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Rechtsbericht | USA | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Jeder Bundesstaat, aber auch Metropolen wie New York City oder San Francisco, haben eigene Vorschriften, die neben den Bundesgesetzen Anwendung finden. 

Von Susanne Nienaber von Türk (Becker, Glynn, Muffly, Chassin & Hosinski LLP) | New York

Rechtsgrundlagen

Die folgende Übersicht der allgemeinen Schutzgesetze beschränkt sich auf Fragen des Individualarbeitsrechts und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Mehr und mehr Bundesstaaten, wie zum Beispiel Kalifornien, Colorado, Connecticut, Maryland und Washington, aber auch Städte wie New York City schreiben nun gesetzlich vor, dass Stellenausschreibungen auch die zu erwartende Gehaltsskala enthalten. Fragen nach der Höhe des letzten Gehalts sind in mehreren Bundesstaaten, darunter in Kalifornien, nicht erlaubt.
  • Der Immigration Reform and Control Act verbietet Arbeitgebern die Beschäftigung von Ausländern, die keine Arbeitserlaubnis haben. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Identität und die Arbeitserlaubnis eines jeden Bewerbers zu prüfen. Der Bewerber muss in diesem Zusammenhang ein von der Einwanderungsbehörde vorgeschriebenes Formular (I-9) ausfüllen und durch Vorlage bestimmter Dokumente seine Arbeitserlaubnis nachweisen.
  • Der Fair Labor Standards Act (FLSA) regelt unter anderem den Mindestlohn, Überstunden und allgemeine Arbeitszeitfragen.
  • Der Family and Medical Leave Act (FMLA) verpflichtet Firmen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl, berechtigten Angestellten bis zu zwölf Wochen unbezahlten Urlaub im Jahr zu gewähren. Dieser unbezahlte Urlaub kann im Krankheitsfall, nach der Geburt oder Adoption eines Kindes oder für die Pflege von kranken Kindern, Eltern oder Lebenspartnern genommen werden. Einige Bundesstaaten (darunter Arizona, Kalifornien, Connecticut, Maryland, Massachusetts, Minnesota, New Jersey, Oregon, Rhode Island, Washington und Vermont) haben ihren eigenen FMLA mit oft unterschiedlichen Voraussetzungen. Auch Städte wie New York, Seattle, Washington, D.C. und San Francisco sowie Landkreise wie Westchester County, ein Vorort von New York City, verpflichten Firmen oft ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl zur Lohnfortzahlung (i) im Krankheitsfall oder (ii) im Fall der Pflege naher Angehöriger. Diese sogenannten “paid sick days“ beschränken sich in der Regel auf nicht mehr als fünf Arbeitstage im Jahr. Die angesichts der COVID-19-Pandemie im Jahre 2020 auf Bundes- und einzelstaatlicher Ebene verabschiedeten Gesetze, die unter anderem einen bezahlten Sonderurlaub im Krankheitsfall und zur Kinderbetreuung vorsehen, gelten in einigen Staaten weiterhin.
  • Occupational Safety and Health Act (OSHA): Unabhängig von der Betriebsgröße ist der Arbeitgeber für einen sicheren Arbeitsplatz und die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen gemäß OSHA verantwortlich.
  • Workers Compensation Insurance: Aufgrund einzelstaatlicher Gesetze, mit der Ausnahme von Texas, sind Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, eine Unfallversicherung zugunsten ihrer Arbeitnehmer abzuschließen.
  • Der Employee Retirement Income Security Act von 1974 enthält Vorschriften zur Gruppenkrankenversicherung und betrieblichen Altersversorgung, zu der aber keine gesetzliche Verpflichtung besteht.
  • Patient Protection and Affordable Care Act von 2010 ("Obamacare“): Seit dem 1. Januar 2016 müssen Unternehmen, die mehr als 50 Vollzeitangestellte beschäftigen, entweder mindestens 95 Prozent dieser Vollzeitangestellten (und deren Kindern, nicht aber den Ehepartnern) eine kostengünstige Krankenversicherung ("minimum essential coverage") anbieten oder eine Strafsteuer bezahlen. Das Verfahren wird als "play or pay“ bezeichnet. Als Vollzeitangestellte gelten in der Regel Mitarbeiter, die mindestens 30 Stunden in der Woche oder 130 Stunden im Monat arbeiten. Die betroffenen Unternehmen unterliegen in diesem Zusammenhang auch Mitteilungspflichten gegenüber der US-Steuerbehörde "Internal Revenue Service" (IRS).
  • Consolidated Omnibus Budget Reconciliation Act (COBRA): Angestellte, denen gekündigt wurde oder die freiwillig das Unternehmen verlassen, haben die Möglichkeit, auf eigene Kosten die vom Arbeitgeber angebotene Gruppenkrankenversicherung beizubehalten.
  • Worker Adjustment and Retraining Notification Act (WARN): Es besteht eine Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Fall der Betriebsschließung (bei mehr als 100 Angestellten) oder der Entlassung von einem Drittel der Belegschaft bestehend aus mindestens 50 Angestellten. Die Angestellten müssen mindestens 60 Tage vor der Schließung beziehungsweise Entlassung davon in Kenntnis gesetzt werden.
  • Project Labor Agreements: Projektbezogene Tarifverträge sind relevant für Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungen staatlich geförderter Projekte teilnehmen möchten. Ein Zuschlagskriterium ist in diesem Fall der Abschluss eines projektbezogenen Tarifvertrags mit der einschlägigen Gewerkschaft für die für das Projekt einzustellenden Mitarbeiter, auch wenn die Mitarbeiter des Unternehmens nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Project Labor Agreements werden auf Bundes - und Landesebene eingesetzt. Präsident Biden, der als gewerkschaftsfreundlich gilt, hat im Februar 2022 eine Verordnung (“Executive Order”) erlassen, die für größere vom Bund ausgeschriebene Projekte mit einem Volumen von mindestens 35 Millionen US-Dollar (US$) projektbezogene Tarifverträge vorschreibt. Diese Verordnung gilt für bestimmte Ausschreibungen im Rahmen des im November 2021 verabschiedeten Infrastruktur-Gesetzes (Infrastructure Investment and Jobs Act, IIJA).
Gesetzliche Regelungen auf einen Blick
Vergütung:

Regelung durch Individualverträge (selten Kollektivverträge)

Mindestlohn:

Bund gemäß FLSA *): 7,25 US$;

je nach Bundesstaat/Kommune bis 18,69 US$ (25 US$ in Los Angeles für bestimmte Positionen im Gesundheitswesen)

Arbeitsstunden pro Woche:

40 Stunden

Zulässige Überstunden:

Begrenzung nach FLSA *), hängt vom Status des Arbeitnehmers ab

Bezahlte Feiertage:

vertraglich vereinbart

Bezahlte Urlaubstage:

vertraglich vereinbart

Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit:

Je nach Bundesstaat/Kommune limitierte Anzahl von Krankheitstagen mit Lohnfortzahlung

Probezeit:

vertraglich vereinbart

* Fair Labor Standards Act.Quelle: Becker, Glynn, Muffly, Chassin & Hosinski LLP, New York City, USA; September 2023

Vertragsabschluss

Ein Unternehmen schließt in der Praxis nur mit Geschäftsführern oder leitenden Angestellten schriftliche Arbeitsverträge ab. Es herrscht weitgehend Vertragsfreiheit.

Anstellungsverträge können formlos, also auch mündlich geschlossen werden. Die Gesetzgebung in mehr und mehr Einzelstaaten verbietet es heute, während des Einstellungsgesprächs einem Kandidaten Fragen bezüglich einer Vorstrafe oder nach der Höhe des in der Vergangenheit bezogenen Gehalts zu stellen.

Oft erhält der neue Mitarbeiter lediglich einen sogenannten "Engagement Letter" oder "Offer Letter", unter Umständen auch eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Ein solcher "Offer Letter" beschränkt sich häufig darauf, dass das Anfangsdatum der Anstellung, der "employee-at-will-Status" (siehe auch Abschnitt "Vertragsbeendigung“), die genaue Bezeichnung der zu belegenden Stelle und die Höhe des Gehalts (oft als Monatsgehalt und nicht als Jahresgehalt genannt) festgelegt werden. Die Anstellung ist dann unbefristet.

Dem neuen Mitarbeiter sollte auch eine detaillierte Stellenbeschreibung und eine Kopie des "Employee Manual" beziehungsweise "Employee Handbooks" übergeben werden.

Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen dürfen nicht gegen Diskriminierungsverbote verstoßen. Eine wie in Deutschland übliche Klausel, dass mit dem Eintritt in das Rentenalter die Beschäftigung automatisch endet, wäre in den USA nicht gesetzeskonform. 

