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Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen

Für deutsche Bauunternehmen ist der tunesische Hochbau wenig interessant. Tunesien kann aber auch als Tor zum libyschen Markt genutzt werden.

Von Verena Matschoß | Tunis

Für deutsche Unternehmen dürften vornehmlich die geberfinanzierten Projekte im Tiefbau (Verkehr, Wasser und Energie) interessant sein. Der Hochbau leidet noch stärker unter der wirtschaftlich angespannten Lage. Insbesondere bei speziellen Beratungs- und Planungsdienstleistungen oder den Themenbereichen Energieeffizienz und ressourcenschonendes Bauen kann deutsche Expertise gefragt sein. 

Im Auftrag der tunesischen Nationalen Agentur für Energiemanagement (ANME) sollen zahlreiche öffentliche Gebäude mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet sowie ihre Energieeffizienz verbessert werden. Hierfür stehen Kredite der KfW Entwicklungsbank zur Verfügung. Dabei kommt deutsches Know-how zum Einsatz: Das deutsche Ingenieurbüro decon international unterstützt die ANME bei der Umsetzung des Projekts.

Beratende Ingenieure im Ausland

Bei großen Infrastrukturprojekten sind vielfältige Beratungsleistungen gefragt. Deutsche Ingenieurbüros führen weltweit unter anderem Machbarkeitsstudien durch, prüfen Designs und überwachen den Bau. Branchenvertreter berichteten GTAI von ihren Projekten in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika. Dabei wird deutlich: Deutsche Ingenieure sind vor allem in aufstrebenden Märkten aktiv. Dort sind sie oft auf Partner angewiesen. Wir beleuchten, wie sich die Deutschen gegen die Konkurrenz durchsetzen und an Aufträge kommen. Außerdem geben wir rechtlich Tipps. Erfahren Sie im GTAI-Online-Special mehr über Erfolgsfaktoren, Hürden und Besonderheiten der Branche.

Sollten sich die Mega-Stadtentwicklungsprojekte Tunis Bay, Tunis Sports City und La Perle du Lac 2 konkretisieren, könnten Aufträge auch im hochpreisigen Segment für Innenarchitekten oder Ausstatter in Aussicht sein. Allerdings sind diese Projekte teilweise seit über zehn Jahren im Gespräch. 

In der Baustoffindustrie dominieren italienische Hersteller

Die tunesische Baustoffindustrie gilt grundsätzlich als leistungsfähig. Die Nachfrage nach importierten, höherpreisigen Produkten ist relativ gering. Im Jahr 2021 wurden vor allem Feldspat und Kaolin, Keramikfliesen und Glaswaren importiert. Wichtige Lieferländer sind Italien, Spanien und die Türkei. 

Das mit Abstand wichtigste Produkt der tunesischen Baustoffindustrie ist Zement. In den landesweit neun Fabriken wird vor allem für den lokalen Bausektor, aber auch für den Export, produziert. Neben Zement werden im Land unter anderem keramische Produkte und Gips hergestellt.

Die tunesische Baustoffindustrie besteht laut der Agence de promotion de l'industrie et de l'innovation APII aus rund 370 Unternehmen, davon über 50 mit ausländischer Beteiligung. Italien ist das wichtigste Partnerland, gerade einmal zwei Unternehmen mit deutschem Kapital sind vor Ort aktiv. 

Tunesien ist interessanter Standort für Exporte nach Libyen

Der deutsche Hersteller von Bausystemen und Baustoffen Knauf hat 2004 eine staatliche Gipsfabrik in der Region Meknassy im Gouvernorat Sidi Bouzid aufgekauft und produziert dort nun Gipsputz und Gipsstuck. Seither hat Knauf in die Modernisierung des Werks investiert und die Kapazität für die Gipsproduktion mehr als verdoppelt. 

Das Unternehmen beliefert den lokalen Markt, arbeitet aber auch im Export. Da Gips einen geringen Handelswert, aber ein großes Volumen hat, sind die Transportkosten entsprechend hoch. Sofiene Ben Salah, Generaldirektor von Knauf bis zum Januar 2023, erklärt: "Das ist der Grund, warum wir Gips hauptsächlich auf dem Landweg an die Nachbarländer liefern. Kleinere Mengen gelangen aber auf dem Seeweg auch in andere afrikanische Länder." Da die lokale Industrie in Algerien an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat, bleibt vor allem der libysche Markt. Obwohl es laut Sofiene Ben Salah auch dort Tendenzen gibt, eine eigene Baustoffindustrie aufzubauen. 

Tunesien ist ein interessanter Standort für die Baustoffindustrie. Neben dem lokalen Markt können von hier aus auch andere afrikanische und sogar europäische Länder beliefert werden. Wichtige Ziele bleiben immer noch die Nachbarländer. So könnte der Wiederaufbau in Libyen der tunesischen Industrie große Lieferaufträge bescheren. 

Sofiene Ben Salah Ehemaliger Geschäftsführer, Knauf, Tunesien

Dies bestätigt auch Jamel Ksibi, Präsident der Fédération Nationale des Entrepreneurs du Batiment et des Travaux Publics: "In Libyen wird bereits jetzt wieder viel gebaut. Ausländische Unternehmen können sehr gut von Tunesien aus auf dem libyschen Markt tätig werden - wo es nötig ist, in Zusammenarbeit mit tunesischen Unternehmen. Expertise aus Tunesien ist in Libyen gerne gesehen."

Die Krise des Bausektors schlägt sich auf die Baustoffindustrie nieder. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten die Energiekosten in der Produktion gesenkt werden. Die Zementproduktion ist beispielsweise sehr energieintensiv. Hierfür sind allerdings Investitionen nötig - Geld, das den Unternehmen in der aktuell schwierigen Lage fehlt.

Der Baustoffsektor ist laut der Foreign Investment Promotion Agency FIPA der wichtigste Sektor für ausländische Direktinvestitionen in der verarbeitenden Industrie. Allerdings entfallen nur rund 2 Prozent der von ausländischen Unternehmen geschaffenen Arbeitsplätze auf den Sektor.

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