Rechtsbericht | Spanien | Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Das Arbeitsgesetz und die Tarifverträge bilden die wichtigsten Grundlagen des Arbeitsrechts. Befristete Arbeitsverträge können nur noch in wenigen Fällen abgeschlossen werden.
18.09.2023
Von Birte Gerster (AHK Spanien) | Madrid
Vergütung: gesetzlich vorgesehen ist eine Auszahlung des Jahresbruttogehalts in 14 Gehältern, zwölf Monatsgehältern und zwei Extragehältern im Sommer und zu Weihnachten |
Mindestlohn: der gesetzliche Mindestlohn beträgt 2023 pro Monat 1.080 Euro bei 14 Zahlungen; das Mindestjahresbrutto in Vollzeit beträgt also 15.120 Euro |
Arbeitsstunden pro Woche: 40 als Regelarbeitszeit nach Arbeiterstatut; die meisten Tarifverträge sehen im Jahresdurchschnitt eine geringere Stundenzahl vor |
Regelarbeitstage pro Woche: Montag bis Freitag |
Zulässige Überstunden: 80 pro Jahr, die vergütet werden dürfen, weitere müssen mit Freizeit ausgeglichen werden |
Bezahlte gesetzliche Feiertage: 14 Tage |
Bezahlte Urlaubstage: in der Regel 30 Kalendertage = 23 Werktage |
Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Artikel 37 ET (Arbeitnehmerstatut), durch Tarifverträge im Detail geregelt |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: der Arbeitgeber ist gesetzlich für die Lohnfortzahlung vom 4. bis 15. Krankheitstag verpflichtet, ab dem 16. zahlt die Sozialversicherung |
Probezeit: Artikel 14 ET: je nach Position maximal sechs Monate |
Fernarbeit: wenn mehr als 30 Prozent der Tätigkeit vom Homeoffice aus erfolgt, ist eine schriftliche Vereinbarung hierüber zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit gesetzlich vorgeschriebenem Mindestinhalt erforderlich |
Rechtsgrundlagen
Das spanische Arbeitsgesetz (Estatuto de los Trabajadores, ET) bildet die wichtigste gesetzliche Grundlage des spanischen Arbeitsrechts. Weitere wichtige Rechtsquellen sind die Tarifverträge. In den Artikeln 82 bis 92 des ET ist das Tarifvertragsrecht geregelt. Diese Kollektivverträge (Convenios Colectivos) haben grundsätzlich normativen Charakter und ergänzen die arbeitsrechtlichen Vorschriften. Sie gelten für alle Arbeitsverhältnisse, die persönlich, sachlich und örtlich in ihren Anwendungsbereich fallen. Viele Unternehmen schließen mit Arbeitnehmervertretern hauseigene Tarifverträge ab. Es gibt fast 5.000 Tarifverträge in Spanien.
Die Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern in Gewerkschaften ist verfassungsrechtlich garantiert. Es gibt rund 30 Gewerkschaften. Um bestimmte Rechte wie Tarifvertragsverhandlungen wahrnehmen zu können, müssen die Gewerkschaften auf staatlicher Ebene oder auf Ebene der Gebietskörperschaften aufgrund ihrer Größe eine bestimmte Relevanz haben.
Vertragsabschluss
Es ist üblich, die von der Arbeitsbehörde online zur Verfügung gestellten Modellverträge zu verwenden. Zusätzliche ausführliche Individualabsprachen sind unüblich. Das mag auch darauf zurückzuführen sein, dass die regelmäßig zur Anwendung kommenden Tarifverträge umfassende und detaillierte Regelungen des Beschäftigungsverhältnisses beinhalten. Nach Abschluss muss der Vertrag bei der Arbeitsbehörde registriert werden.
Mit der aktuellen Reform des spanischen Arbeitsrechts sind befristete Arbeitsverträge nun nur noch in sehr wenigen Fällen möglich.
Die Möglichkeit der befristeten Werk- und Dienstverträge (contratos por obra y servicio) ist gänzlich entfallen.
