Branchen | Türkei | Kfz-Industrie
Türkischer Automobilmarkt rüstet sich für Elektromobilität
Das Inlandsgeschäft und die Exporte wachsen moderat. Investiert wird trotzdem, vor allem im Elektrosegment.
19.09.2025
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Die Kfz-Branche in der Türkei blickt 2025 auf eine weitgehend konstante Nachfrage. Trotz hoher Finanzierungskosten und seit Juli geltender steuerlicher Änderungen erwarten Branchenvertreter einen tragfähigen Inlandsmarkt. Leichte Nutzfahrzeuge (Nfz) und Kfz mit elektrifizierten Antrieben dürften ihre Marktanteile weiter ausbauen. Auf den Exportmärkten bleiben die Aussichten überwiegend positiv. Die laufenden Investitionen in neue Kapazitäten und Technologien untermauern die Erwartung, dass die türkische Kfz-Industrie ihre Rolle als bedeutender Produktions- und Exportstandort in der Region langfristig festigen wird.
Der Inlandsabsatz von Kraftfahrzeugen in der Türkei zeigt in den ersten sieben Monaten 2025 ein robustes Niveau. Die Nachfrage nach Pkw hat nach dem schwachen Vorjahr wieder angezogen. Die restriktive Geldpolitik verteuert Kredite und erschwert den Zugang zu Finanzierungen. Das bremst private Pkw-Käufe ebenso wie Investitionen von Unternehmen in neue Fahrzeugflotten. Die Nachfrage verlagert sich daher auf Segmente mit niedrigeren Gesamtbetriebskosten und guter Lieferverfügbarkeit.
Typ | Gesamtjahr 2024 | Veränderung 2024/2023 | Januar - Juli 2025 | Veränderung 2025/2024 *) |
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Pkw | 980.341 | 1,3 | 572.198 | 6,7 |
Nutzfahrzeuge insgesamt | 305.291 | 1,3 | 167.705 | 3,5 |
Leichte Nfz | 258.168 | -2,7 | 143.497 | 5,8 |
Lastwagen | 42.406 | -9,2 | 21.660 | -8,4 |
Midibusse | 2.913 | 5,3 | 1.488 | -3,8 |
Busse | 1.804 | -7,5 | 1.060 | -8,4 |
Insgesamt | 1.285.632 | -7,5 | 739.903 | 5,9 |
Leichte Nutzfahrzeuge gewinnen im Inland
Bis Juli 2025 legte der Markt für Nutzfahrzeuge insgesamt verhalten zu, getragen vor allem von leichten Modellen. Viele kleine und mittlere Unternehmen entscheiden sich aktuell für den Kauf von leichten gegenüber schweren Fahrzeugen – nicht zuletzt wegen der geringeren Anschaffungssumme. E-Commerce, urbaner Lieferverkehr und flexible Zustelldienste steigern den Bedarf an Transportern und Pick-ups. Auch ihre planbaren Betriebskosten, eine breite Modellpalette und die hohe Verfügbarkeit durch lokale Produktion und Importe stützen den Absatz. Schwere Lastwagen und Busse bleiben dagegen deutlich hinter dem Vorjahr zurück: Hohe Finanzierungskosten, vorsichtige Investitionsentscheidungen und verzögerte öffentliche Ausschreibungen bremsen die Erneuerung großer Flotten.
SUV und E-Antriebe treiben den Pkw-Markt
Während sich bei Nutzfahrzeugen klare Verschiebungen hin zu leichteren Modellen zeigen, bleibt der Pkw-Markt von Segmenttrends geprägt. Besonders SUV behaupten ihre Spitzenposition: In den ersten sieben Monaten 2025 stellten sie rund 63 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen (357.984 Einheiten) und erfreuten sich weiterhin großer Beliebtheit bei den Käufern. Parallel beschleunigt sich der Absatz elektrifizierter Antriebe: Hybridfahrzeuge legten um 92 Prozent auf 153.363 Einheiten zu, vollelektrische Pkw um 128 Prozent auf 103.310 Einheiten. Hersteller und Branchenverbände erwarten, dass 2030 rund 60 Prozent der Neuzulassungen auf Elektrofahrzeuge entfallen werden.
Neue ÖTV-Sätze verändern Preisgefüge
Seit Juli 2025 gelten neue Bemessungsgrundlagen und Sätze für die Sonderverbrauchsteuer (ÖTV) in der Automobilbranche. Die Reform führt zu Preissteigerungen, insbesondere bei importierten Fahrzeugen mit hoher Motorleistung sowie bei vielen Elektroautos. Gleichzeitig profitierten einzelne inländisch produzierte Modelle mit Verbrennungsmotor von Preissenkungen. Branchenvertreter gehen davon aus, dass die Auswirkungen dieser Änderungen im weiteren Jahresverlauf stärker zu spüren sein werden – insbesondere im Hinblick auf den Wettbewerb zwischen lokal produzierten und importierten Fahrzeugen.
