Wirtschaftsausblick | Vereinigtes Königreich
Haushaltsrede ohne Wachstumsimpulse für 2026
Die britische Finanzministerin will den Staatshaushalt über Steuererhöhungen sanieren. Sie sollen aber erst im Wahljahr 2029 kommen, was für politischen Sprengstoff sorgen wird.
09.12.2025
Von Marc Lehnfeld | London
Top-Thema: Haushaltssanierung ja, Wachstumsimpulse nein
In ihrer Haushaltsrede am 26. November 2025 sprach Finanzministerin Rachel Reeves die schwierigen Rahmenbedingungen des britischen Haushalts klar an: die hohe Staatsverschuldung, erhöhte Staatsanleiherenditen und eine hohe Steuerquote. Schon vor der Regierungsübernahme 2024 hatte die Labour Party versprochen, den Haushalt zu sanieren und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Doch die Realität zeigte sich anspruchsvoller als gedacht. Mit ihren jetzt dargelegten Plänen konnte die Ministerin die Finanzmärkte zumindest vorerst beruhigen.
Reeves plant mehrere Maßnahmen. Als stärksten Hebel will sie die Schwellenwerte bei der Einkommensteuer einfrieren und so die Steuereinnahmen um umgerechnet rund 29 Milliarden Euro anheben. Fixierte Progressionsstufen bei nominal steigenden Löhnen führen zur "kalten Progression" – einer De-facto-Steuererhöhung. Das Einfrieren der Schwellenwerte soll allerdings erst 2029 greifen. Die Steuerlast würde damit im Haushaltsjahr 2029/2030 auf ein Rekordhoch von etwa 38 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen und fiskalischen Spielraum von rund 25 Milliarden Euro schaffen.
Alle anderen Maßnahmen sieht Reeves schon ab 2026 vor: schrittweises Abschaffen der Zwei-Kind-Begrenzung bei Sozialleistungen, verbesserte Abschreibungen und mehr Mittel für Ausbildung, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos, zusätzliche Kaufprämien und eine neue Kfz-Steuer auf E-Autos.
Finanzministerin verschiebt Probleme auf später
Und darin liegt die Brisanz des Vorhabens. Der Großteil der Mehreinnahmen soll erst ab 2029 generiert werden, dem Jahr der nächsten Parlamentswahl. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Oxford Economics zweifelt deshalb an der politischen Durchsetzbarkeit. Zudem hält es die angenommenen Wachstumsprognosen für zu optimistisch und warnt vor einer erneuten Vertrauenskrise der Finanzmärkte. Das britische Institute for Fiscal Studies spricht von einem "Buy now, pay later"-Budget.
Den Wirtschaftsverbänden fehlen Wachstumsimpulse. Der Herstellerverband Make UK sieht "zwei Schritte vor, einen zurück" – den Maßnahmen stünden höhere Lohnkosten und strengere Regeln für Gehaltsumwandlungen gegenüber. Der Automobilverband SMMT begrüßt den weiteren Ausbau der Elektromobilität, kritisiert jedoch die neue Kfz-Steuer auf E-Autos. Die British Chambers of Commerce loben neue Investitionsanreize und den Verzicht auf breite Steuererhöhungen, bemängeln aber steigende Kosten, gekürzte Förderprogramme und ein fehlendes Wachstumskonzept.
Wirtschaftsentwicklung: Zweitstärkstes Wachstum der G7
Im Jahr 2025 wächst die britische Wirtschaft noch dynamisch. Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds steigt das britische BIP in diesem Jahr um 1,3 Prozent und erreicht damit das zweithöchste Wirtschaftswachstum der G7-Staaten nach den USA mit 2,0 Prozent.
Das Bild wird sich aber 2026 laut Oxford Economics eintrüben. Das Wirtschaftsinstitut prognostiziert eine Wachstumsverlangsamung zwischen 2025 und 2026 von 0,9 auf 1,4 Prozent. Obwohl die Bank of England den Leitzins konjunkturstützend bis Ende 2026 voraussichtlich auf 3,25 Prozent senken wird, bremsen vor allem geringe Investitionen die Wachstumsdynamik.
Konjunktureller Treiber ist nur noch der Staatskonsum: Der steigt zwar dank hoher Steuerquote 2026 noch um 1,6 Prozent, verliert aber im Vergleich zu den Vorjahren an Dynamik. Denn auch die Bruttoanlageinvestitionen stagnieren angesichts einer wenig optimistischen britischen Industrie.
Expandierende Branchen sind vor allem der Energiesektor und mit Anhebung der Verteidigungsausgaben auch die Rüstungsindustrie. Auch die Wertschöpfung der Bauwirtschaft soll 2026 laut Construction Products Association um 2,8 Prozent zulegen, insbesondere durch den Bau von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden.
Der Privatkonsum zieht laut Oxford Economics 2026 im Vergleich zum Vorjahr zaghaft an. Zwar sinkt die Inflation weiter auf jahresdurchschnittlich 2,8 Prozent, die Kauflaune der Haushalte bleibt jedoch angesichts leicht steigender Arbeitslosigkeit verhalten: Die Sparquote von fast elf Prozent lag zuletzt nur in der Coronakrise höher. Aber auch davon profitieren Unternehmen – vor allem die deutschen Lebensmitteldiscounter Aldi und Lidl expandieren weiter.
Deutsche Perspektive: Bilateraler Handel steigt weiter
Trotz anspruchsvollen Wirtschaftsumfelds bleibt der britische Markt für deutsche Firmen wichtig. Laut Umfrage der AHK Vereinigtes Königreich im Herbst 2025 bewerten 39 Prozent der befragten Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich als positiv, 40 Prozent als stabil. 14 Prozent erwarten nächstes Jahr einen Aufschwung der britischen Wirtschaft, 42 Prozent jedoch einen negativen Trend.
Langfristig überwiegt aber Zuversicht. Laut einer Umfrage der britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG) vom Oktober 2025 plant ein Drittel der deutschen Unternehmen Investitionen von über 5 Millionen Euro bis 2030. Zukunftsfelder sind Digitalisierung, Verteidigung, Life Sciences und Clean Energy, wie auch aktuelle Großinvestitionen zeigen: Das Biotechnologieunternehmen BioNTech steckt bis zu 1,2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung innovativer Medikamente. Der Energieversorger MVV Energie baut eine 575 Millionen Euro teure Müllverbrennungsanlage in Wisbech, Rheinmetall für rund 460 Millionen Euro ein Werk zur Artillerierohrproduktion in Telford.
Der deutsch-britische Handel entwickelt sich trotz US-Zollpolitik und schwieriger Wirtschaftslage in beiden Ländern robust. Das Handelsvolumen ist zwischen Januar und August 2025 im Vergleich zur Vorjahresperiode zwar nur um 0,9 Prozent gewachsen, allerdings gebremst durch Preisschwankungen bei Gold und Erdöl. Von diesen Effekten bereinigt ist der gemeinsame Warenhandel um 5,0 Prozent gestiegen. Bei den deutschen Exporten ins Vereinigte Königreich legten vor allem Luftfahrzeugteile (+36 Prozent), Pkw (+16 Prozent) und Elektronik (+11 Prozent) zu.
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