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VAE: Projektvergabe verliert an Tempo
Steigende Baukosten und begrenzte Kapazitäten lassen die Vergaben bei Investitionsprojekten in den VAE zurückgehen. Die Perspektiven bleiben jedoch gut.
11.11.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Laut der Marktbeobachtungsplattform MEED Projects sank das Volumen angekündigter Investitionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in den ersten zehn Monaten 2025 um rund 12 Prozent auf 75,7 Milliarden US-Dollar (US$). Besonders betroffen war der Hoch- und Tiefbau – das mit Abstand wichtigste Segment: Hier ging der Wert neuer Projekte verglichen zum Vorjahreszeitraum um rund 20 Prozent auf 36,1 Milliarden US-Dollar zurück
"Nach den Boomjahren 2023 und 2024 tritt der Projektmarkt der VAE in eine Phase der Konsolidierung ein", erklärt Ed James, Senior Analyst bei MEED Projects, im Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI). Viele Großprojekte – darunter der Dubai Creek Tower und die Erweiterung der Expo City Dubai – laufen parallel und binden erhebliche Bau- und Ingenieurskapazitäten. Emaar-CEO Mohammed Alabbar betonte gegenüber lokalen Medien, dass viele Firmen derzeit vollständig ausgelastet seien und neue Projekte nur mit Verzögerung annehmen könnten.
Hinzu kommt der Fachkräftemangel: Laut einer MEED-Umfrage unter 250 Unternehmen sehen über 70 Prozent fehlende Ingenieure und Projektmanager als größtes Risiko für die termingerechte Fertigstellung laufender Vorhaben. Zugleich eröffnen sich daraus Chancen für internationale Fachkräfte. Nach Angaben der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK VAE) genießen deutsche Ingenieurinnen und Ingenieure vor Ort einen hervorragenden Ruf. Der Markteintritt bleibt jedoch anspruchsvoll und erfordert sorgfältige Vorbereitung sowie langfristige Partnerschaften, um vorhandene Potenziale erfolgreich zu erschließen.
Solide Finanzen sichern die Pipeline
Trotz der jüngsten Verlangsamung bleibt die Investitionsdynamik in den VAE im regionalen Vergleich hoch. Nach MEED Projects summieren sich die laufenden, genehmigten und geplanten Investitionsvorhaben auf rund 824 Milliarden US$.
Auch die Finanzlage stärkt die Aussichten. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erzielten die VAE 2024 einen Haushaltsüberschuss von 6,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für 2025 wird ein Plus von rund 5 Prozent erwartet. Die staatlichen Vermögensfonds, allen voran die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) und die Mubadala Investment Company, verwalten gemeinsam Schätzungen zufolge mehr als 1 Billion US$. Damit zählen die Emirate zu den Ländern mit den größten Staatsvermögen weltweit. Das ermöglicht langfristige Investitionen und bietet hohe Zahlungssicherheit für Auftragnehmer.
