Interview | Tschechische Republik | Energieeffizienz
"Wir sind jetzt komplett unabhängig von Erdgas"
Der Technologiekonzern ZF betreibt in Tschechien seine erste Fabrik nur mit klimaneutraler Energie. Standortleiter Tomáš Michal berichtet von den Erfahrungen mit dem Projekt.
14.05.2025
Von Gerit Schulze | Prag

Im nordböhmischen Klášterec nad Ohří produziert ZF Leistungselektronik-Komponenten für Elektromotoren. In dem Werk bei Chomutov arbeiten über 600 Beschäftigte. Anfang 2024 gab das Unternehmen bekannt, dass der Standort zur ersten Fabrik umgebaut wurde, die komplett mit klimaneutraler Energie betrieben wird. Im Interview mit Germany Trade & Invest berichtet Standortleiter Tomáš Michal von den Erfahrungen nach einem Jahr Projektlaufzeit.
Herr Michal, warum fiel die Wahl des Pilotprojekts ausgerechnet auf den ZF-Standort Klášterec?
Die Entscheidung fiel in einem internen Workshop, an dem sich mehrere ZF-Werke beteiligten. Wir diskutierten, wo es das größte Einsparpotenzial gibt, wo es hohen Energiebedarf und Vorwissen gibt, ein solches Projekt umzusetzen. Mein Team hat sich dann 2021 mit seinen Ideen durchgesetzt. Danach haben wir mit der Machbarkeitsstudie und Kostenplanung begonnen.
Welche Technologie zur Emissionssenkung setzt ZF in Klášterec ein?
- 3.400 Fotovoltaikmodule auf Hallendächern und Freiflächen (1,4 Megawatt Peakleistung, 1.400 Gigawattstunden Ertrag pro Jahr)
- Zwei Wärmepumpen mit jeweils 506 Kilowatt Leistung (ersetzen drei Gasheizkessel)
- Free Cooling System mit 400 Kilowatt Leistung
- zusätzlich benötigte Elektrizität wird als zertifizierter Ökostrom extern eingekauft
Die Planung fand also zu einer Zeit statt, als die Energiepreise noch nicht so stark gestiegen waren?
Genau. Als wir die praktische Umsetzung planten und überprüften, ob das Projekt die gewünschten Ergebnisse liefert, begann der Krieg in der Ukraine. Plötzlich hatten wir eine Gaskrise, die das ganze Konzept auf den Kopf stellte. Bis dahin wollten wir eine Trigenerationsanlage einsetzen, also die kombinierte Erzeugung von Strom, nutzbarer Wärme und Kühlung aus einem Brennstoff. Aber nach dem Kriegsbeginn bestand die Gefahr, dass Erdgas für die Anlage nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Deshalb haben wir stattdessen auf Fotovoltaik in Kombination mit Wärmepumpen gesetzt. Dafür mussten wir eine neue Machbarkeitsstudie erstellen. Ende 2022 haben wir mit der Installation begonnen, im 1. Quartal 2024 gingen die Anlagen in Betrieb.
Das ging also verhältnismäßig schnell?
Ja, aber es hätte noch schneller gehen können. Die Technik war nicht das große Thema, herausfordernd waren die Genehmigungen durch die Behörden und Verhandlungen mit dem Stromnetzbetreiber zum Anschluss der Anlage.
Welche Investitionen waren nötig?
- 4,9 Millionen Euro Investment, davon rund 400.000 Euro Förderung aus EU-Fonds (Nationaler Wiederaufbauplan und Modernisierungsfonds)
- jährliche Einsparung an Energiekosten von rund 500.000 Euro
- Return on Investment: nach etwa 8,3 Jahren (unter Berücksichtigung der Fördermittel)
Der Einsatz von Biomethan als Ersatz für Erdgas war keine Alternative?
Nein, das war damals nicht möglich. Dafür hätten wir in der Region einen Lieferanten mit der entsprechenden Kapazität benötigt. Und den gab es nicht im Umkreis von 50 Kilometern. Bei größeren Entfernungen wäre der CO2-Ausstoß für den Transport zu hoch. Deswegen haben wir uns für Solarmodule, Wärmepumpen und die energetische Sanierung der Gebäude entschieden.
