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Briten investieren Milliarden in ihre Kriegsbereitschaft
Der britische Premierminister Keir Starmer schwört das Vereinigte Königreich auf "Kriegsbereitschaft" ein. Die neue Verteidigungsstrategie löst Milliardeninvestitionen aus.
04.06.2025
Von Marc Lehnfeld | London
Das Vereinigte Königreich rüstet auf. Die Veröffentlichung des lange erwarteten Strategic Defense Review zeigt den Aufholbedarf der britischen Streitkräfte. Mit der neuen Verteidigungsstrategie werden nicht nur Milliarden in das Militär investiert. Gleichzeitig soll die Kriegsbereitschaft der Truppe hergestellt werden, um das Königreich und seine NATO-Partner zu verteidigen.
Welche Investitionen planen die britischen Streitkräfte? Zu den Maßnahmen gehören:
- "New Hybrid Navy": Die Königliche Marine beschafft zwölf neue Atom-U-Boote aus dem SSN-AUKUS-Programm. Das Dreadnought-Programm zur Erneuerung der U-Boot-Flotte atomaren Abschreckung wird mit weiteren 17 Milliarden Euro ausgestattet. Außerdem werden autonome Schiffe entwickelt.
- Munition: Umgerechnet knapp 7 Milliarden Euro werden für neue Munition und sechs neue Munitionsfabriken ausgegeben.
- Kasernen: Über 8 Milliarden Euro fließen in neue Unterkünfte.
- Kampfflugzeuge: Die Royal Air Force (RAF) erhält weitere F-35-Kampflugzeuge und neue Flugzeuge aus dem Global Combat Air Programme (GCAP).
- Digitalisierung: Die britischen Streitkräfte stärken die digitale Integration (Digital Targeting Web) und bauen ihre Cyberabwehr aus.
Schon im Februar 2025 hatte Starmer angekündigt, den Anteil der Verteidigungsausgaben an der Wirtschaftsleistung von aktuell 2,3 Prozent bis zum Beginn des Haushaltsjahres 2027/2028 auf 2,5 Prozent anzuheben und in der nächsten Legislaturperiode 3 Prozent zu erreichen, trotz der hohen Staatsschulden. Bereits jetzt ist das Vereinigte Königsreich nach den USA und Deutschland das Land mit den höchsten Verteidigungsausgaben in der NATO. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Umsatz der Verteidigungsindustrie um rund ein Drittel auf umgerechnet rund 32 Milliarden Euro. Die Branche beschäftigt etwa 164.000 Personen. Das geht aus jüngsten Zahlen des Verbandes der britischen Rüstungsindustrie ADS Group hervor.
Strategische Verteidigungspartnerschaften mit der EU und Deutschland
Die britische Verteidigungspolitik setzt auf eine enge Verteidigungspartnerschaft über die NATO hinaus. Beim UK-EU-Gipfel am 19. Mai 2025 wurden nicht nur eine handelspolitische Wiederannäherung vereinbart. Im Abschlusspapier wurde auch eine weitreichende Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft vereinbart. Damit sichert sich die britische Regierung auch ihre Beteiligung am 150 Milliarden Euro schweren Kreditpaket "Security Action for Europe" (SAFE) der EU. Die Kooperationsfelder wurden sehr weit definiert: So geht es nicht nur um eine allgemeine Verteidigungskooperation, sondern um konkrete Themen wie die maritime Sicherheit, Cybersicherheit, die Mobilität von Material und Personal sowie Initiativen in der Verteidigungsindustrie.
Wie stark beide Seiten von einer Verteidigungspartnerschaft profitieren können, zeigt das deutsch-britische Trinity House Abkommen, in dem bereits im Oktober 2024 eine Kooperation vereinbart worden ist. Hier stehen die Zusammenarbeit bei der Aufrüstung der Streitkräfte, die Verbesserung der Interoperabilität, die Stärkung der europäischen Luft- und Raketenabwehr durch die Entwicklung von Präzisionsschlagfähigkeiten (Deep Precision Strike, DPS) und die Verzahnung der Rüstungsindustrien im Fokus.
