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Equipment with conveyor for working with small plastic granules for the chemical industry Equipment with conveyor for working with small plastic granules for the chemical industry | © Sergey Ryzhov/stock.adobe.com

Special | Westbalkan | Beschaffung von Kunststoffen

Deutsche Firmen beschaffen weiter Kunststoffteile vom Westbalkan

Hersteller von Kunststoffwaren aus Bosnien und Herzegowina und Serbien behaupten sich in Lieferketten deutscher Firmen. Serbien steigert Export. Produzenten heben Recyclinganteil.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad

Bosnien und Herzegowina sowie Serbien sind traditionelle Standorte zur Produktion von Kunststoffteilen. Branchenbetriebe stellen Spritzgusskomponenten her, zum Beispiel für Interieurteile in Kfz, Plastikgehäuse und -teile, blasgeformte Verpackungen, Rohre und Formteile für den Bau, sowie Folien und Verpackungsmaterialien. Deutsche Einkäufer schätzen an beiden Beschaffungsmärkten neben der hohen Qualität auch die wettbewerbsfähigen Arbeitskosten sowie die geografische Nähe zu den Märkten der EU. Zudem bieten Freihandelszonen Steuervorteile für die importintensive Produktion. Zahlreiche exportorientierte Kunststoffhersteller beliefern bereits Kunden in der EU, darunter in Deutschland.

Westbalkan produziert breite Palette von Kunststoffwaren

Hersteller von Kunststoffprodukten nutzen in erster Linie Spritzgussverfahren. Das Sortiment erstreckt sich von kleinen Steckverbindern bis hin zu großen Gehäusen. Mittels Extrusion und Blasformen werden PET-Flaschen, Behälter oder Rohre produziert. Zur Fertigung von Verpackungen für Lebensmittel- und Industriewaren kommen Thermoformen und Folienblasmaschinen zum Einsatz. Hochpräzises Mikroformen sowie Kapazitäten für große Stückzahlen sind hingegen selten anzutreffen. Die meisten Hersteller bieten ihren Kunden mittlere Stückzahlen pro Monat.

Die eingesetzten Spritzgussmaschinen, Blas- und Umformer oder Extruder kommen in der Regel in gebrauchtem, aber hochwertigem Zustand aus der EU, meist aus Deutschland oder Italien. Auch der Großteil der verarbeiteten Polymerharze stammt aus der EU. Mit Inmold in Požega und DMS Plast in Belgrad sind regional führende Spritzformen- und Werkzeugbauer auf dem Markt tätig.

Schwerpunktregionen bündeln Kompetenzen

In Bosnien und Herzegowina ist Sarajevo das Zentrum der Kunststofffertigung. Vor allem Hersteller von Verpackungen, technischen Kunststoffen und Rohrverbindungen sind dort angesiedelt. Zahlreiche kleinere Firmen produzieren in den Regionen um Banja Luka, Tešanj und in der Herzegowina.

In Serbien sind um die Hauptstadt Belgrad, in der Wojwodina, sowie den Industriestädten Pirot und Šabac Spritzgussfertiger, Verpackungshersteller, kleinere Werkzeugbauer sowie Zulieferer von Kunststoffwerkzeugen angesiedelt. In Aranđelovac ist mit der Firma Peštan der serbische Marktführer von Polyethylen- und Polypropylen-Rohren und Sanitärprodukten beheimatet.

Lieferanten entwickeln ihre Kapazitäten weiter

Der klassische Betrieb zur Herstellung von Kunststoffprodukten in Bosnien und Herzegowina sowie Serbien ist familiengeführt mit bis zu 100 Mitarbeitern. Diese Firmen konzentrieren sich auf Verpackungen und Folien in kleinen und mittleren Serien, Sonderanfertigungen und Prototyping. Sie zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität und niedrige Mindestbestellmengen aus. Basisprozesse zur Qualitätssicherung sind vorhanden.

Mittelgroße Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern verfügen in der Regel über eine bessere Prozesskontrolle und Qualitätssicherung. Sie sind meist exportorientiert, vor allem in Richtung EU. Der vorhandene Maschinenpark dieser Betriebe eignet sich für die Produktion größerer Serien.

Großbetriebe wie Peštan, oder die lokalen Tochtergesellschaften internationaler Hersteller wie Resilux, oder Novares sind vertikal integriert und verfügen über eigene Prüflabore. Diese Firmen können größere Aufträge abwickeln, verfügen über alle notwendigen Zertifizierungen und beschaffen auch die Rohstoffe selbst.

