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Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung
Der Wohnungs-, Büro- und Hotelbau kommt langsam aus einer tiefen Krise. Neue Fabriken und Gewerbegebiete treiben den Industriebau an.
03.06.2024
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Der Hochbau in Vietnam erfolgt zu etwa 90 Prozent als Selbstbau oder durch informelle Bau- und Handwerksbrigaden. Die Auftragnehmer sind hier vielfach Architekten, Planer und Bauleiter in Personalunion. Sie suchen sich für individuelle (meist private Wohnbau-) Vorhaben Bautrupps zusammen, die von Projekt zu Projekt gehen. Dieser Teil des Hochbaus hängt stark von der Konjunkturentwicklung und den Auslandsüberweisungen der vietnamesischen Diaspora ab. Diese sind nach Weltbankschätzungen von einem Rekordwert von 19 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2022 auf 14 Milliarden US$ im Jahr 2023 gesunken. Sie machten damit aber immer noch 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.
Wohnungsbau kommt langsam aus der Krise
Der kommerzielle Wohnungsbau durch große Bauentwickler ist vor allem auf Investoren ausgerichtet und dient noch vergleichsweise wenig der Eigennutzung. Vor der Coronapandemie hatte sich der Wohnungsbau sehr kräftig entwickelt. Viele Entwicklerfirmen nahmen Schulden auf, um das schnelle Wachstum zu finanzieren. Mit der Coronakrise kamen zahlreiche Projekte zum Stillstand. Viele Firmen legten Anleihen auf, um nicht zahlungsunfähig zu werden.
Im Nachkrisenjahr 2022 hatten steigende Zinsen und Baumaterialkosten die Finanzlage der Firmen weiter verschlechtert, während Skandale bei großen Entwicklerfirmen viele Unregelmäßigkeiten aufdeckten. Laut Bauministerium (Ministry of Construction) sind sowohl die Anzahl der Baugenehmigungen als auch die der fertiggestellten Wohnungen seit 2020 stark gesunken. Seit 2023 gibt es aber Anzeichen für eine Erholung.
2020 | 2021 | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 | |
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Anzahl der Baugenehmigungen (Wohnungen) | 232.559 | 97.737 | 55.732 | 24.993 | -55,2 |
Anzahl fertiggestellter Wohnungen | 57.146 | 22.321 | 18.206 | 29.612 | 76,5 |
Anzahl im Bau befindlicher Wohnungen | 197.934 | 271.566 | 228.029 | 402.570 | 62,6 |
Nach Daten des Bauministeriums wurden vor allem im 2. Halbjahr 2023 wieder deutlich mehr Wohnungen fertiggestellt. Auch wurde der Bau vieler Projekte wieder aufgenommen, wie die Daten zu den im Bau befindlichen Wohnungen zeigen.
Die Regierung will den Wohnungsbau in Gang bringen. Sie hatte Städte und Kommunen 2023 angewiesen, Listen mit Immobilienprojekten und deren Umsetzungsschwierigkeiten zu erstellen und diese aktiv anzugehen. Änderungen an etlichen Gesetzen, die den Bausektor betreffen, sollen die Umsetzung von Projekten beschleunigen.
Anfang 2025 wird in Vietnam ein neues Landgesetz in Kraft treten. Zum einen soll es die Enteignung von Baugrundstücken und Entschädigungen beschleunigen. Zum anderen soll es Auslandsvietnamesen aus der 1,6-Millionen-starken Diaspora erlauben, auch ohne Staatsangehörigkeit Wohnungen in Vietnam zu kaufen. Das könnte die Nachfrage nach hochwertigen Wohnungen antreiben. Die Erholung wird 2024 aber erst langsam Fahrt aufnehmen, da viele der Gesetzesänderungen noch umgesetzt werden müssen.
Hotel- und Bürobau nimmt Projekte wieder auf
Auch Büro- und Hotelbau kommen langsam wieder in Bewegung. Im Hotelbau gibt es viele unfertige Bauten, die in den Boomjahren bis 2019 begonnen worden sind. Zum Teil wurden sie 2023 wieder in Angriff genommen.