Für die Industriekooperation zielt das Trinity House Abkommen auf die "Unterstützung von Hauptauftragnehmern beim Ausbau von Produktionsanlagen im jeweils anderen Land" ab. Hier steht der weitere Ausbau der Zusammenarbeit mit dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall im Fokus. Rheinmetall wird für das britische Verteidigungsministerium künftig auch Geschützrohre und Artilleriemunition herstellen. Das Unternehmen ist bereits ein wichtiger Akteur bei der Modernisierung der britischen Streitkräfte. Es produziert mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems im Joint Venture Rheinmetall BAE Systems Land (RBSL) über 600 Transportpanzer der Reihe "Boxer" und modernisiert 148 Panzer der britischen Challenger 2-Serie auf den Challenger 3-Standard.
Rüstungsindustrie profitiert von Kooperation bei Beschaffungsprojekten
Beim Treffen der Verteidigungsminister des Vereinigten Königreiches und Deutschlands am 15. Mai 2025 in Berlin wurden gemeinsame Beschaffungs- und Kooperationsprojekte definiert. Die beiden Länder werden bei der Entwicklung von DPS-Distanzwaffen mit einer Reichweite von über 2.000 Kilometern im europäischen ELSA-Programm (European Long Range Strike Approach) federführend sein. Eine gemeinsame Beschaffung ist für Stingray Torpedos bei den Marinestreitkräften geplant. BAE Systems entwickelt ein Upgrade des Torpedomodells.
Außerdem erwirbt das Bundesverteidigungsministerium mobile Brückensysteme über einen britischen Rahmenvertrag. Die Brücken werden vom Rüstungskonzern KNDS UK in Stockport gefertigt, nachdem das Unternehmen im Januar 2024 einen Auftrag im Wert von umgerechnet rund 172 Millionen Euro für militärische Brücken im TYRO-Programm des britischen Verteidigungsministeriums erhalten hat. Auch der Transportpanzer Boxer von Rheinmetall soll gemeinsam weiterentwickelt werden.
Für deutsche Unternehmen bieten gemeinsame Beschaffungsprojekte Geschäftschancen für die Rüstungsindustrie. Auch die starke Präsenz und Auftragslage deutscher Firmen auf der britischen Insel ermöglicht Zulieferern Expansionschancen. Ansprechpartner für deutsche Unternehmen, die sich für den britischen Rüstungsmarkt interessieren, sind der Branchenverband ADS Group und die Defence-Sparte des Industrieverbands Make UK.
Veranstaltungshinweis
Vom 9. bis 12. September 2025 findet in London die DSEI UK, die Defence & Security Equipment International, internationale Fachmesse für Verteidigungs- und Sicherheitsausrüstung, statt. Der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) ist mit einem Gemeinschaftsstand vertreten, Bayern International mit einer Industriedelegation und einem Stand.
Nächster Schritt: Neuausrichtung der Verteidigungsindustrie
Nach dem Strategic Defence Review erwartet die Industrie noch in diesem Sommer die Veröffentlichung der Industrial Defence Strategy. Sie wird die strategische Partnerschaft der Verteidigungsindustrie mit den Streitkräften forcieren. Zu erwarten ist, dass das Verteidigungsministerium seine Beschaffung beschleunigt und die Integration und Effizient der Lieferketten stärkt. Mittelständler und Start-ups sollen stärker an den Projekten beteiligt werden.
Unternehmen | Verteidigungsumsatz | Veränderung ggü. der Vorjahreszeit 2023/2022 |
---|---|---|
BAE Systems | 25,5 | 9,2 |
Rolls Royce | 4,7 | 2,6 |
Babcock International | 3,4 | 18,0 |
Serco | 2,1 | 23,1 |
QinetiQ Plc | 1,9 | 7,7 |
Melrose Industries | 1,2 | -9,5 |