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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Krieg in der Ukraine

"Partnerschaften sollen in beide Richtungen verlaufen"

Kommunale Partnerschaften sind ein wichtiger Baustein bei der Wiederaufbauhilfe für die Ukraine. Die Bundesregierung unterstützt die Kooperationen mit Projektfinanzierungen.

Von Gerit Schulze | Berlin

Foto: Martin Magunia; alle Rechte vorbehalten; Der Fotograf übernimmt keine Haftung für die Verletzung von Rechten Dritter, abgebildeter Personen oder Objekte. Der Erwerb von Nutzungsrechten z. B. für abgebildete Werke der bildenden oder angewandten Kunst sowie die Einholung von Veröffentlichungsgenehmigungen bei Behörden, Museen, Institutionen, Firmen etc. obliegt dem Kunden. Der Kunde trägt die Verantwortung für die Veröffentlichung, Betextung sowie die sich aus der konkreten Veröffentlichung ergebenden Sinnzusammenhänge. Dies ist ein eingebettetes Bild | © MARTIN MAGUNIA, BONN

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges ist die Zahl der Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und der Ukraine sprunghaft angestiegen. Neben humanitärer Hilfe organisieren die Kommunen auch ganz konkrete Wiederaufbauprojekte. Unterstützung bekommen sie von der Bonner Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Im Interview erzählt Kurt-Michael Baudach, Leiter der Abteilung Kommunalpartnerschaften Länder und Regionen, über das Engagement deutscher Städte, über die Finanzierung von Projekten und beschreibt, was Deutschlands Kommunen von ihren ukrainischen Partnern lernen können.

Herr Baudach, wie hat sich das Interesse an Städtepartnerschaften mit der Ukraine seit dem Ausbruch des Krieges entwickelt?

Wir unterstützen deutsch-ukrainische Partnerschaften schon seit 2015. Schon seitdem war das Netzwerk deutlich angewachsen - von 40 auf 72 vor Beginn des Krieges. Inzwischen gibt es über 150 Partnerschaften mit ukrainischen Kommunen, also eine Verdoppelung seit dem letzten Jahr. Die meisten Verbindungen sind heute sogenannte Solidaritätspartnerschaften, die zeitlich begrenzt sind und bei denen konkrete Hilfe im Vordergrund steht.

Was ist die Motivation deutscher Kommunen, Partnerschaften mit der Ukraine einzugehen?

Vor allem der Wunsch, konkret vor Ort zu unterstützen und zu sehen, wo die Hilfe ankommt. Das ist einfacher, wenn man gezielt mit einer Stadt oder Kommune zusammenarbeitet. Ein weiterer Antrieb ist es, Zeichen der Solidarität gegenüber den ukrainischen Partnern und gegenüber der eigenen Stadtgesellschaft zu setzen.

Nach welchen Kriterien suchen deutsche Städte ihre Partnerregionen in der Ukraine?

Wenn es in der Stadt schon Kontakte der Zivilgesellschaft oder eine starke ukrainische Diaspora gibt, dann ist das ein wichtiger Anknüpfungsunkt. Die Partnerschaft Düsseldorf-Czernowitz zum Beispiel ist so zustande gekommen. Bei anderen Kommunen spielen regionale Besonderheiten eine Rolle. Einige deutsche Städte haben sich bewusst besonders vom Krieg betroffene Orte ausgesucht. Dazu gehören Hannover und Mykolajiw oder Bonn und Cherson. Außerdem wird darauf geachtet, dass die Partnerkommunen eine ähnliche Größe, Wirtschaftsstruktur oder Lage haben. Etwa Köln und Dnipro, die beide an einem großen Fluss liegen.

Wie werden diese Partnerschaften in Zeiten des Krieges gelebt?

Am Anfang standen Hilfslieferungen im Vordergrund. Bei den ukrainischen Partnern wurde der Bedarf abgefragt, Sachspenden oder Geld gesammelt und Transporte organisiert. Es kam vor, dass Bürgermeister selbst bis an die polnische Grenze fuhren und die Spenden übergaben. Andere haben mit Unternehmen aus ihrer Stadt zusammengearbeitet, die sich engagieren wollten.

