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Zollbericht Vereinigtes Königreich Brexit

Einigung über Nordirland-Protokoll vereinfacht den Warenverkehr

EU und Vereinigtes Königreich einigen sich auf neue Regelungen für den Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritannien. Besonders der Handel mit Lebensmitteln wird einfacher.

Von Stefanie Eich | Bonn

Kernstück der Einigung ist die Einführung von sogenannten grünen und roten Spuren (green and red lanes). Die Nutzung hängt vom Bestimmungsort der Waren ab:

  • Waren, die in Nordirland bleiben, können die sogenannte green lane nutzen.
    Die Datenanforderungen sind im Vergleich zu einer vollständigen Zollanmeldung deutlich reduziert: Statt über 80 sind lediglich 21 Datenelemente notwendig. Die Informationen betreffen vor allem die Ware (Warenbeschreibung, Gewicht, Wert) und die Beförderung beziehungsweise das Transportmittel.
  • Lieferungen, die für Irland oder für einen anderen EU-Mitgliedsstaat bestimmt sind, werden weiterhin zollrechtlich behandelt. Eine Zollanmeldung ist notwendig.

Unternehmen sind verpflichtet, den Bestimmungsort der von ihnen transportierten Waren vorab anzugeben. Dies erfolgt über eine digitale Datenbank. EU-Behörden erhalten Zugriff auf die relevanten Daten.

Vereinfachungen sind abhängig von Vertrauenswürdigkeit und Warenkategorie

Die Einigung baut auf dem bestehenden UK Trader Scheme auf und behält die Unterscheidung zwischen zwei Warenkategorien bei: Waren, für die ein Risiko besteht, dass sie in den Binnenmarkt gelangen (at risk goods) und solchen, die in Nordirland verbleiben (not at risk goods). 

Die Nutzung der green lanes erfolgt im Rahmen eines Systems für vertrauenswürdige Händler (trusted trader scheme). Wirtschaftsbeteiligte müssen sich bei der zuständigen britischen Behörde registrieren und bestimmte Bedingungen erfüllen, beispielsweise finanzielle Zuverlässigkeit nachweisen. Zudem müssen sie eine detaillierte Auflistung ihrer Waren, die regelmäßig nach Nordirland versandt werden, vorlegen und die Nachverfolgbarkeit sicherstellen.

Die Vereinfachungen gelten nur für bestimmte Waren (not at riks goods):

  • Konsumgüter, die für den nordirischen Markt bestimmt sind,
  • Waren zur Weiterverarbeitung, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Die Waren sind für einzelne Sektoren bestimmt (Einzelhandel, Bau, Gesundheit, Tierfutter) oder das weiterverarbeitende Unternehmen hat einen Umsatz, der unter einer bestimmten Schwelle liegt.

Paketdienstleister und Online-Händler können ebenfalls von den Vereinfachungen profitieren:

  • Für Business-to-Business (B2B) Sendungen kann das Trusted Trader Scheme genutzt werden.
  • Sendungen an Endverbraucher (Business-to-Consumer, B2C) von Großbritannien nach Nordirland können von zugelassenen Dienstleistern (authorised carriers) mit einem vereinfachten Zollprozess abgefertigt werden.

Auch in die andere Richtung gibt es Vereinfachungen: Für Waren aus Nordirland, die nach Großbritannien ausgeführt werden, sind keine Ausfuhranmeldungen mehr notwendig.

Keine Änderungen im Warenverkehr EU-Nordirland

Alle Vereinfachungen gelten für den Warenverkehr von Großbritannien (England, Schottland, Wales) nach Nordirland.

Im Warenverkehr von Deutschland/der EU nach Nordirland ändert sich nichts. Lieferungen werden weiterhin als intra-EU-Handel gesehen und bleiben somit innergemeinschaftliche Lieferungen.



Vereinfachungen für Lebensmittel

Eine besonders hohe Hürde im Warenverkehr stellten bisher die Einfuhrbestimmungen für Lebensmittel dar. Auch hier gibt es Änderungen: Für Waren, die in Nordirland bleiben, werden die Anforderungen deutlich reduziert. Zum einen gibt es weniger Kontrollen, zum anderen sind keine Gesundheitszeugnisse für jede einzelne Sendung mehr notwendig. Britische Lieferanten können stattdessen mit einem einzigen Dokument für eine Sammellieferung erklären, dass alle Waren für den nordirischen Markt bestimmt sind. Einzelhändler müssen Waren entsprechend kennzeichnen. Für diese Kennzeichnungspflicht mit dem Zusatz "not for EU“ gilt eine Übergangsphase.

Gekühlte Fleischerzeugnisse und rohe Würstchen können ebenfalls aus Großbritannien nach Nordirland eingeführt werden. Die Einfuhr gekühlter Fleischerzeugnisse in die EU aus Drittländern ist verboten. Diese Bestimmung sollte ursprünglich auch für Einfuhren nach Nordirland gelten. Die Einigung verstetigt die bisherigen Ausnahmeregelungen.

Die Umsetzung erfolgt stufenweise

Für die Einführung der neuen Maßnahmen gibt es noch keine festen Startdaten, sondern nur einen ungefähren Zeitplan:

Ab September 2023 soll das Trusted Trader Scheme starten. Voraussetzung ist, dass die zuständigen EU-Behörden Zugriff auf die britischen IT-Systeme und Datenbanken erhalten und die britischen Behörden den Unternehmen die Bewilligungen für das Trusted Trader Scheme erteilt haben.

Ein Jahr später, ab September 2024, soll das System der authorised carriers für B2C-Sendungen umgesetzt werden.

Die Kennzeichnungspflicht mit dem Label "not for EU“ wird ebenfalls stufenweise umgesetzt: Ab 1. Juli 2025 müssen Lebensmittel für den Einzelhandel das neue Label tragen. Bis dahin verringern die britischen Zollbehörden die Kontrolldichte sukzessive von zehn auf fünf Prozent.

Bei der Einigung handelt es sich um eine politische Vereinbarung. Die  Umsetzung erfolgt auf Seiten der EU mittels verschiedener Verordnungen, denen das Europäische Parlament und der Rat zustimmen müssen. 

Bis dahin bleiben die aktuellen Regelungen bestehen.

Für Arzneimittel gibt es ebenfalls eine Lösung

Ein weiterer Streitpunkt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich war die Verfügbarkeit von Medikamenten. Hier galten bisher die Bestimmungen des EU-Binnenmarktes, sodass es für Einfuhren aus Großbritannien höhere Hürden gab. Die Einigung sieht ein duales Regulierungsregime vor, sodass in Großbritannien zugelassene Arzneimittel auch in Nordirland in Verkehr gebracht werden dürfen. Zusätzlich gilt eine Kennzeichnungspflicht mit dem Label "UK only".

Zum Hintergrund

Das Nordirland-Protokoll ist Teil des Austrittsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Ziel des Protokolls ist es, eine Zollgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden. So ist eine Zollgrenze zwischen Großbritannien und Nordirland entstanden, die im Alltag für britische Unternehmen zu höherem Bürokratieaufwand geführt hat.

Die Einigung, der sogenannte Windsor Framework, ergänzt das bestehende Protokoll. Neben Fragen der Zollgrenze enthält sie weitere Bestimmungen zu bisher strittigen Themen wie Mehrwertsteuer oder der Rolle des Europäischen Gerichtshofs

Weiterführende Informationen:

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