| Projektname | Branche | Projektstatus | Projektwert (Mrd. US$) | Beschreibung |
|---|---|---|---|---|
| G42 – Rechenzentrumsprojekt | Digitalisierung / Infrastruktur | Studie | 32 | Entwicklung eines landesweiten Rechenzentrumsnetzes mit einer Gesamtleistung von 4 Gigawatt zur Stärkung der digitalen Infrastruktur der Emirate |
| Azizi Developments – Großwohnprojekt Dubai | Bau | Design | 19,5 | Gemischt genutztes Wohn- und Gewerbeprojekt mit Fokus auf Nachhaltigkeit und urbane Verdichtung |
| Emaar – Luxusresort mit Hotel- und Freizeiteinrichtungen | Tourismus / Bau | Design | 14,6 | Neues Luxusresort mit Hotels, Freizeitanlagen und Gastronomieangeboten in Dubai |
| ADNOC Gas – Gaserschließung Abu Dhabi | Energie / Gas | Technische Vorplanungsphase | 10 | Entwicklung eines neuen Gasfeldes nahe Abu Dhabi zur Erhöhung der nationalen Gasproduktion |
| Etihad Rail – Hochgeschwindigkeitsbahn der Emirate | Transport | Hauptvertrags-Bietung | 7,6 | Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes zur besseren Anbindung der Emirate und Förderung des Güterverkehrs. |
| Miral / The Walt Disney Company – Themenpark Yas Island | Freizeit / Tourismus | Design | 7 | Bau eines neuen Freizeit- und Themenparks auf Yas Island in Kooperation mit Disney |
| Binghatti – Wohn- und Gewerbeprojekt Meydan | Bau | Design | 6,8 | Gemischt genutztes Bauprojekt im Meydan-Viertel mit moderner Architektur und urbaner Nutzung |
| MAG Group – Nachhaltiges Wohn- und Lifestyle-Projekt | Bau / Nachhaltigkeit | Hauptvertrags-Bietung | 6 | Nachhaltiges Wohnquartier mit Energieeffizienz- und Smart-Home-Technologien |
| RTA Dubai – Gold Line Metro-Erweiterung | Transport | Studie | 5,5 | Erweiterung des U-Bahn-Netzes um die neue Gold Line zur besseren Anbindung des Stadtzentrums |
| Dubai Holding / Emaar – Dubai Square (Creek Harbour) | Bau / Immobilien | Hauptvertrags-Vorqualifikation | 5,5 | Gemeinsamer Neubaukomplex im Dubai Creek Harbour als multifunktionales Stadtentwicklungsprojekt |
Wo deutsche Unternehmen mitbauen
Die größten Aufträge gehen an staatlich verbundene Entwickler wie Emaar, Aldar, Nakheel und Dubai Holding sowie internationale Baukonzerne aus China, der Türkei und Südkorea. Sie dominieren die Großprojekte in den Bereichen Stadtentwicklung, Energie und Transport.
Deutsche Unternehmen stellen mit einem Marktanteil von rund 0,3 Prozent zwar nur eine kleine Gruppe, sind jedoch in technologisch anspruchsvollen Nischen stark vertreten – etwa bei energieeffizienter Gebäudetechnik, Industrieanlagen, erneuerbaren Energien und Smart-City-Lösungen. "Anstatt als Generalunternehmer treten sie meist als Technologiepartner oder Unterauftragnehmer in internationalen Konsortien auf", erläutert Markus Brandt, Senior Manager der AHK VAE.
| Unternehmen | Schwerpunkt / Tätigkeit |
|---|---|
| Siemens AG / Siemens Energy | Energieerzeugung, Stromnetze, Smart Infrastructure, Industrie 4.0-Lösungen |
| Fichtner Consulting Engineers | Technische Beratung, Energie- und Wasserinfrastruktur, Umwelttechnik |
| Linde Engineering | Wasserstoff-, Gas- und Chemieanlagen (inkl. Ammoniak-Projekte) |
| Lahmeyer International (Tractebel) | Ingenieurberatung für Energie- und Wasserprojekte |
| Bauer Group | Spezialtiefbau, Fundament- und Baugrundtechnik für Großprojekte |
Gleichzeitig sehen sich viele Firmen mit Herausforderungen konfrontiert. Laut der AHK World Business Outlook-Umfrage vom Oktober 2025, an der 154 deutsche Unternehmen mit Aktivitäten in den VAE teilnahmen, nennen 30 Prozent die unsichere Nachfrage – etwa durch veränderte Investitionszyklen, Ölpreisschwankungen oder verschobene staatliche Prioritäten – als größtes Risiko. Rund 25 Prozent sehen Handelshemmnisse als Problem. Dabei geht es vor allem um komplexe Einfuhrverfahren, Registrierungspflichten und lokale Zertifizierungsanforderungen, die Zeit und Kosten erhöhen.