Befristete Arbeitsverträge können in Zukunft nur noch aufgrund von Produktionsumständen (contratos temporales de circunstancias de la producción) oder im Fall der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers (sustitución de un empleado) abgeschlossen werden.
Befristete Arbeitsverträge aufgrund von nicht vorhersehbaren Produktionsumständen (contratos temporales de circunstancias de la producción) können jedoch nur noch für sechs Monate abgeschlossen werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag aufgrund von Produktionsumständen für lediglich 90 Tage abzuschließen, wenn es sich dabei um einen absehbar vorübergehend erhöhten Arbeitsbedarf handelt. Dies betrifft insbesondere Saisongeschäfte wie die Weihnachtszeit und Erntezeiten.
Vertragsbeendigung
Das spanische Recht kennt Massenentlassungen (ERE) und Individualkündigungen (despido). Individualkündigungen sind anders als im deutschen Kündigungsrecht geregelt. Laut Art. 53 ET ist im Falle einer begründeten Kündigung diese dem Arbeitnehmer und dem Arbeitnehmervertreter schriftlich 15 Tage im Voraus bekannt zu geben. Wird die Frist nicht eingehalten, sind dem Arbeitnehmer zusätzlich 15 Tagesverdienste beziehungsweise die Anzahl der nicht eingehaltenen Tagesverdienste zu zahlen. In der Kündigung sind die Gründe ausführlich darzustellen. Zusätzlich mit der Kündigung muss eine Entschädigung von 20 Tagesgehältern pro gearbeitetem Jahr gezahlt werden (mit einer Deckelung bis zu zwölf Monatsgehältern), sonst ist die Kündigung unwirksam. Bei einer fristlosen Disziplinarkündigung ist keine Entschädigung zu zahlen.
Klagt der Arbeitnehmer gegen die Kündigung und stellt sich heraus, dass keine Kündigungsgründe vorliegen, so kann der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung vermeiden, indem er im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens vor einer arbeitsrechtlichen Schlichtungsstelle (SMAC) eine höhere Abfindung zahlt.
Arbeitgeber können insbesondere individuell kündigen bei:
- wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktionsbedingten Gründen,
- in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (eng begrenzt),
- einer bestimmten Anzahl krankheitsbedingter Fehlzeiten (mit Einschränkungen).
Bei einer unrechtmäßigen Kündigung eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses erhält der Arbeitnehmer eine Abfindungszahlung von 33 Tagesgehältern je Jahr der Betriebszugehörigkeit. Dabei ist die Höchstabfindungszahlung auf 24 Monatslöhne beschränkt.
Aufhebungsverträge sind in Spanien nicht üblich, da der Arbeitnehmer dadurch seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld insgesamt verlieren würde.
Bei einer Massenentlassung sind die rechtfertigenden Gründe dieselben wie bei der Individualkündigung, wobei in Krisenzeiten der Hauptgrund bei Massenentlassungen der wirtschaftliche ist. Weiter ist ein Verständigungsverfahren mit Arbeitnehmervertretern obligatorisch; allerdings hindert ein Scheitern das Unternehmen nicht, das Entlassungsverfahren voranzutreiben. Arbeitgeber müssen über das Vorliegen der Kündigungsgründe umfangreiche Dokumentationen vorlegen. Zudem müssen sie nachweisen, dass die Maßnahmen geeignet sind. Etliche Vorschriften sind zu beachten, um die Nichtigkeit des Verfahrens zu vermeiden. Schon kleinere Formfehler bei der Durchführung des Entlassungsverfahrens können dieses nichtig machen. Stellt ein Gericht die Nichtigkeit erst nachträglich fest, muss das Unternehmen die Arbeitnehmer rückwirkend weiter beschäftigen. Das führt häufig zu einer hohen wirtschaftlichen Belastung.
Die Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer beträgt in der Regel ebenfalls nur 15 Tage. Einige Tarifverträge sehen für Mitarbeiter ranghöherer Berufsgruppen zuweilen längere Kündigungsfristen vor.
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