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Branchen | Irak | Öl- und Gasförderung

Irak lockt mit Rekordzahl an Öl- und Gasprojekten

In Iraks Öl- und Gasbranche fließen Milliardeninvestitionen. Doch manchen westlichen Konzernen ist die Unsicherheit zu hoch, deutsche Firmen sind kaum präsent. Chinas Einfluss wächst.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Die Projektpipeline in der irakischen Öl- und Gasindustrie ist so voll wie noch nie. Nach Angaben des Dateninformationsdiensts MEED waren Anfang Mai 2025 Öl-, Gas- und Chemieprojekte im Wert von 152 Milliarden US-Dollar (US$) in Planung oder Ausführung. Das waren 16 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Bereits in Ausführung befanden sich wertmäßig 61 Prozent aller Vorhaben. 

Unsicherheit bremst manche Vorhaben

Erdölprojekte führten mit einem Wert von 97 Milliarden US$ die Liste an, gefolgt von Gasprojekten mit 39 Milliarden US$ und Chemieprojekten mit 16 Milliarden US$. Ölfirmen wollen in Irak mehr produzieren, allerdings kommt es häufig vor, dass Projekte versanden. Ein Hauptgrund dafür ist die Unsicherheit im Land: So verließ Exxon 2024 Irak und übergab seine Anteile an einem der weltgrößten Ölfelder, West Qurna 1, an Petro China. Shell hatte ebenfalls 2024 den 11 Milliarden US$ teuren Plan des neuen Petrochemiekomplexes Nebras in Basra fallengelassen. 

Im März 2025 jedoch schloss BP einen Vertrag zur Erschließung mehrerer Ölfelder in Kirkuk. Laut Presseberichten sollen in dem nordirakischen Gebiet insgesamt bis zu 25 Milliarden US$ in Öl-, Gas-, Wasser- und Stromprojekte fließen. Die Kapazität der Ölproduktion soll dort bis 2028 um die Hälfte auf 450.000 Barrel pro Tag (bpd) steigen. Vor 20 Jahren waren dort allerdings schon einmal rund 700.000 bpd aus der Erde gesprudelt. 

Zudem gibt es seit 2023 rasche Fortschritte und in jüngerer Zeit große Projektvergaben beim Gas Growth Integrated Project (GGIP): Das GGIP wird auf insgesamt 27 Milliarden US$ und für eine erste Phase auf 10 Milliarden US$ geschätzt. Es soll laut Teilhaber TotalEnergies (Anteil: 30 Prozent) bis 2027 in Betrieb gehen. Bereits vor Mitte 2026 soll das andernorts gelegene Gasfeld Akkas in Produktion gehen, das die irakische Staatsfirma Midland Oil gerade erschließt.

 

Iraks Öl- und Gasindustrie: Größte Projekte 1) 2)in Milliarden US-Dollar
ProjektBeteiligte Firmen / Organisationen

Wert (Mrd. US$)

Strategic Crude Oil Export PipelineMinistry of Oil

32,2

Gas Growth Integrated Project (GGIP)TotalEnergies / QatarEnergy / National Oil Company / Basra Oil

27,0

Zubair Oil Field DevelopmentENI / KOGAS / Maysan Oil Company / South Oil Company (SOC)

14,0

Al Faw Investment Refinery ProjectSouth Refineries Company

14,0

West Qurna Oil Field DevelopmentLukoil / SOC

12,8

Basra Refinery UpgradeSouth Refineries Company

12,0

Al Nasiriya Integrated Oil Field and Refinery Development ProjectIraqi Government

12,0

West Qurna-2 Oil Field DevelopmentLukoil / SOC

10,5

Halfaya Project Surface Facility (oil field development)TotalEnergies / Petronas / CPECC / SOC

10,0

1 übergeordnete Projekte (parent megaprojects); 2 alle Projekte teilweise in Durchführung, außer Strategic Crude Oil Export Pipeline (Auswertung der Angebote).Quelle: MEED Projects, Juni 2025

Irak fördert bislang relativ wenig Erdgas. Zudem wird ein Drittel davon bei der Ölförderung als "Flare Gas" abgefackelt. Deshalb ist Irak auf Importe aus Iran angewiesen. Als das Nachbarland Anfang 2024 wegen Wartungsarbeiten kaum noch Gas lieferte, musste Irak seine Stromerzeugung um 4.000 Megawatt reduzieren, ein Siebtel der Spitzenproduktion. Seit 2024 gibt es ein Abkommen mit Turkmenistan zum Gasbezug über eine Pipeline, die noch gebaut werden soll. 

