Wirtschaftsumfeld | ASEAN | Standortanalyse
ASEAN ist eine spannende Alternative für deutsche Firmen
Die Staatengemeinschaft gilt als eine dynamische Wirtschaftsregion, die vielfältige Möglichkeiten eröffnet. Ein Überblick über die Stärken – und Schwächen der Region.
06.05.2025
Von Alexander Hirschle | Singapur
Die Länder der ASEAN-Gemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations) sind einer der großen Gewinner der Diversifizierungsstrategien internationaler Unternehmen. Südostasien liegt strategisch günstig abseits der großen Konfliktlinien und bietet sich somit als alternativer Investitions-, Absatz- und Beschaffungsmarkt zu China an. Die ausländischen Direktinvestitionen in ASEAN haben sich zwischen 2016 und 2023 mehr als verdoppelt und übertreffen mittlerweile die Investitionen nach China.
Für Deutschland ist die ASEAN-Region mit Lieferungen in Höhe von rund 30 Milliarden US-Dollar (US$) der zweitgrößte Absatzmarkt in Asien nach China. Noch bedeutender ist sie als Beschaffungsmarkt, vor allem für Elektronik- und Konsumgüter, aber auch für Rohstoffe wie zum Beispiel Nickel oder Bauxit. Deutschland importiert Waren im Wert von insgesamt rund 60 Milliarden US$ von dort. Schätzungen zufolge sind rund 5.000 deutsche Firmen in der Region aktiv.
Wachstumsmarkt ASEAN
Die ASEAN-Staaten bilden zusammen eine der wachstumsstärksten Regionen weltweit. Auch in den kommenden Jahren könnte die Wirtschaftsleistung real wieder um mehr als 5 Prozent pro Jahr steigen und damit stärker als in China. Im Zuge der US-Handelspolitik könnten diese Prognosen allerdings etwas nach unten korrigiert werden, da den ASEAN-Staaten unerwartet hohe Zölle auf Exporte in die USA drohen.
In der ASEAN-Region leben 670 Millionen Menschen und damit 1,5-mal so viele wie in der EU. Ihre Wirtschaftsleistung erreicht zusammengenommen etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von China. Die größte Volkswirtschaft der Region ist Indonesien. Sie erwirtschaftet rund ein Drittel des gesamten BIP der Gemeinschaft und beheimatet rund 42 Prozent ihrer Bevölkerung. Allerdings fließen rund zwei Drittel der Direktinvestitionen nach Singapur.
Die relativ niedrigen Lohnkosten, mit Ausnahme von Singapur, machen die Region auch für arbeitsintensive Produktionsprozesse attraktiv. Darüber hinaus sind in Ländern wie Singapur, Malaysia oder den Philippinen die Englischkenntnisse der Bevölkerung sehr gut. Deutsche Unternehmen wie Bosch, B. Braun, BASF, Continental oder Infineon nutzen diese Vorteile und produzieren Erzeugnisse in Sektoren wie Medizintechnik, Kfz, Elektronik und Halbleiter in ASEAN.
Detaillierte Standortanalysen zu einzelnen Ländern erhalten Sie in unserer Reihe Wirtschaftsstandort, darunter zu Thailand, Indonesien und Vietnam.
Freihandelsabkommen lassen auf sich warten
In der Region herrscht allerdings ein zunehmender Fachkräftemangel. Zudem ist die Infrastruktur teilweise noch schwach aufgestellt. Es sind jedoch viele Modernisierungsprogramme und Großprojekte geplant, die auch deutschen Baufirmen Geschäftschancen bieten.
Mit Ausnahme Singapurs gilt die überbordende Bürokratie als weiterer Hemmschuh für geschäftliche Aktivitäten. Für ausländische Firmen ist es aufgrund stark ausgeprägter Netzwerke zum Teil sehr schwer, an die dominierenden Großkonglomerate heranzukommen. Dafür bedarf es meist langjähriger Aufbauarbeit vor Ort.
