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Wirtschaftsumfeld | Serbien | Wirtschaftspolitik

Energiepolitik steht im Fokus der neuen serbischen Regierung

Ein halbes Jahr nach den Wahlen steht Serbiens neue Regierung fest. Während die Wirtschaft auf eine stabile Politik hofft, könnte die Amtszeit des Kabinetts kurz ausfallen.

Von Martin Gaber | Belgrad

Mit Ana Brnabić bleibt ein bekanntes Gesicht Premierministerin und damit an der Spitze der serbischen Regierung. In einem 75-seitigen Programm stellt sie die Prioritäten der serbischen Regierung vor. Dabei soll auch der Kurs der Energiepolitik geändert werden.

Prioritäten der neuen serbischen Regierung
  • Neue Energiepolitik
  • Ausbildung und Wissenschaft
  • Moderne Gesundheitsversorgung
  • Fortsetzen der Digitalisierung und Entwicklung von Robotik und künstlicher Intelligenz
  • Klimawandel und Umweltschutz

Das dritte Kabinett Brnabić kann auf 28 Minister zählen, die das neue Regierungsprogramm umsetzen sollen. Zu den bekanntesten Namen gehören Außenminister Ivica Dačić und Finanzminister Siniša Mali. Dačić gilt als erfahrener Politiker, der bereits Ministerpräsident und Außenminister war. Mali wurde als Finanzminister im Amt bestätigt. In der Liste bekannter Namen fehlt Energieministerin Zorana Mihajlović. Sie wurde durch Dubravka Đedović ersetzt. Đedović soll für einen Wandel in Serbiens Energiepolitik sorgen. Diese beruhte bislang auf Kohleenergie sowie Öl und Gas aus Russland.

Sechs Monate warten auf die Regierung

Bereits Anfang April war die serbische Bevölkerung an die Wahlurne getreten. Präsident Aleksandar Vučić wurde im Amt bestätigt. Seine Partei, die serbische Fortschrittspartei SNS (Srpska napredna stranka), wurde die stärkste Kraft im Parlament. Doch die Regierungsbildung hat sich bis in den Herbst 2022 hingezogen. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in einem Dorf in Südserbien konnte das Parlament erst im August konstituiert werden.

Danach muss die Regierung innerhalb von 90 Tagen stehen. Dieser Zeitraum wurde fast vollständig ausgeschöpft und die Regierung erst Ende Oktober 2022 präsentiert. Kritiker werfen der Regierung vor, man habe so Zeit gewinnen wollen, um auf internationalem Parkett Entscheidungen rauszögern zu können. Serbien weigert sich beispielsweise, die Sanktionen der EU gegen Russland mitzutragen.

Keine klare geopolitische Ausrichtung erkennbar

Medien hatten der neuen Regierung eine pro-russische Ausrichtung zugeschrieben. Dem widerspricht Premierministerin Brnabić. Die Regierung sei "pro-serbisch" und weder Richtung Osten noch Westen ausgerichtet. Fraglich bleibt, ob das serbische Pendel nun doch in eine Richtung ausschlägt und sich damit für die EU oder Russland entscheidet. Serbien pendelt zwischen den beiden Fronten hin und her und möchte sowohl die guten Beziehungen zu Moskau erhalten, als auch die EU-Annäherung vorantreiben. Brüssel fordert allerdings eine klare Haltung der serbischen Regierung.

Energiesektor benötigt 12 Milliarden Euro

Unabhängig von der derzeitigen Energiekrise muss Serbien in den Energiesektor investieren. Die hauptsächlich auf Kohle basierende Versorgung gilt als veraltet. Laut Regierungsprogramm sei Serbien mehr denn je mit den Konsequenzen ausbleibender Investitionen konfrontiert. Die Diversifizierung der Energiequellen soll nun mit Nachdruck vorangetrieben werden. Dafür müssen rund 12 Milliarden Euro investiert werden, so das Dokument.