Gemeinsam haben alle Betriebe, dass sie gerne für Abnehmer aus Deutschland arbeiten. Entsprechend hoch ist die Bereitschaft, ihr Portfolio an die Anforderungen des Kunden anzupassen, sich gemeinsam mit ihm zu entwickeln und von ihm zu lernen.

Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit erhalten höhere Priorität

Der gängige Qualitätsstandard bei Kunststoffherstellern, die in die EU exportieren, ist ISO 9001. Lieferanten von Kunststoff-Interieurteilen, Steckverbindungen oder sicherheitsrelevanten Teilen für die Kfz-Industrie verfügen zusätzlich über eine IATF 16949-Zertifizierung. Lokale Produzenten von Lebensmittelverpackungen müssen zusätzlich BRC/IFS sowie nationale Vorschriften zum Lebensmittelkontakt beachten. Exporteure von Kunststoffen in die EU müssen außerdem Erklärungen über besonders besorgniserregende Stoffe gemäß der EU-Chemikalienverordnung REACH vorlegen.

Für Abnehmer aus EU-Staaten werden Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft immer wichtigere Beschaffungskriterien. Daher bieten serbische und bosnisch-herzegowinische Unternehmen zum Teil schon Polymere mit Recyclinganteil an. Zertifizierungen und die Dokumentation der Produktkette sind größtenteils noch im Aufbau begriffen.

PEM-Regeln erleichtern Einfuhr von Kunststoffteilen

Die zum 1. Januar 2025 überarbeiteten Ursprungsregeln des Pan-Europa-Mittelmeer-Übereinkommens (PEM) vereinfachen die grenzüberschreitende Verarbeitung von Kunststoffen. Ausgangsstoffe aus der EU, die im Westbalkan zu Kunststoffteilen gefertigt werden, können mit einer Präferenzzollbehandlung und reduziertem Einfuhrzollsatz zurück in die EU geliefert werden, sofern die entsprechenden PEM-Schwellenwerte eingehalten werden. Lieferanten müssen dazu ein Ursprungzertifikat beilegen.

Wenn Verpackungen oder Polymerrohstoffe außerhalb des PEM-Gebiets bezogen werden, können die Ursprungsbestimmungen möglicherweise nicht eingehalten werden. Bei komplexen Stücklisten sollte ein Zollberater hinzugezogen werden.

Westbalkan punktet mit kurzen Wegen und schnellen Lieferzeiten

Die durchschnittliche Lieferzeit für Prototypen und Erstprodukte aus Kunststoff von Serbien sowie Bosnien und Herzegowina nach Deutschland beträgt zwischen sechs und zwölf Wochen. Kleinserien können in bis zu sechs Wochen ausgeliefert werden. Bei Großaufträgen hängt die Lieferzeit vom individuellen Volumen ab.

Der Transport erfolgt in der Regel auf der Straße über Ungarn oder Kroatien und Slowenien und dauert - abhängig vom Volumen und einer Teil- oder Komplettbeladung des Lkw - von zwei bis zu fünf Tagen.

Checkliste: 10 Praxistipps für die Beschaffung

  1. Vorauswahl qualifizierter Lieferanten
  2. Angebot und Ursprungsblatt einholen
  3. Zertifikate und Materialspezifikation prüfen
  4. Berichte über Migrationsprüfung bei Lebensmittelkontakt
  5. REACH-Konformität und SVHC-Erklärung prüfen
  6. Due-Diligence Prüfung
  7. Indexierung von Rohstoffpreisen (Harz, Polymere)
  8. Abnahme und Wareneingangsprüfung (PPAP, ppm-Ziele)
  9. Vertrag inklusive Strafen und Klauseln unterzeichnen
  10. Audit und Freigabe

Kontaktadressen
BezeichnungAnmerkung
Germany Trade & InvestAußenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

Deutsch-Serbische Wirtschaftskammer (AHK)

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Serbien

Delegation der Deutschen Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina (AHK)Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Bosnien und Herzegowina
Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME)Einschlägiger deutscher Fachverband für die Beschaffung
Serbische WirtschaftskammerRegionale Wirtschaftskammer mit Brancheninformationen
Außenhandelskammer Bosnien und HerzegowinasRegionale Wirtschaftskammer mit Brancheninformationen
Beogradski SajamMessestandort Belgrad
Sarajevo Industry FairIndustriemesse Sarajevo
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

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