Die Abschlüsse von Freihandelsabkommen durch die EU verzögern sich. Bisher können deutsche Firmen in der Region erst von zwei Abkommen profitieren. Sie wurden mit Singapur und Vietnam geschlossen. Zuletzt hat die EU die Verhandlungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen wieder aufgenommen.
Geringer Integrationsgrad innerhalb der ASEAN-Staaten
Deutsche Produkte stehen zunehmend in Konkurrenz zu chinesischen Waren. Unternehmen aus China drängen immer stärker nach Südostasien. Grund dafür sind die nachlassende Wirtschaftsdynamik und Überkapazitäten im Heimatmarkt. Wegen der Zollerhöhungen durch die Trump-Administration in den USA wird befürchtet, dass noch mehr Produkte aus China nach ASEAN geliefert werden und somit den Wettbewerbsdruck weiter erhöhen.
Um sich gegenüber externen Unsicherheiten widerstandsfähiger zu machen, wollen die ASEAN-Staaten den intraregionalen Handel und die Investitionen innerhalb der ASEAN stärken. Derzeit werden nur 20 Prozent der Güter innerhalb der ASEAN-Staaten gehandelt. Zum Vergleich: In der EU sind es 60 Prozent. Darüber hinaus könnte auch die schon seit Längerem angestrebte Modernisierung der Industrie vorangetrieben und die Wertschöpfung in ASEAN erhöht werden. Ebenso wollen die Staaten im Zuge der US-Handelspolitik die Handelsbeziehungen mit Drittstaaten intensivieren, um unabhängiger von den USA und China zu werden.
Doch diese Ziele sind nicht einfach zu erreichen. Denn die ASEAN-Staaten haben weder ein gemeinsames Parlament noch einen Gerichtshof, geschweige denn eine gemeinsame Währung. Wirtschaftspolitische Entscheidungen sind daher – auch wegen der sehr unterschiedlichen Regierungsformen – nur schwer durchsetzbar.
Strategisch günstige Lage als Pluspunkt
Ein wichtiger Vorteil von ASEAN ist die strategisch günstige Lage. Südostasien und insbesondere Singapur gelten als wichtiger globaler Logistikhub. Von den 20 größten Häfen weltweit finden sich 4 in der Region. Von dort aus können die großen regionalen Wirtschaftsmächte China, Japan und Südkorea einfach bedient werden. Und im Falle eskalierender Konflikte, etwa zwischen Taiwan und China, wäre die Region von Europa aus auf dem Seeweg weiterhin erreichbar.
Die ASEAN-Volkswirtschaften weisen ein breites Spektrum an Entwicklungsstadien auf: angefangen von der Industrienation Singapur über aufstrebende Märkte und rohstoffreichen Staaten bis hin zu Entwicklungsländern wie Laos, Kambodscha oder Myanmar. Darüber hinaus finden interessierte Unternehmen unterschiedliche Branchenschwerpunkte in den Mitgliedstaaten vor.
In Singapur dominieren Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung sowie Hightechindustrien wie etwa Biotechnologie oder Halbleiter. Im Bereich Chips, Elektronik und Datenzentren hat sich Malaysia als attraktiver Standort etabliert, in Teilen auch die Philippinen und Thailand. In Letzterem findet sich darüber hinaus eine breite Palette an Kfz-Herstellern. Kambodscha fungiert als Standort für die Bekleidungsindustrie. Und Vietnam zog in den vergangenen Jahren zahlreiche internationale Industriefirmen an.
Die Philippinen sind dagegen ein global wichtiger Akteur im Bereich BPM-Dienstleistungen (Business Process Management). Indonesien verfügt über Rohstoffe wie Kohle, Nickel und Stahl, und Laos gilt mit seinem großen Potenzial für Wasserkraft als die "Batterie Südostasiens".
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