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Ukrainische Drohnenindustrie im Höhenflug

Die Ukraine baut ihre Drohnenproduktion rasant aus. Innovative Eigenentwicklung und internationale Kooperation sollen den enormen Bedarf decken.

Von Waldemar Lichter, Michał Woźniak | Warschau, Berlin

Der russische Angriffskrieg hat die Verteidigungsindustrie der Ukraine zu einem rasanten Wachstum gezwungen: Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 haben sich die Verteidigungsausgaben verzwanzigfacht, die Umsätze der Branche stiegen um das Zehnfache.

Lokale Fertigung im Fokus

Am schnellsten entwickelt sich die lokale Fertigung von Drohnen. Nach Schätzungen von Experten decken Produktionsstätten in der Ukraine inzwischen rund 96 Prozent des nationalen Bedarfs. Darunter sind auch Werke ausländischer Firmen. So entwickelt und produziert das Münchener Unternehmen Helsing GmbH gemeinsam mit ukrainischen Partnern Kampfdrohnen. Die ebenfalls aus Bayern stammende Quantum-Systems GmbH hat als erster deutscher Drohnenhersteller eine eigene Produktionsstätte in der Ukraine aufgebaut. Dort findet die komplette Fertigung der Vector-Drohne statt.

Der ukrainische Präsident Volodymyr Selenskyj bezifferte Mitte 2025 den Drohnenbedarf für die Landesverteidigung auf bis zu 1.000 Stück täglich.

"Die Gesamtkosten für diese dringende Maßnahme belaufen sich jetzt auf 6 Milliarden US-Dollar",

so das Staatsoberhaupt der Ukraine.

Regierungsvertreter seien dabei, die Finanzierung mit Verbündeten zu verhandeln. Ein zentrales Ziel sei die Sicherung großer Exportaufträge für einheimische Hersteller. Allein in die USA sollen demnach in den nächsten Jahren Drohnen im Wert von 10 Milliarden bis 30 Milliarden US-Dollar (US$) verkauft werden.

Ökosystem zur Investitionsförderung

Um die Entwicklung und Produktionskapazitäten für unbemanntes Kriegsgerät zu steigern, rief Präsident Selenskyj ein Hauptquartier für Drohnentechnologien ins Leben. Ziel sei es, täglich zwischen 500 und 1.000 Abfangdrohnen herzustellen, so der Präsident. Nach dem Verteidigungstechnologie-Cluster Brave1 und der dort integrierten Plattform "Test in Ukraine" soll das Drohnen-Hauptquartier ein weiterer Baustein für das Anziehen von in- wie ausländischen Investoren und den Ausbau der Produktionsbasis sein. Die Test-Plattform ihrerseits soll internationalen Herstellern erlauben, ihre Lösungen unter kriegsnahen Bedingungen zu testen und direktes Feedback vom Militär zu erhalten.

Kommt zusätzliche Förderung für die Verteidigungsindustrie?

Ein als Defence City bezeichnetes Verzeichnis soll in der Ukraine ansässige Unternehmen aufnehmen, die mindestens 90 Prozent ihres Umsatzes im Rüstungsbereich erzielen. Diese erhalten Sonderförderung, wie Steuererleichterungen, Zollvorteile, vereinfachte Ausfuhrkontrollen und staatliche Unterstützung.

Wegweisende Eigenentwicklungen

Ukrainische Hersteller testen ihre Drohnentechnologien bereits im engen Schulterschluss mit der Armee. Zu den innovativsten Entwicklungen zählen Drohnen, die per Glasfaserkabel gesteuert werden – eine Technologie, die sie weitgehend immun gegen elektronische Störsysteme macht. Rund 15 spezialisierte Unternehmen produzieren derzeit entsprechende Modelle.

Fortschritte verzeichnen ukrainische Hersteller auch bei Abfangdrohnen. "Wir haben bereits über 200 bestätigte Fälle, in denen unsere Drohnen die [nach iranischem Muster in Russland hergestellten] sogenannten Shaheds in der Luft abgefangen haben", berichtet Anna Gvozdiar, stellvertretende Ministerin für strategische Industriezweige der Ukraine. Mit der Entwicklung und dem Einsatz von Drohnen-gegen-Drohnen-Systemen demonstriert die Ukraine eindrucksvoll ihre Innovationskraft in der modernen Luftverteidigung.

Die Firma 3DTech testet derzeit auf dem Kampffeld neuartige, wiederverwendbare Abfangdrohnen. Der sogenannte Predator Shooter ist mit einer sechsläufigen Kaliber-12-Kanone ausgestattet, die Standardmunition verwendet.

Interesse aus dem Ausland wächst

Wie weit die ukrainische Drohnentechnologie inzwischen fortgeschritten ist – wenn auch unter Zwang – zeigt das wachsende Interesse internationaler Partner. Der polnische Energiekonzern Unimot investiert über 90.000 Euro in das neu gegründete Unternehmen PZL Defence. Das Joint Venture mit einem weiteren polnischen sowie einem ukrainischen Partner soll zunächst zivile und später militärische Drohnen und Anti-Drohnen-Systeme zum Schutz kritischer Infrastrukturen produzieren. Darüber hinaus wird PZL Defence ein Forschungszentrum für die Entwicklung von Aufklärungs-, Abfang- und Kamikaze-Drohnen sowie Anti-Drohnen-Waffen einrichten. "Wir sehen die wachsende Bedeutung unbemannter Technologien für die regionale Sicherheit. Deshalb beteiligen wir uns an einem Projekt, das polnische Ingenieurskunst mit der einzigartigen ukrainischen Erfahrung aus realen Kampfbedingungen verbindet", unterstreicht Adam Sikorski, CEO von Unimot.

Lieferketten neu denken

Eine zentrale Schwachstelle der ukrainischen Drohnenindustrie ist die hohe Importabhängigkeit bei Komponenten. Derzeit werden nur etwa 40 Prozent der benötigten Bauteile lokal gefertigt – insbesondere Motoren, Batterien und Flugsteuerungen stammen überwiegend aus China. Die zweideutige Haltung der Führung in Beijing zum russischen Angriffskrieg und ihre Exportbeschränkungen zwingen die Ukraine die Eigenproduktion dieser kritischen Komponenten deutlich auszubauen.

So stellt Ukrainian Drone Components (UDC) essenzielle Drohnenbauteile wie Flugsteuerungen und Kommunikationsmodule her. Neben UDC suchen auch weitere ukrainische Hersteller nach zusätzlichen Absatzmärkten im Ausland: Anders als fertige Drohnen ist ein großer Teil der Komponenten vom Exportverbot ausgenommen.

Der größte Absatzmarkt bleibt aber aufgrund des Krieges die Ukraine selbst. Hlib Kanevskyi, Direktor der Abteilung für Beschaffungspolitik im ukrainischen Verteidigungsministerium, bestätigt: "Die Kapazität der einheimischen Verteidigungsindustrie liegt 2025 bei etwa 4,5 Millionen [Flugdrohnen]. Und das Verteidigungsministerium will sie alle kaufen." Dafür stünden über 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung.

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