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Immobilienmarkt zwischen Boom und Überhitzung
Der Immobiliensektor bleibt Wachstumstreiber in den VAE – mit Milliardenprojekten und stabiler Vergabe. Für deutsche Bau- und Technologiefirmen entstehen attraktive Chancen.
08.09.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Der Immobiliensektor zählt seit Jahren zu den wichtigsten Wachstumstreibern der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Laut Datenbank MEED Projects befanden sich 2024 Vorhaben im Wert von rund 36 Milliarden US-Dollar (US$) im Bau, rund 27 Prozent mehr als 2023. Von Januar bis August 2025 wurden Projekte im Umfang von rund 15 Milliarden US$ vergeben. Damit liegt das Niveau in etwa auf dem Vorjahreswert.
Smart, nachhaltig, gefragt
Die Nachfrage konzentriert sich weiterhin auf hochwertige Immobilien, nachhaltige Baukonzepte und Smart-Home-Technologien. Besonders Dubai und Abu Dhabi ziehen internationale Anleger mit zahlreichen Immobilientraktionszahlen an. Die Behörde Dubai Land Department registrierte im 1. Halbjahr 2025 mehr als 125.000 Immobilientransaktionen im Wert von etwa 117 Milliarden US$. Damit stieg sowohl die Zahl der Transaktionen als auch der Wert der gehandelten Immobilien um rund ein Viertel. Es handelte sich überwiegend um Wohnungen und Apartments im Privatsektor, ergänzt durch eine kleinere Zahl gewerblicher Objekte.
Fast 95.000 Personen investierten im gleichen Zeitraum, darunter 59.000 Erstkäufer. Bemerkenswert ist der wachsende Anteil weiblicher Anleger, die Immobilien im Wert von etwa 20 Milliarden US$ erwarben. Der Markt stützt sich auf eine breite Basis aus lokalen Käufern, Expats mit langfristigem Aufenthaltsstatus sowie internationalen Investoren aus Europa, Asien und den Golfstaaten.
Preise ziehen kräftig an
Die hohe Nachfrage treibt die Preise. In Dubai legten sie im 1. Quartal 2025 nominal durchschnittlich um 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Zwei-Zimmer-Apartments verteuerten sich um 17 Prozent, Drei-Zimmer-Wohnungen um 10 Prozent. In Abu Dhabi lagen die Zuwächse für Apartments und Villen bei rund 18 Prozent, meldet das Analysehaus REIDIN. Im landesweiten Durchschnitt weist REIDIN die nominalen Preissteigerungen für Apartments mit 15,2 Prozent und 17,8 Prozent für Villen aus.
Der starke Preisanstieg ist auf die hohe Zuwanderung und umfangreiche Infrastrukturinvestitionen, aber auch geopolitische Faktoren zurückzuführen. Als stabiler Finanzstandort ziehen Dubai und Abu Dhabi seit Jahren Kapital aus Krisenregionen wie dem Nahen Osten, Russland und Südasien an. Diese Rolle als sicherer Hafen bleibt unverändert und fördert weiterhin die Umschichtung von Vermögen aus unsicheren Märkten in die Emirate.
Im 2. Quartal 2025 verzeichnete das Dubai Land Department rund 37.000 Transaktionen während der Bauphase – sogenannte Off-Plan-Transaktionen. Sie nahmen mehr als zwei Drittel aller Immobilienverkäufe ein. Das Segment boomt vor allem dank flexibler Zahlungsmodelle mit langfristig günstigen Zinssätzen und der Aussicht auf Wertsteigerungen in gefragten Lagen. Off-Plan-Transaktionen bieten darüber hinaus im Vergleich zu Bestandsimmobilien attraktive Einstiegspreise.
Rendite im Fokus der Kapitalmärkte
Die emiratische Immobilienbranche zieht Kapital aus aller Welt an. Laut Immobiliendienstleister Coldwell Banker Richard Ellis (CBRE) entfielen im 1. Halbjahr 2025 rund 62 Milliarden US$ auf ausländische Investoren. Neben Käufern aus den Golfstaaten treten verstärkt Anleger aus Europa, Asien und Afrika auf.
Die Immobilienpreise in Dubai variieren stark je nach Lage: In Randgebieten wie Jumeirah Village Circle oder International City starten Einstiegswohnungen bereits bei rund 190.000 US$. In zentralen Vierteln wie Dubai Marina oder Business Bay liegen die Preise deutlich höher. Premiumobjekte auf der Palm Jumeirah erreichen regelmäßig Werte jenseits von 1,3 Millionen Euro.
Zur besseren Vergleichbarkeit nennen Makler wie Knight Frank Quadratmeterpreise zwischen 2.200 und 6.500 Euro, abhängig von Lage und Ausstattung. Neben dem Potenzial für Wertsteigerungen überzeugen viele Objekte durch solide Mieteinnahmen. In mittleren Wohnlagen wie Jumeirah Village Circle oder Discovery Gardens erzielen Investoren Bruttorenditen von über 7 Prozent. In Adschman sind laut lokalen Medien sogar Werte von bis zu 9 Prozent möglich.
Deutsche Baukompetenz gefragt
Deutsche Anbieter von Bauprodukten, Ingenieurleistungen und technischer Expertise treffen in den Emiraten auf eine hohe Nachfrage – insbesondere bei energieeffizienten Lösungen wie Dämmstoffen, intelligenten Steuerungssystemen und nachhaltigen Baustoffen. Auch Smart-City-Technologien und digitale Gebäudemanagementsysteme gewinnen an Bedeutung.
„Bei nachhaltigen Baukonzepten und energieeffizienten Materialien sehen wir eine stetig steigende Nachfrage. Deutsche Lösungen gelten dabei als besonders zuverlässig und hochwertig“,
sagt Amer Bin Ahmed, Managing Director von Knauf Middle East.
Gleichzeitig sind die Risiken nicht zu unterschätzen. Die Ratingagentur Fitch prognostiziert bis 2026 rund 210.000 neue Wohneinheiten – ein Überangebot, das bei nachlassender Nachfrage Preiskorrekturen von bis zu 15 Prozent nach sich ziehen könnte. Parallel verschärft sich die soziale Lage: Während der Luxussektor floriert, mangelt es zunehmend an bezahlbarem Wohnraum. Besonders betroffen sind Arbeitsmigranten, die einen Großteil der Bevölkerung stellen, wie Oxford Economics berichtet.
Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus global steigenden Zinsen, die das Investitionsinteresse internationaler Käufer dämpfen könnten. Die starke Abhängigkeit vom Auslandskapital macht den Markt anfällig für externe Schocks, und die Importabhängigkeit bei Baustoffen birgt Risiken durch volatile Preise und gestörte Lieferketten.
Die Experten von Jones Lang LaSalle bewerten die Regulierung des Risikomanagements in den VAE positiv: Seit der Finanzkrise 2009 seien zur Hypothekenvergabe strengere Regeln eingeführt worden. Die Zentralbank gestalte die Aufsicht des Finanzsektors engmaschiger. Gleichwohl warnen Experten, dass angesichts des rasanten Booms die Gefahr einer Überhitzung nicht unterschätzt werden darf.