Erfolgsfaktoren für deutsche Unternehmen:
- Privatwirtschaftlich und international geprägt:
Private oder halbprivate Entwickler wie Emaar, Aldar oder Nakheel initiieren rund die Hälfte aller Projekte. Der Markt ist stark kommerzialisiert und offen für ausländische Anbieter. - Schnelligkeit und Modularität:
Projekte werden phasenweise und mit kurzen Entscheidungszyklen umgesetzt. Deutsche Firmen müssen schnell reagieren und lokal präsent sein, um in laufende Vergaben einzusteigen. - Frühe Einbindung zahlt sich aus:
Wer bereits in der Technischen Vorplanungsphase (Front-End Engineering Design) oder bei Machbarkeitsstudien aktiv ist, sichert sich oft Folgeaufträge. Besonders bei den großen Auftraggebern ADNOC, DEWA oder AD Ports zählen technologische Tiefe und langfristige Verlässlichkeit.
Auch berichten Firmen, dass ohne lokale Partner oder eigene Niederlassung kaum Chancen auf größere öffentliche Aufträge bestehen. Zudem können Zahlungsverzögerungen durch staatliche Auftraggeber oder Hauptunternehmen Projekte finanziell belasten. Die regulatorischen Rahmenbedingungen unterscheiden sich auch zwischen den einzelnen Emiraten und erfordern Erfahrung im Marktumfeld.
| Aspekt | Beschreibung |
|---|---|
| RHQ-/Präsenzpflicht für öffentliche Aufträge | Keine formale Pflicht, aber eine lokale Präsenz wird dringend empfohlen. Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in den Emiraten gelten bei Ausschreibungen als zuverlässiger und sind administrativ im Vorteil. |
| Zentrale Vergabestellen | Öffentliche Aufträge werden nicht zentral, sondern auf Ebene der Emirate vergeben: – Abu Dhabi Department of Economic Development (ADDED) – Dubai Electricity & Water Authority (DEWA) – Roads & Transport Authority (RTA) – sowie weitere Behörden der einzelnen Emirate. |
| Typische Vergabeverfahren | Ausschreibungen erfolgen überwiegend national und online über die jeweiligen Behördenportale. Häufig werden Großprojekte an EPC-Konsortien (Engineering, Procurement and Construction) vergeben, die anschließend Subunternehmer oder Technologiepartner einbinden. |
| Besonderheiten für ausländische Anbieter | Für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ist meist ein lokaler Partner erforderlich. Bei Projekten der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und ihrer Tochterfirmen muss zudem ein gültiges In-Country-Value-Zertifikat (ICV) vorliegen. Dieses bescheinigt den Anteil lokaler Wertschöpfung. |
| Lokalisierungsquote / Local Content | Das emiratische In-Country Value-Programm verpflichtet Unternehmen, einen Teil ihrer Aufträge über lokale Anbieter abzuwickeln. Die genauen Anforderungen variieren je nach Branche, Projekt und Auftraggeber. |
Vision 2031: Investitionen in Industrie und Innovation
Trotz dieser Hürden bleibt der Markt in den VAE attraktiv. Die Regierung investiert weiter massiv in Infrastruktur, Energie, Digitalisierung und Industrie. Mit der Entwicklungsstrategie "We the UAE 2031" und der Industrieinitiative "Operation 300 bn" treiben die Emirate gezielt die wirtschaftliche Diversifizierung voran. Ziel ist es, die industrielle Wertschöpfung bis 2031 auf etwa 80 Milliarden US$ jährlich zu steigern und das Land als führenden globalen Innovationsstandort zu etablieren, betonen Experten.
Davon können insbesondere deutsche Anbieter industrieller Spitzentechnologien profitieren – etwa in den Bereichen Automatisierung, Energieeffizienz, Wasserstoff, Kreislaufwirtschaft und intelligente Fertigung. Diese Programme schaffen eine weitere Nachfrage nach Maschinen, Anlagen, Engineering-Know-how und Digitalisierungslösungen – Bereiche, in denen deutsche Unternehmen traditionell stark sind.
"Die VAE bleiben ein verlässlicher, langfristig planbarer Markt – wer Technologie und Qualität liefert, wird hier weiterhin gefragt sein", fasst Brandt gegenüber GTAI zusammen. Im Jahr 2026 dürfte die Vergabetätigkeit wieder zunehmen – nicht zuletzt durch neue Industrie- und Energieprojekte im Umfeld der Expo City und der Operation 300 bn.