Die Erholung im Tourismus hat sich 2023 beschleunigt. Nach 12,6 Millionen internationalen Touristen 2023 peilt die Regierung 2024 mit 20 Millionen wieder mehr Besucher an als im Vorkrisenjahr 2019 (18 Millionen). Viele internationale Hotelgruppen wie Accor, Marriott und Tui Blue weiten ihre Präsenz im Land aus und haben mit lokalen Hotelbesitzern Managementverträge abgeschlossen. Auch der Bau vieler unfertiger Hotels wird wieder aufgenommen.
Noch besser als im Hotelbau ist die Nachfrage im Bürobau, wo ein begrenztes Angebot die Mieten antreibt. Auch hier konnten viele Projekte in den letzten Monaten weitergebaut werden. In Hanoi bilden sich mit dem Stadtgebiet West of Westlake und in Ho-Chi-Minh-Stadt mit dem Stadtviertel Thu Thiem zwei Wachstumspole für Bürotürme und Einkaufszentren heraus.
Sozialbau noch weit vom Ziel entfernt
Angesichts stark steigender Grundstückspreise hatten Immobilienunternehmen in den letzten Jahren vor allem in den Bau hochpreisiger Wohnungen investiert. Hier will die Regierung gegensteuern. Sie hat das Ziel von 450.000 zusätzlichen Sozialwohnungen bis 2025 vorgegeben – bis 2030 sollen es 1 Million sein. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen vergünstigte Kredite, wofür der Staat 5,1 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Bauunternehmen beklagen aber weiterhin langwierige Genehmigungsverfahren und wünschen sich niedrigere Zinsen.
Nach Angaben des Bauministeriums waren bis Ende 2023 immerhin 70 Bauprojekte mit 35.566 Sozialwohnungen abgeschlossen worden. Weitere 127 Vorhaben mit 107.896 Einheiten befanden sich im Bau. Das Ministerium hat für 2024 das Ziel von 135.000 Sozialwohnungen vorgegeben. Entwickler haben aber für das Jahr nur 47.000 angemeldet.
Gute Aussichten für Industriebau
Ausländische Investoren kommen weiter ins Land und bauen Fabriken auf. Der Zustrom an Auslandsinvestitionen erreichte im Jahr 2023 mit 23 Milliarden US$ ein Rekordniveau. Gekoppelt mit einer anhaltenden Ausweitung im E-Commerce, treibt dies auch den Ausbau im Bereich Lager/Logistik an. Ein Großteil der Industriebetriebe siedelt sich in Industrieparks an, die sich nach Aussagen von Parkbetreibern rapide füllen. Nach Daten von Cushman & Wakefield wuchs die angemietete Fläche 2023 landesweit um 5,7 Prozent an.
Vor allem der Zuzug von Firmen aus der Elektronik hält an, mit großen Investitionsvorhaben durch Auftragshersteller von Apple. Im Norden siedeln sich immer mehr chinesische Investoren an, während US-amerikanische und europäische Firmen vielfach in den Süden gehen.
Der Boom beim Bau bezugsfertiger Fabrik- und Lagerhallen (Ready Built Factories/Warehouses) hält an. Im Jahr 2023 wurden vor allem im Norden des Landes neue Objekte eröffnet. Die Beratungsgesellschaft CBRE erwartet, dass 2024 auch der Süden einen starken Zubau erfährt. Die Mieten sind hier deutlich höher als im Norden und die Industrieparks besonders stark ausgelastet.
Baukosten vergleichsweise günstig
Die Baukosten in Vietnam sind im regionalen Vergleich noch relativ günstig. Sie liegen in den städtischen Zentren Vietnams etwas unter dem Niveau anderer asiatischer Metropolen wie Manila oder Bangkok.
Sparten | Ho-Chi-Minh-Stadt | Singapur | Manila | Bangkok |
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Standardwohnungen in Hochhäusern | 653-809 | 1.775-1.920 | 956-1.282 | 701- 857 |
Standardbüros in Hochhäusern | 763-873 | 2.285-2.535 | 875-1.143 | 776-941 |
Einkaufszentren High-End | 713-923 | 2.715-2.970 | 1.017-1.425 | 889-941 |
Einstöckige Fabrikgebäude | 314-391 | 1.085-1.270 | 497-640 | 526-659 |
5-Sterne-Hotels | 1.787-2.120 | 3.730-4.130 | 1.756-3.332 | 1.809-2.113 |