Typ | 2024 | Veränderung 2024/2023 | Jan. - Juli 2025 | Veränderung 2025/2024 *) |
---|---|---|---|---|
Pkw | 904.513 | -5,1 | 521.447 | -3,8 |
Nfz insgesamt | 460.783 | -10,7 | 313.391 | 11,3 |
Minibusse | 63.194 | 24,1 | 61.232 | 105,4 |
Midi-Busse | 4.948 | 6,1 | 2.723 | -10,7 |
Busse | 9.908 | -8,8 | 6.702 | 10,2 |
Kleintransporter, Pick-up | 346.863 | -12,6 | 223.087 | 1,5 |
Lastwagen (bis 12 t) | 5.077 | -6,5 | 2.625 | -8,0 |
Lastwagen (über 12 t) | 30.793 | -34,2 | 17.022 | -14,5 |
Insgesamt | 1.365.296 | -7,0 | 834.838 | 1,4 |
Produktion hält hohes Niveau
Die Türkei hat sich als wichtiger Produktionsstandort etabliert. Von Januar bis Juli 2025 legte die Fahrzeugfertigung moderat um 1,4 Prozent zu. Gestützt wurde dieser Zuwachs vor allem durch die höhere Produktion von Minibussen und Bussen, während die Fertigung von Pkw und Lkw nachgab.
Im internationalen Geschäft stützt die stabile Auslandsnachfrage weiterhin die Produktion. Die Kapazitätsauslastung der Branche lag von Januar bis Juli 2025 im Schnitt bei 67 Prozent. Trotz dieses moderaten Niveaus investieren Hersteller und Zulieferer in neue Kapazitäten und Technologien, um sich auf künftige Nachfragezuwächse vorzubereiten.
Exportmärkte im Blick
Rund acht von zehn in der Türkei produzierten Fahrzeugen rollen ins Ausland. Wichtigster Absatzmarkt bleibt Europa, allen voran Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich, gefolgt von Spanien und Italien. Trotz globaler Unsicherheiten hält sich die Auslandsnachfrage stabil. Währungsvorteile durch die anhaltende Lira-Schwäche stärken die Wettbewerbsfähigkeit, auch wenn steigende Produktionskosten im Inland einen Teil dieses Vorteils aufzehren.
Im Nutzfahrzeugbereich profitieren Exporteure vor allem von Bestellungen aus EU-Ländern, die in emissionsärmere Flotten investieren. Die Fahrzeugexporte legten in den ersten sieben Monaten 2025 um 9 Prozent auf 630.992 Einheiten zu, meldet der Verband OSD. Dabei sanken die Pkw-Exporte um 5 Prozent auf 361.036 Einheiten.
Investitionen sichern Produktionskapazitäten
Die Investitionstätigkeit in der türkischen Kfz-Industrie bleibt vergleichsweise hoch. Neben Erweiterungen bestehender Standorte investieren Hersteller und Zulieferer in neue Werke und Technologien – unter anderem in Elektromobilität und Batteriefertigung.
Der türkische Hersteller Tofaş erhielt von der Wettbewerbsbehörde grünes Licht zur Übernahme des Stellantis-Distributionsgeschäfts, verbunden mit Auflagen zum Ausbau von Produktion und Export. Der chinesische Autohersteller BYD verschiebt zwar Zeitungsmeldungen zufolge seine Produktionspläne für Elektroautos in Ungarn, beschleunigt aber den Bau seines Werks in der Türkei. Solche Vorhaben schaffen neue Anknüpfungspunkte für den Maschinen- und Anlagenbau – auch für deutsche Zulieferer, die in der Türkei bereits gut vertreten sind. Chinesische Hersteller nutzen anfangs jedoch häufig eigene Lieferketten. Chancen für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer könnten vor allem bei spezialisierter Fertigungstechnik, Prüfsystemen, Automatisierung und lokalem Service entstehen – wenn früh in die Projektplanung eingestiegen wird.
Vorhaben | Investitionssumme in Mio. US-Dollar | Projektstand | Anmerkungen |
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BYD-Produktionsstätte in Manisa | 1.000 | Durchführung | Kapazität: 150.000 Fahrzeuge pro Jahr ab 2026 |
Chery-Produktionsstätte in Samsun | 1.000 | unklar | Kapazität: 200.000 Fahrzeuge pro Jahr inklusive Forschung & Entwicklung |
Ganfeng Lithium / Yigit Akü-Batteriezellenwerk | 500 | Planung | Kapazität: 5 Gigawattstunden/Jahr; Joint Venture |
Honda Turkiye A.S.P.-Produktion in Aliaga, Izmir | 20 | Planung | Kapazität: 100.000 Motorräder pro Jahr ab 2026 (später 200.000) |
SMW-Produktion in Eskisehir | k.A. | Durchführung | Kapazität: 25.000 Hybridfahrzeuge und SUV an Ende 2025; Joint Venture mit Atmo Group und Urzema Holding |