Der florierende Bausektor in den VAE sowie milliardenschwere Infrastrukturprojekte sorgen für eine anhaltend starke Importnachfrage nach Glas, Fliesen und Sanitärprodukten.
Glas: Hoher Importbedarf trotz lokaler Produktion
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zählen zu den dynamischsten Baumärkten der Golfregion. Der Bedarf an Glasprodukten bleibt hoch – insbesondere für Fassaden, großflächige Fensterfronten und zunehmend auch für Fotovoltaikanwendungen.
Laut der jüngst verfügbaren Daten der Datenbank UN Comtrade beliefen sich die Importe von Bauglas (HS 70.03 bis 70.08) im Jahr 2023 auf rund 198 Millionen US-Dollar (US$) – ein Plus von knapp 9 Millionen US$ gegenüber dem Vorjahr.
Obwohl die Emirate seit Jahren in den Ausbau ihrer Glasproduktion investieren, bleibt der Markt stark importabhängig. Besonders Flachglas (HS 70.05) dominiert mit einem Einfuhrwert von 112,6 Millionen US$. Die größten Lieferländer sind China, Saudi-Arabien und Indien, die gemeinsam über die Hälfte des Bedarfs abdecken. Deutschland rangiert mit einem Exportvolumen von 9,2 Millionen US$ auf Platz 6. Für deutsche Anbieter ergeben sich Marktchancen im Premiumsegment und bei spezialisierten Anwendungen.
Lokale Marktführer mit begrenzter Tiefe
Mit einem Marktanteil von rund 45 Prozent gilt die zur börsennotierten Dubai Investments PJSC gehörende Glass LLC als dominierender Akteur im emiratischen Glasmarkt. Unter ihrem Dach operieren mehrere Unternehmen, darunter Emirates Float Glass in Abu Dhabi, das seit 2009 mit einer Tageskapazität von über 600 Tonnen produziert. Eine ursprünglich geplante zweite Produktionslinie zur Kapazitätsverdopplung wurde bislang jedoch nicht realisiert.
Auch Emirates Glass, seit 1998 als Verarbeiter von Flachglas aktiv, verdeutlicht die Grenzen der lokalen Wertschöpfung: Zwar ist das Unternehmen für hochwertige Spezialbeschichtungen bekannt, muss jedoch weiterhin Flachglas aus dem Ausland beziehen. Trotz etablierter Marken bleibt der Sektor damit nur eingeschränkt autark.
Die Übernahme der Saudi American Glass Company im Januar 2006 durch den Konzern Dubai Investments unterstreicht die enge Verflechtung des emiratischen Glasmarkts mit regionalen Nachbarländern. Für deutsche Zulieferer bieten große Unternehmensgruppen attraktive Kooperationsmöglichkeiten, vor allem in Nischensegmenten mit speziellen Anforderungen. Marktsegmente mit Standardprodukten sind dagegen häufig bereits fest in regionale Netzwerke eingebunden.
Laut der Datenbank MEED existiert derzeit lediglich ein nennenswertes Projekt im Bereich Solarglas: In der Industriezone Al Ghail (Ras Al Khaimah) errichtet die britische Glass Technology Services für rund 95 Millionen US$ eine Produktionsstätte. Ihre Fertigstellung ist für Ende 2025 geplant. Mit einer Jahreskapazität von 5,5 Millionen Solarmodulen zielt die Anlage primär auf den Export nach Europa. Die deutsche Horn Glass Industries fungiert als Generalunternehmer für Planung und Bau.
Fliesen: Protektionismus gegenüber Indien und China
Die VAE verzeichnen weiterhin hohe Einfuhren im Bereich keramischer Fliesen. Laut den jüngsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2023 wurden glasierte keramische Fliesen (HS 69.07) im Wert von 317 Millionen US$ importiert. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 284 Millionen US-Dollar. Indien führte mit Lieferungen im Wert von 134 Millionen US$ gefolgt von Italien (84 Millionen US$) und Spanien (60 Millionen US$). Deutschland rangierte mit einem Exportvolumen von 0,57 Millionen US$ auf Platz 14.
Auch andere keramische Baumaterialien wie Ziegel und Rohre (HS 69.04 bis 69.06) wurden 2023 im Umfang von 15,6 Millionen US$ eingeführt. Die Einfuhren keramischer Sanitärprodukte (Waschbecken, Badewannen etc.; HS 69.10) beliefen sich auf 77 Millionen US$. China dominierte mit einem Lieferwert von 34 Millionen US$, gefolgt von Indien (9,7 Millionen US$), Italien (7,6 Millionen US$), der Türkei (5,2 Millionen US$) und Deutschland (3,9 Millionen US$).
Die VAE erheben seit Juni 2020 Anti-Dumping-Zölle auf keramische Fliesen sowie Boden- und Wandplatten aus China und Indien – dies ist Teil einer GCC-weiten Maßnahme (Gulf Cooperation Council, Staaten des Golfkooperationsrates). Betroffen sind Produkte unter den Zolltarifpositionen 69072100, 69072200, 69072300 und 69074000. Die Zollsätze variieren je nach Exporteur zwischen 17,6 und 106 Prozent des CIF-Werts (Costs, Insurance, Freight). Die Regelung war zunächst auf fünf Jahre befristet. Im März 2025 wurde eine sogenannte Sunset-Review eingeleitet – eine obligatorische Überprüfung vor dem Auslaufen bestehender Handelsmaßnahmen. Ein Abschlussdatum steht noch aus. Branchenkenner rechnen jedoch mit einer Verlängerung der Zölle um weitere fünf Jahre, da GCC-Hersteller weiterhin Marktverzerrungen durch Billigimporte geltend machen.
Sanitärprodukte und Armaturen: Importe aus Deutschland steigen
Die Statistik der VAE erfasst lediglich Angaben zu den Gesamteinfuhren von Armaturen (HS 84.81). Informationen zu Unterpositionen fehlen. Ein großer Teil der Nachfrage nach Armaturen entfällt auf den Öl- und Gassektor sowie die Petrochemie. Im Jahr 2023 lag das Importvolumen bei rund 2,2 Milliarden US$. Hauptlieferanten waren die USA mit 478 Millionen US$, China mit 451 Millionen US$, Deutschland mit 190 Millionen US$ und Indien mit 183 Millionen US$. Daten für das Jahr 2024 liegen noch nicht vor, Experten rechnen jedoch mit einer anhaltend hohen Nachfrage.
Laut Statischem Bundesamt stiegen die deutschen Armaturenexporte (SITC 747) in die VAE 2024 auf 158 Millionen Euro (2023: 144 Millionen Euro). In den ersten sechs Monaten 2025 wurden bereits Waren im Wert von 78 Millionen Euro geliefert – ein Plus von 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Die lokale Produktion ist bislang begrenzt. Ein Beispiel ist Kludi RAK, ein 2007 gegründetes Joint Venture der deutschen Kludi GmbH & Co KG (Anteil 49 Prozent) mit RAK Ceramics. Die Produktionsstätte im Emirat Ras al Khaimah zählt zu den fünf internationalen Werken der Kludi-Gruppe. Kludi RAK vermarktet seine Produkte als umweltfreundlich ("Water Saving") und positioniert sie mit den Attributen "German" und "Luxury".
Von Heena Nazir
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