"Unser wichtigstes Ziel war die Senkung der CO2-Emissionen"
Welche Erfahrungen haben Sie nach einem Jahr gesammelt? Haben sich die Vorhersagen erfüllt?
Wir wollten den Energieverbrauch je 1 Million Euro Umsatz um 25 Prozent senken, und das haben wir erreicht. Außerdem sind wir jetzt komplett unabhängig von Erdgas. Vorher brauchten wir den Brennstoff vor allem für die Heizung der Gebäude. Das übernehmen jetzt die Rekuperationsanlage und die Wärmepumpen. Die Solarpanele produzieren rund 20 Prozent unseres Strombedarfs. Natürlich sind wir hier nicht in Spanien, sondern zu Füßen des Erzgebirges. Deswegen funktioniert die Fotovoltaik nur zu bestimmten Zeiten richtig gut, vor allem von März bis August. Aber unser wichtigstes Ziel war die Senkung der CO2-Emissionen. Und da haben wir innerhalb eines Jahres einen Rückgang um 6.400 Tonnen erreicht. Wir hatten auch überlegt, die Solarmodule zu beheizen, damit wir im Winter mehr Energie erzeugen können. Doch es hat sich gezeigt, dass die schwarze Oberfläche und ein wenig Sonne dafür sorgen, dass der Schnee schmilzt. Auch eine Reinigung der Panele ist, anders als angenommen, nicht nötig.
Was war die größte technische Herausforderung?
Wir produzieren elektronische Komponenten und brauchen dafür eine stabile Temperatur in der Halle. Früher nutzten wir sogenannte Chiller, die Wasser mit Strom und einem Kältemittel kühlen. Diese Chiller haben wir jetzt durch ein Free Cooling System ersetzt, bei dem Wasser nicht mit Strom, sondern mit Luft gekühlt wird (dabei wird der Temperaturunterschied zwischen der Innen- und der Außenumgebung genutzt, Anmerkung der Redaktion). Das war für uns eine vollkommen neue Technologie. Nach einem Jahr hat sich bestätigt, dass dieses System genauso effizient funktioniert wie die standardmäßigen Chiller. Und gleichzeitig weniger Strom verbraucht.
Speisen Sie auch überschüssigen Strom aus den Fotovoltaikanlagen ins öffentliche Netz ein?
Zu 99 Prozent verbrauchen wir den Strom für unsere eigenen Zwecke, auch zu Spitzenzeiten im Sommer. Nur eine kleine Menge verkaufen wir. Damit haben wir in den letzten zwölf Monaten höchstens 400 Euro verdient. Wir würden gern mehr Strom speichern, weil die Stromlieferungen von ČEZ (größter tschechischer Stromkonzern, Anmerkung der Redaktion) hier in der Region ziemlich instabil sind. Wir haben etwa zweimal pro Monat Stromausfälle, die unsere Technologie komplett ausschalten. Mit einem Stromspeicher könnten wir diese Unterbrechungen von Millisekunden einfach ausgleichen. Die Investition würde allerdings rund 1 Million Euro kosten. Perspektivisch wäre das aber interessant, um unser Energiesparsystem zu erweitern.
Seitdem Sie das Projekt initiiert haben, hat das Thema Wasserstoff an Bedeutung gewonnen. Würden Sie heute auch andere Technologien nutzen?
Das Thema Energiespeicherung und Netzstabilisierung liegt bei uns auf dem Tisch. Außerdem sind neue Investitionen in die Infrastruktur der Gebäude geplant. Dieses Jahr wollen wir die Kompressoren erneuern und so die gleiche Menge Luftdruck mit weniger Strom produzieren. Stickstoff wollen wir künftig selbst bei uns auf dem Gelände produzieren. Bislang kaufen wir diesen extern ein, und die Transporte verursachen hohe CO2-Emissionen. Ein weiteres Projekt in Klášterec ist die Nutzung von Regenwasser. Und schließlich planen wir den Aufbau eines Energiemonitorings. Wir wollen genau wissen, welche Technologie zu welchen Zeiten wieviel Energie verbraucht. Damit können wir zum Beispiel erkennen, welche Motoren wir austauschen sollten und welche Anlagen auf Stand-by laufen könnten.