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Von Bauernhoftieren über Fantasiekreaturen bis zu Dinosauriern – die Figuren von Schleich gehören zu den Spieleklassikern. Die Produktion findet zum Teil in Tunesien statt. Von Bauernhoftieren über Fantasiekreaturen bis zu Dinosauriern – die Figuren von Schleich gehören zu den Spieleklassikern. Die Produktion findet zum Teil in Tunesien statt. | © Nani S.a.r.l.

Markets International 3/25 I Tunesien I Spielzeugindustrie

Vom Mittelmeer ins Kinderzimmer

Ein Unternehmensbesuch mit Kindern? Was ungewöhnlich klingt, ist in Sidi Toumi, etwa eine Autostunde von der tunesischen Hauptstadt Tunis entfernt, Alltag.  Denn hier gibt es Disney-Prinzessinnen, Einhörner und Drachen – eine magische Welt, die auch die Kleinen in ihren Bann zieht. 

Von Verena Matschoß | Tunis

Im tunesischen Sidi Toumi produziert das deutsche Unternehmen Nani detailgetreue Miniaturtiere für Schleich und Hörspielfiguren für die beliebten Musikboxen von Tonies. Der Betriebsleiter Volker Kasten macht die Werksbesichtigung zu einem echten Erlebnis – vor allem für Kinder: Am Ende dürfen sie selbst den Pinsel schwingen und ihre eigene Kunststofffigur bemalen – ein schöner Abschluss, auch wenn die Ergebnisse nicht mit der makellosen Arbeit der über 3.000 Mitarbeiter von Nani vergleichbar sind. 

Was hier aus Kunststoff und Farbe entsteht, erreicht später Spielzeugläden in Europa, Nordamerika und Asien. In Tunesien selbst gibt es die Figuren nicht zu kaufen. Die beiden deutschen Unternehmen Tonies und Schleich sind nicht die einzigen Auftraggeber – zahlreiche renommierte Spielzeugmarken setzen bei der Produktion ihrer Kunststofffiguren auf das Nani-Werk.  

Markets International Ausgabe 3/25

Markets International 03/25 Markets International 03/25 | © GTAI Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 3/2025 mit dem Schwerpunkt Bioplastik. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.

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Die Exportfertigung hat Tradition 

Die Geschichte von Nani reicht bis ins Jahr 1978 zurück. Damals haben sich auch andere deutsche Firmen in Tunesien niedergelassen. Der Grund: In den 1970er-Jahren führte die tunesische Regierung Steuervorteile und Zollbefreiungen für Unternehmen ein, die für den Export produzieren. Ein Modell, das mit gewissen Einschränkungen heute noch existiert.  

Für die Firmen sind die niedrigen Produktionskosten und die Nähe zur EU entscheidende Vorteile. Täglich verlässt ein Lkw mit einer Containerladung voller Kunststofffiguren das Nani-Werk, und die Ware tritt ihre Reise über das Mittelmeer an. In Zeiten zunehmend volatiler Lieferketten aus Asien ist das ein großer Vorteil.  

Ländercheck Tunesien Ländercheck Tunesien | © KammannRossi/GTAI

Die Maschinen und Rohprodukte wie Kunststoffgranulat und Farben kommen aus Deutschland, die Fertigung erfolgt vor Ort. Auch die Spritzgussformen werden direkt in Sidi Toumi produziert. Kasten schätzt, dass Tunesien bei den Tonies-Figuren gut mit den Produktionszahlen aus der chinesischen Fertigung mithalten kann. 

Nicht nur Nani und seine Kunden setzen auf Tunesien: Auch der traditionsreiche deutsche Spielzeughersteller Steiff näht seit 50 Jahren seine Plüschtiere in dem Maghreb-Staat. Das tunesische Werk in Sidi Bouzid ist die einzige Steiff-Produktionstochter im Ausland. Zuschnitt, Bestickung, Füllung und Nähen: Alle Produktionsschritte erfolgen in Sidi Bouzid. Die Stoffe, das Füllmaterial, Accessoires und Zubehör importiert das Unternehmen.  

Verantwortlich für das Steiff-Werk in Tunesien mit 650 Angestellten ist Christine Fiedler. Fluktuation bei der Belegschaft gebe es nicht. „Sidi Bouzid ist eine arme Region im Landesinneren und vor allem vom Anbau von Oliven und Gemüse geprägt“, erklärt Fiedler. „Ein klimatisierter, sauberer und staubfreier Arbeitsplatz – das hat einen hohen Stellenwert in der Region.“  

Treue trotz Turbulenzen 

Während das Geschäft für ausländische Unternehmen einigermaßen läuft, steht die lokale Wirtschaft vor großen Herausforderungen: Die Staatsverschuldung beträgt über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung, die Beziehungen zum Internationalen Währungsfonds sind eingefroren und externe Finanzierungsmöglichkeiten sind rar. Zudem ist in Tunesien die Wasserknappheit infolge des Klimawandels ein drängendes Problem. Notwendige Strukturreformen bleiben bislang aus, und das Wirtschaftswachstum wird auch in diesem Jahr voraussichtlich unter zwei Prozent liegen – zu wenig, auch im Vergleich zu anderen Ländern in der Region.  

Viele Unternehmen kämpfen mit schwierigen Finanzierungsbedingungen, einer schwerfälligen Verwaltung und langwierigen Genehmigungsverfahren. Hinzu kommt eine neue Hürde: Seit Ende Mai 2025 gelten Änderungen des Arbeitsrechts, die befristete Verträge nur in Ausnahmefällen erlauben und Leiharbeit untersagen. „Das bedeutet, dass wir die Anzahl unserer Mitarbeiter nicht mehr flexibel an die Auftragslage anpassen können“, erklärt Volker Kasten von Nani. Viele Unternehmer hoffen nun auf eine Lockerung der Regelungen. 

Doch trotz aller Schwierigkeiten bleiben Nani und Steiff Tunesien treu. „Kurze Lieferwege, attraktive Kosten, gute Mitarbeiter und eingespielte Kunden- und Zulieferstrukturen – die Vorteile überwiegen eindeutig die Nachteile“, fasst Kasten zusammen. 

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