem Fern- und Regionalverkehr arbeitet Serbiens Hauptstadt an einem neuen Verkehrskonzept für den ÖPNV. Herzstück des neuen Konzepts soll eine Metro mit zwei Linien werden. Eine dritte ist noch in Planung. Belgrad ist eine von nur wenigen europäischen Millionenstädten ohne Metro. Dabei soll die erste Linie bereits bis 2028 fertiggestellt sein. Auch die Deutsche Bahn-Tochter DB Engineering & Consulting ist an dem Vorhaben beteiligt. Zusammen mit dem französischen Unternehmen Systra arbeitet die Bahn-Tochter an der Planung und der Bauüberwachung des Vorhabens mit.
Zusätzlich zur Metro sind vier Nahverkehrslinien in Planung. Die neuen Strecken sollen Vororte, aber auch das neue Nationalstadion in Surčin an den Hauptbahnhof Beograd-Centar anbinden.
Neue Züge kommen aus der Schweiz
Auf Serbiens neuem Schienennetz sollen künftig auch neue Züge verkehren. Für den Regionalverkehr wurde bereits im Jahr 2021 ein Vertrag mit dem Schweizer Hersteller Stadler geschlossen. Stadler betreibt auch fünf Standorte in Deutschland. Ab April 2024 liefern die Schweizer 18 Fahrzeuggarnituren, sogenannte Niederflurtriebzüge, für den Regionalverkehr. Die neuen Züge werden Schritt für Schritt in Betrieb genommen. Stadler lieferte mit seinem Modell Kiss EMU bereits Doppelstocktriebzüge für die Hochgeschwindigkeitsstrecke Belgrad - Novi Sad.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Germany Trade & Invest | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Ministerium für Bau, Verkehr und Infrastruktur | zuständiges Ministerium |
Direkcija za železnice | Eisenbahndirektion des Ministeriums |
Železnice Srbije | serbische Eisenbahngesellschaft |
Infrastruktura Železnice Srbije | Eisenbahninfrastruktur |
Srbija Voz | Eisenbahn-Personenverkehr |
Srbija Kargo | Eisenbahn-Güterverkehr |
Srbija 2027 | Entwicklungsprogramm Serbien 2027 |
JKP Beogradski metro i voz | Belgrader Metro und S-Bahn |
DB Engineering & Consulting | Unternehmen (beteiligt an Projekten in Serbien) |
Systra | Unternehmen (beteiligt an Projekten in Serbien) |
Stadler Rail | Unternehmen (liefert Züge nach Serbien) |
Alstom | Unternehmen (beteiligt an der Metro Belgrad) |
RZD International | Unternehmen (internationale Sparte der russischen Eisenbahngesellschaft; beteiligt an Projekten in Serbien) |
PowerChina | Unternehmen (beteiligt an Projekten in Serbien) |