Solche Hilfe findet weiterhin statt. Aber jetzt steht auch der Austausch zum Wiederaufbau oder zur Versorgung von Binnenvertriebenen in der Westukraine an. Da geht es um Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und Integration in die Stadtgesellschaft.

"Der Wunsch nach persönlichen Begegnungen ist groß."

Dieser Austausch zwischen den Kommunen passiert überwiegend virtuell, und wir unterstützen solche Video-Calls auf Anfrage. Es kommt aber auch zu persönlichen Begegnungen in Deutschland oder in Polen. 

Die SKEW vergibt auch Zuschüsse für Investitionen. Welche Projekte können die Kommunen damit finanzieren?

Über den Kleinprojektefonds der SKEW sind Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro möglich. Der Eigenanteil der Kommune beträgt mindestens zehn Prozent. Wir fördern vor allem konkrete Unterstützung wie die Lieferung von medizinischen Gütern, von Medizintechnik, die Überführung von Fahrzeugen oder die Anschaffung von Energieausrüstungen.

Auch die lokalen Unternehmen aus der deutschen Kommune können sich einbringen. Ein wichtiges Ziel kann sein, kleinere Betriebe auf der ukrainischen Seite zu stärken.

Wie viele Anträge für die Ukraine wurden für den Kleinprojektefonds schon eingereicht?

Im Jahr 2022 wurden 56 Anträge mit einer Fördersumme von insgesamt rund zwei Millionen Euro bewilligt. Ab Herbst nahm die Zahl der Anfragen zu. In diesem Jahr sind schon zehn Anträge bewilligt, weitere in der Prüfung.

Wie lange dauert das Prozedere ungefähr von Antragseingang bis zur Bewilligung?

Wir tun alles, damit die Anträge möglichst schnell geprüft werden. In der Regel liegt die Bewilligung nach vier Wochen vor. Das hängt von der Anzahl der eingehenden Anträge ab. Die Kommunen sollten idealerweise drei Monate vor dem geplanten Beginn der Durchführung auf uns zukommen.

Können auch Baumaßnahmen, wie der Austausch von Fenstern oder die Dachsanierung einer Schule, gefördert werden?

Dafür ist der finanzielle Rahmen des Kleinprojektefonds zu knapp. Solche Projekte könnten über die größere Förderlinie Nakopa abgedeckt werden, also die Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte. Über dieses Programm fördern wir auch mehrjährige Projekte mit bis zu 250.000 Euro. Ab Mitte des Jahres wird ein neuer Aufruf zur Einreichung von Anträgen veröffentlicht. Die Projekte sollen den Fachaustausch zur Stärkung von Kompetenzen fördern. 

Bisher sind die Städtepartnerschaften durch die Nothilfe für die Ukraine geprägt. Können deutsche Städte auch etwas von der Ukraine lernen?

Natürlich sollen die Partnerschaften in beide Richtungen verlaufen. Vor Kriegsausbruch gab es in der Ukraine interessante Entwicklungen. Ich denke da an die ambitionierte Dezentralisierungsreform, die im Herbst 2021 mit den Kommunalwahlen abgeschlossen wurde. Für deutsche Kommunen war es spannend, wie solche Prozesse neu ausgestaltet und Dinge anders angepackt werden als bei den etablierten Verfahren in Deutschland. Interessant ist auch das Thema öffentliche Vergaben, die in der Ukraine stark digitalisiert und sehr transparent sind. Deutsche Städte beeindruckt außerdem, wie ukrainische Kommunen während des Luftalarms in Kellern ihren Schulbetrieb über mobiles Lernen aufrecht erhalten. Und dann sammelt die Ukraine wertvolle Erfahrungen bei der Versorgung von Geflüchteten, die bei uns in einer viel kleineren Dimension auch ein wichtiges Thema sind. Über solche Erfahrungen können sich beide Seiten austauschen.

Was ist die SKEW?

Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) ist seit 2002 die zentrale Ansprechpartnerin für kommunale Entwicklungspolitik. Sie berät, vernetzt und fördert Gemeinden, Städte und Landkreise, die sich für globale Nachhaltigkeit und für eine gerechtere Welt im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen einsetzen. Die SKEW ist ein Fachbereich von Engagement Global und arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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