Deutsche Firmen wenig vertreten

Siemens Energy arbeitet an Projekten zur Stromversorgung in Irak und unterzeichnete im März 2024 nach Presseangaben eine Absichtserklärung zu Flare Gas: Das Gas soll in einem Kraftwerk bis zu 2.000 Megawatt Strom erzeugen. Darüber hinaus jedoch liegen kaum Informationen über Geschäfte deutscher Unternehmen mit dem irakischen Öl- und Gassektor vor, auch nicht mit der damit verbundenen Wasser- und Stromversorgung oder anderen Infrastruktursegmenten.

Bei Unternehmen mit Hauptsitz in China sieht das einer Analyse von MEED zufolge anders aus. Sie sicherten sich in den ersten acht Monaten 2024 über 95 Prozent aller größeren Projekte im irakischen Öl-, Gas-, Chemie- und Stromsektor. Als einziges großes Projekt mit nichtchinesischer Beteiligung ging das Gaskraftwerk Baiji 2 (1,2 Milliarden US$) an ein Konsortium mit Siemens Energy.

Nach dem Rückzug mancher westlicher Konzerne angesichts der Risiken werden chinesische Firmen aktiver. Etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Ölproduktion erfolgen nun in Feldern mit maßgeblicher chinesischer Beteiligung, schrieb das Netherlands Institute of International Relations Anfang 2025. Bei der Exploration gingen laut Presseberichten sieben von zehn der im Frühjahr 2024 vergebenen Lizenzen nach China. 

Förderung soll steigen

Iraks Regierung will die Erdölförderung von bislang rund 4 Millionen bpd bis 2028 auf 6 Millionen bpd steigern. Das Land ist schon heute innerhalb der Organisation ölexportierender Länder OPEC der zweitgrößte Produzent nach Saudi-Arabien. Es steht unter Kürzungsdruck der OPEC, bekam zuletzt aber mit aktuell 4,1 Millionen bpd eine höhere Quote zugestanden.

Für die Produktion von Erdgas, das längerfristig auch in den Export gehen soll, prognostizierte der Branchenanalyst Wood Mackenzie Anfang 2024 bis 2030 eine "Verdopplung" auf 4,4 Milliarden Kubikfuß pro Tag (cft/d). Die Daten sind uneinheitlich: Die US-Energieagentur IEA bezifferte Iraks Erdgasförderung für 2023 mit umgerechnet rund 1 Milliarde cft/d, etwas mehr als in den beiden Jahren zuvor. Ende 2024 betrug die Produktion laut dem irakischen Vize-Gasminister bereits 3,1 Milliarden cft/d. Davon jedoch wurde gut 1 Milliarde cft/d aber als Flare Gas abgefackelt. 

Der Schwerpunkt der irakischen Ölförderung liegt im Süden des Landes. Das Öl aus den nördlichen Feldern um Kirkuk wurde bislang hauptsächlich über eine Pipeline in die Türkei exportiert. Diese Leitung ist jedoch seit einem internationalen Schiedsspruch im März 2023 außer Betrieb. Hintergrund sind Differenzen zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der autonomen Region Kurdistan. Die Regionalregierung in Erbil sieht die Ölfelder bei Kirkuk als umstrittenes Territorium an. Sie fordert deshalb auch ihre Einbeziehung in den kürzlich geschlossenen Megavertrag der Zentralregierung mit BP zur Entwicklung der Ölfelder.

Die Pipeline ins türkische Ceyhan umgeht Syrien und transportierte vor ihrer Schließung rund 450.000 bpd. Ihre Kapazität beträgt 1,6 Millionen bpd. Ein Teil des Öls gelangt nun über Lkw in die Nachbarländer. Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien gibt es außerdem Überlegungen, die über 70 Jahre alte Pipeline von Kirkuk zum syrischen Mittelmeerort Baniyas instand zu setzen. Die Kosten dafür werden auf über 8 Milliarden US$ geschätzt.

Die irakische Ölförderung erfolgt größtenteils im Rahmen technischer Dienstleistungsverträge: Der Staat behält das Eigentum über die Felder und vermarket das Öl. Die Betreiber erhalten eine Fördergebühr. In den kurdisch kontrollierten Gebieten im Norden sind "Production Sharing Contracts" üblich. Dabei erhalten die Ölgesellschaften einen Teil der Einnahmen aus den Ölverkäufen. 

Kontakte
InstitutionErläuterung
Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer / Deutsches Wirtschaftsbüro Irak/ Für Irak zuständige Auslandshandelskammer
Abu Dhabi International Petroleum Exhibition & ConferenceBranchenmesse; 3.-6.11.25

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