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Die Rechte und Pflichten des Vertragsverhältnisses ergeben sich oft aus dem oben genannten "Employee Handbook". Es begründet in der Regel keinen vertraglichen Anspruch und kann deshalb vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Mitarbeiters jederzeit im Rahmen der gesetzlichen Regelungen geändert werden. Das "Employee Handbook" beinhaltet wichtige Angaben, wie zum Beispiel die wöchentliche Arbeitszeit, Überstunden, Beförderung, Krankenversicherung und Lohnfortzahlung, betriebliche Altersvorsorge, berufliche Weiterbildung, Feiertagsregelung, Urlaub, Länge der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Erstattung von Auslagen. Es gibt den Arbeitnehmern Auskunft über die Führung des Unternehmens und die Regeln am Arbeitsplatz, wie zum Beispiel Antidiskriminierungsregeln, Regeln zur Vertraulichkeit und den Gebrauch von Arbeitsgegenständen.

Nach dem "Fair Labor Standards Act" (FLSA) ist der Arbeitgeber verpflichtet, jeden Angestellten entweder als "exempt“ oder als "non-exempt“ einzustufen. Hierbei geht es um die Frage, ob der Angestellte den Schutzvorschriften des FLSA unterliegt oder nicht. Besonders wichtig ist diese Unterscheidung, wenn es um die Bezahlung von Überstunden geht.

Die Frage, ob ein Arbeitnehmer als "exempt“ oder "non-exempt“ einzustufen ist, kann kompliziert sein und hängt vom Einzelfall ab. Die Beweislast trägt der Arbeitgeber. Sogenannte "non-exempt“-Angestellte (also Angestellte, die den Schutz des FLSA genießen), die mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten, haben ab der 41. Wochenstunde einen Anspruch auf die 1,5-fache Entlohnung. Geschäftsführer, leitende Angestellte, bestimmte Angestellte mit einem Jahresgehalt von mindestens 107.432 US$ (eine Erhöhung auf 143.988 US$ ist im August 2023 vom US-Arbeitsministerium vorgeschlagen worden), bestimmte im Außendienst tätige Verkäufer und bestimmte IT-Berufe unterliegen grundsätzlich nicht den Schutzvorschriften des FLSA. Zu beachten ist auch, dass Zeitausgleich ("comp time") nur sehr begrenzt zulässig ist.

Vertragsbeendigung

Die weit verbreitete Vorstellung, das Arbeitsrecht der USA sei ausschließlich von einem "hire and fire“-Prinzip geprägt, wird der oft komplizierten Rechtslage nicht gerecht. Juristisch verbirgt sich hinter dem "hire and fire“-Prinzip die oben genannte "employee-at-will“-Doktrin, nach der sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber jederzeit das Anstellungsverhältnis mit oder ohne Grund beenden kann. Eine Abmahnung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. In der Praxis wird aber oft eine 14-tägige Kündigungsfrist eingehalten.

Zu beachten ist jedoch, dass dieses arbeitgeberfreundliche Prinzip in vielen Fällen durch Antidiskriminierungsgesetze oder das Common Law (durch Rechtsprechung entwickelte Rechtsgrundsätze) eingeschränkt wird. Kriterien wie Alter, Geschlecht, Abstammung, Religion, Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung, Nationalität, Vorstrafen oder sexuelle Orientierung dürfen bei der Auswahl, Anstellung, Beförderung und Entlassung von Angestellten nicht herangezogen werden.

Im Staat New York ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, einmal im Jahr ein sogenanntes “Sexual Harassment Training“ für alle Mitarbeiter abzuhalten. Ein ähnliches Gesetz gilt zum Beispiel auch in Kalifornien.

In verschiedenen Bundesstaaten haben sich neben dem Diskriminierungsverbot drei Common Law-Ausnahmen zum "employee-at-will“-Prinzip entwickelt: die "Public Policy-", die "Covenant of Good Faith and Fair Dealing-" und die "Implied Contract-Ausnahme", die von den Gerichten recht unterschiedlich ausgelegt werden. In einigen Staaten bedarf die Kündigung der Schriftform.

Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht im Fall der Kündigung nicht, sondern lediglich ein Anspruch auf Auszahlung des noch nicht genommenen Urlaubs. Um das Prozessrisiko zu minimieren, bieten manche Firmen gleichwohl eine Abfindungszahlung an, wenn der Angestellte im Gegenzug eine Freistellungserklärung (Release) unterschreibt.

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