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Britische Offshore-Industrie lockt mit Milliardeninvestitionen

Neben der Windkraft bietet auch die Erdöl- und Erdgasbranche gute Marktchancen und investiert Milliarden. Allerdings kämpft die Branche mit einem erheblichen Sondereffekt.

Von Marc Lehnfeld | London

Die Annahme, dass die traditionelle Erdöl- und Erdgasförderung bei der britischen Energiewende keine Rolle spielt, ist falsch. Die Branche erlebt derzeit einen rasanten Umbruch. Im Mittelpunkt stehen die Dekarbonisierung der Erdöl- und Erdgasförderung, die Vergabe neuer Förderlizenzen und die Stilllegung alter Anlagen.

Laut dem North Sea Transition Deal, einem Strategiepapier der Regierung und Industrie, beläuft sich das Investitionspotenzial der Branche bis 2030 auf umgerechnet rund 18 Milliarden Euro. Der Branchenverband Offshore Energies UK (OEUK) geht sogar von rund 228 Milliarden Euro aus, einschließlich der klassischen Erdöl- und Erdgasindustrie sowie der Bereiche Offshore-Wind, Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCS).

Prognostizierte Investitionen der britischen Offshore-Industrie (2021-2030)

Segment

Investitionen (in Milliarden Euro) *)

Investitionen der Offshore-Windindustrie

80

Erhaltungsinvestitionen der Erdöl- und Erdgasindustrie

57

Betriebsausgaben der Offshore-Windindustrie

23

Investitionen in Wasserstoffproduktion und CCS-Transport und -Speicherung

23

Erschließung neuer Erdöl- und Erdgasfelder

23

Stilllegungen in der Erdöl- und Erdgasförderung

17

* Umrechnung zum Bundesbank-Wechselkurs Anfang April 2023: 1 Euro = 0,87685 Pfund Sterling; OEUK schätzt die Gesamtinvestitionen auf circa 200 Milliarden Pfund; die Offshore-Wind-Investitionen beziehen sich auf einen Kapazitätszuwachs von 40 Gigawatt.Quelle: OEUK 2022

In der klassischen Offshore-Industrie spielt die Dekarbonisierung eine wichtige Rolle. Bis 2030 will die Branche ihre Treibhausgas-Emissionen um 50 Prozent gegenüber 2018 senken. Große Fortschritte erzielen die Unternehmen bereits beim Gas Flaring. Das Abfackeln des in der Produktion überschüssigen Erdgases ist 2022 bereits auf ein Rekordtief gefallen.

Mit dem Methan Memorandum zielt die Branche auch auf die Reduktion der Methanemissionen, die sowohl bei der Förderung als auch beim Transport und bei der Verarbeitung von Öl und Gas entstehen. Der Großteil dieser Upstream-Emissionen entsteht zu 70 Prozent bei der Energieerzeugung auf den Bohrplattformen. Um die Dekarbonisierung der Bohrinseln zu erreichen, setzt die Branche verstärkt auf Elektrifizierung. Im ersten Schritt soll Offshore-Windstrom direkt genutzt werden. Dafür erhielten 13 Projekte über das Programm INTOG (Innovation and Targeted Oil & Gas) im März 2023 eine Bodennutzungslizenz von der Crown Estate Scotland. Darunter auch das 100 Megawatt starke Projekt Salamander von Simply Blue Group, Ørsted und Subsea7. Die schwimmende Offshore-Windanlage soll bis 2030 rund 35 Kilometer östlich vom schottischen Petershead ans Netz gehen.

Neue Lizenzen für die Erdöl- und -gasförderung

Neben steigenden Investitionen in die Dekarbonisierung freut sich die Offshore-Industrie auch über die mittlerweile abgeschlossene Ausschreibungsrunde zur Erschließung neuer Erdöl- und Erdgasfelder. Die North Sea Transition Authority konnte 115 Gebote sichern und wird die zu vergebenden Lizenzen wahrscheinlich im 2. Quartal 2023 bekannt geben. Der Produktionsbeginn könnte 18 Monate später erfolgen. Die Regierung begründet die umstrittene Ausschreibungsrunde mit dem Ziel der Energieunabhängigkeit und betont, dass die Inlandsförderung unter dem Strich weniger Emissionen verursache als der Import von im Ausland gefördertem Öl und Gas.