Das Programm beinhaltet, dass gerade die erneuerbaren Energien deutlich ausgebaut werden. Zudem soll die Abhängigkeit von russischem Gas sinken. Dazu wird ein Interkonnektor nach Bulgarien gebaut, ein weiterer nach Nordmazedonien ist geplant. Damit wird perspektivisch die Beschaffung von Gas aus Griechenland und der Türkei möglich.

Bei der Beschaffung von Erdöl setzt das Land weiter auf Russland. Bislang bezog Serbien signifikante Anteile von Erdöl über die Adria-Pipeline JANAF aus Kroatien. Aufgrund von EU-Sanktionen konnte diese seit November 2022 nicht mehr genutzt werden. Um die EU-Sanktionen zu umgehen, planen Ungarn und Serbien eine neue Pipeline für russisches Öl.

Verkehrsinfrastruktur wird weiter ausgebaut

Auch die Verkehrsinfrastruktur steht weiter im Fokus. Auf der Straße werden die Autobahnprojekte Preljina - Požega, der Fruškogorski-Korridor und der Moravia-Korridor fortgesetzt. Zudem werden Schienenprojekte für rund 1,5 Milliarden Euro fertiggestellt, darunter auch die Verbindung Budapest-Belgrad. Ferner stehen neue Projekte für das marode Schienennetz in Höhe von rund 4,8 Milliarden Euro an. Nicht eingeschlossen ist das Giga-Projekt Belgrader Metro. Allein für die erste Linie sind rund 2,5 Milliarden Euro angedacht.

Ausbau der Verkehrsinfrastruktur

Autobahnprojekte

Schienenprojekte

  • Preljina - Požega
  • Fruškogorski-Korridor
  • Moravia-Korridor
  • Fertigstellung laufender Projekte für rund 1,5 Milliarden Euro
  • Neue Projekte für rund 4,8 Milliarden Euro geplant
  • Projekt Belgrader Metro: erste Linie für 2,5 Milliarden Euro

Stabilität für die Wirtschaft?

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hat bereits für 2024 Neuwahlen angedeutet. Das scheint unter dem amtierenden Präsidenten ein Muster zu werden. Bereits im Jahr 2020 hatte er vorgezogene Parlamentswahlen initiiert. Nun soll es nach zwei Jahren erneut zu Wahlen kommen. Die Wirtschaft in Serbien und damit auch die zahlreichen deutschen Investoren hoffen auf Stabilität. Neuwahlen im Zwei-Jahres-Rhythmus stehen dem allerdings entgegen.

„Die neue Regierung der Republik Serbien wird von der Premierministerin angeführt, die wir schon kennen. Das ist ein gutes Zeichen für die Stabilität der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hier im Land. Aber man fragt sich, ob wichtige Vorhaben der Regierung wie zum Beispiel die angekündigte Novellierung des Berufsbildungsgesetzes in einer so kurzen Zeit vollendet werden können," sagt Alexander Markus, Geschäftsführer, der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer (AHK Serbien).

Die anderen Konstanten sind Präsident Aleksandar Vučić und seine Fortschrittspartei. Allerdings gelten sowohl Präsident als auch seine Partei als autoritär. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Freedom House hat Serbien in ihrem "Nations in Transit-Bericht 2020" zu einem hybriden Regime herabgestuft. Auch der "Bertelsmann Transformation Index 2022" unterstreicht, dass Serbiens politisches System auf fast allen Ebenen von nur einer Partei dominiert wird.

"Die neue serbische Regierung ist nach wie vor stark von der serbischen Fortschrittspartei geprägt. In einem durch die nicht verfassungsgemäße Machtfülle des Präsidenten geprägten politischen Umfeld ist es ohnehin nicht zu erwarten, dass Minister in ihren Ressorts Initiativen anstoßen, die den Interessen des Präsidenten und Parteivorsitzenden zuwiderlaufen, " sagt Markus Kaiser, Leiter des Auslandsbüros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Belgrad.

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