Trotzdem hat die britische Erdöl- und Gasförderung ihren Produktionshöhepunkt vor Jahrzehnten überschritten. Lag sie 2000 noch bei rund 1,7 Milliarden Barrel-Öl-Äquivalenten (boe), ist sie seitdem auf nur noch 500 Millionen boe im Jahr 2022 gefallen. Ein Großteil der Investitionen im Upstream-Geschäft fließt deshalb nicht mehr in die Erschließung neuer Felder, sondern vielmehr in die Stilllegung alter Anlagen. Dort lauert nach Angaben des Branchensprachrohrs Offshore Energies UK (OEUK) ein milliardenschweres Geschäft. Die jährlichen Investitionen werden von aktuell 1,4 Milliarden auf rund 2,9 Milliarden Euro steigen. Die Projektdatenbank Energy Pathfinder listet derzeit 324 Erdöl- und Erdgasfelder auf, die stillgelegt werden sollen, einschließlich der Kontaktdaten der Projektverantwortlichen.

Dekarbonisierung durch CCUS-Cluster und CO₂-Speicher

Auch scheinbar ausgediente Erdöl- und Erdgasfelder bieten Investitionspotenzial. Die britische Regierung setzt in ihrer Strategie zur Dekarbonisierung der Industrie insbesondere auf CO₂-Abscheidetechnologien und die Lagerung von gebundenem CO₂. Dabei wird auf geologische Lagerstätten in der Nordsee und der irischen See abgezielt, die eine Kapazität von etwa 30 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr bieten.

Vier Industriecluster sollen davon profitieren. Zwei emissionsreiche Cluster wurden bereits ausgewählt: das East Coast Cluster um die Flüsse Humber und Teess in Nordostengland sowie das HyNet North West Cluster bei Liverpool. Für beide gibt es staatliche Förderungen für Wasserstoff- und CCUS-Technologien.

Für die CO₂-Speicherung wurden erst sechs Lizenzen vergeben, darunter auch an die "Northern Endurance Partnership (NEP)", ein Konsortium des Gasnetzbetreibers National Grid und der Ölriesen BP, Shell und TotalEnergies. Ihr östlich des Humber gelegener Speicher verfügt über eine Gesamtspeicherkapazität von 450 Millionen Tonnen und soll dem East Coast Cluster dienen. Die North Sea Transition Authority geht aber von einem Bedarf von insgesamt rund 100 weiteren CO₂-Speichern aus. Deshalb gab es im Herbst 2022 eine Ausschreibungsrunde für weitere Projekte. Es wurden 26 Angebote eingereicht und die Ergebnisse werden im 1. Halbjahr 2023 bekannt gegeben.

SPE Offshore Europe

Vom 5. bis 8. September 2023 findet im schottischen Aberdeen, dem Zentrum der britischen Erdöl- und Erdgasindustrie, die SPE Offshore Europe statt. Deutsche Unternehmen können ihre Sichtbarkeit auf der Messe und Konferenz über den Gemeinschaftsstand des Bundes erhöhen.

Sondersteuer hemmt Investitionen

Trotz der guten Marktchancen warnt OEUK vor den Risiken der Sondersteuer "Energy (Oil and Gas) Profits Levy", die im Zuge der Energiepreiskrise im Sommer 2022 eingeführt wurde und die Gewinnbesteuerung für Öl- und Gasunternehmen bis 2028 auf 75 Prozent erhöht. Rund 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen fahren deshalb ihre Investitionen zurück, wie die OEUK in ihrem Business Outlook Report 2023 berichtet. Der französische Mineralölkonzern TotalEnergies hat bereits bekannt gegeben, seine Investitionspläne 2023 um 25 Prozent beziehungsweise 100 Millionen Pfund zu kürzen. Die Branchenriesen Shell und Equinor überprüfen ihre Vorhaben zurzeit. Damit wächst der Druck auf die britische Regierung. Sie muss nun auch die traditionelle Offshore-Industrie ins Boot holen, um die britische Energiesicherheit zu gewährleisten.

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