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Bahnbau in Vietnam nimmt Fahrt auf
Vietnam baut seine Infrastruktur aus und will kurzfristig zwei große Bahnprojekte starten. Ausländische Anbieter und einige einheimische Konglomerate sehen Geschäftschancen.
23.07.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Die vietnamesische Regierung will den Bahnausbau im Land beschleunigen und treibt dafür zwei Großvorhaben unter Hochdruck voran. Staatliche Medien sprechen von einer Marktgröße im Bahnausbau von rund 100 Milliarden US-Dollar (US$) bis 2030. Dann sollen neun Strecken im Bau sein.
Hinzu kommt bis 2035 der Bau von neun neuen Metrolinien in Hanoi und sechs in Ho-Chi-Minh-Stadt. Für deutsche Firmen bieten sich gute Geschäftschancen. Siemens hat bereits an mehreren Vorhaben Interesse angemeldet.
Regierung setzt auf Infrastrukturausbau für Wirtschaftswachstum
Der Bau einer neuen Bahnstrecke von Lao Cai an der Grenze zu China zur Hafenstadt Haiphong soll nach dem Willen der Regierung am 19. Dezember 2025 beginnen. Bis Ende 2026 soll mit dem Baustart einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt eines der größten Bahnprojekte weltweit an den Start gehen. Für beide Großvorhaben hat Premierminister Pham Minh Chinh den Start der Enteignungen für den 19. August 2025 angesetzt. Bis 2026 sollen diese finalisiert sein.
Der Zeitplan gilt als sehr ambitioniert, aber die Regierung setzt stark auf den Infrastrukturausbau, um ab 2026 zweistellige Wachstumsraten zu erzielen. Der Bahnbau folgt auf den Ausbau von Autobahnstrecken und Flughäfen.
Projekt | Investitionsvolumen | Planung |
---|---|---|
Hochgeschwindigkeitsstrecke Hanoi – Ho-Chi-Minh-Stadt | 67,0 | Baustart bis Ende 2026; 1.541 Kilometer zweispurig mit Standardspurweite und 23 Passagier- und fünf Güterbahnhöfen; Geschwindigkeit bis zu 350 km/h |
Ho-Chi-Minh-Stadt – Can Tho | 9,8 | Baustart 2027; 175 Kilometer zweispurig |
Lao Cai – Hanoi – Haiphong | 8,4 | Baustart geplant am 19. Dezember 2025; 419 Kilometer zunächst einspurig, nach Bedarf ab 2030 zweispurig; 30 Bahnhöfe |
Hanoi – Ha Long – Cai Lan | 7,7 | Baustart 2027; 131 Kilometer |
Ho-Chi-Minh-Stadt – Long Thanh-Flughafen | 3,4 | Baustart 2027; 42 Kilometer |
Haiphong – Halong – Mong Cai | 7,0 | Baustart nach 2030; 187 Kilometer zweispurig |
Östliche Bahnstrecke zur Umgehung von Hanoi | k. A. | Baustart 2027; 31 Kilometer |
Bien Hoa – Vung Tau | k. A. | Baustart vor 2030; 132 Kilometer zweispurig |
Vung An – Mu Gia | k. A. | Baustart vor 2030; 105 Kilometer einspurig; Anbindung an Laos |
Thap Cham – Da Lat | k. A. | Baustart vor 2030; 84 Kilometer; würde bestehenden Touristenzug verlängern; Spurweite 1 Meter |
Schienenverkehr soll einen größeren Stellenwert einnehmen
Die Strecke von Lao Cai nach Haiphong wird eine alte Strecke ersetzen. Diese stammt aus der französischen Kolonialzeit und hat eine Spurbreite von 1 Meter. Beim Neubau wird das internationale Standardmaß von 1,435 Metern verwendet, um eine nahtlose Integration mit dem chinesischen Netz zu ermöglichen.
Die Verbindung soll zum einen dem Transitverkehr chinesischer Waren über den Tiefseehafen Haiphong dienen, zum anderen auch dem Warenverkehr auf der Schiene im wichtigen Industriekorridor Hanoi – Bac Ninh – Haiphong einen Schub geben. Derzeit spielt der Schienenverkehr nahezu keine Rolle in Vietnam, weder für den Waren- noch für den Personentransport. Beides hat einen Anteil von weniger als 1 Prozent am Transportvolumen.
Die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen der Hauptstadt Hanoi und Ho-Chi-Min-Stadt soll nicht die bestehende Strecke ersetzen, auch wenn diese stark überaltert ist. Die neue Verbindung wird meist einen anderen Verlauf nehmen.
Wichtige Finanzierungsfragen sind noch offen
Eine Reihe von Schlüsselfragen sind noch weitgehend offen. Es ist beispielsweise noch nicht geklärt, wer die Vorhaben mit welchen Mitteln finanzieren wird, wer die Arbeiten durchführt und welche lokale Wertschöpfung erbracht werden soll.
Für die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Hanoi nach Ho-Chi-Minh-Stadt hat die Nationalversammlung im März 2025 den Weg für eine privatwirtschaftliche Finanzierung geebnet. Viel diskutiert wird eine nahverkehrsorientierte Siedlungsentwicklung (Transport Oriented Development). Dabei würden dem Generalunternehmer im Gegenzug für die Finanzierung der Bahninfrastruktur die Grundstücke im Umland neuer Bahnhöfe für Immobilienprojekte überlassen.
Im Falle der Strecke Lao Cai – Haiphong sollen laut Presseberichten chinesische bilaterale Kredite zum Einsatz kommen. Beobachter erwarten, dass die Strecke auch weitgehend von chinesischen Firmen wie CRCC und PowerChina gebaut wird. Beide sind in den letzten Monaten bei der vietnamesischen Regierung vorstellig geworden. Auch die Machbarkeitsstudie für die Strecke bezahlt China, voraussichtlich auch für die Strecken Hanoi – Lang Son und Haiphong – Mong Cai.
Aufgrund von Konflikten um Inselgruppen im südchinesischen Meer zwischen Vietnam und China hoffen europäische Anbieter, dass Vietnam für strategische Auftragsbestandteile wie Kommunikationsausrüstung vor allem auf nicht-chinesische Anbieter zurückgreift.
Vietnamesische Konglomerate wollen in den Bahnbau einsteigen
Die Regierung scheint die Einbeziehung heimischer Großunternehmen zu favorisieren, denn inländische Firmen sollen zu nationalen Champions herangezüchtet werden, etwa durch Großprojekte. So hat das größte einheimische Konglomerat Vingroup Interesse am Bau der Strecke von Hanoi nach Ho-Chi-Minh-Stadt angekündigt und dafür die Firma Vinspeed gegründet. Kurz darauf hat sich auch der Kfz-Teilehersteller Thaco mit einem ähnlichen Finanzierungsvorschlag für den Bau eingebracht. Beide Unternehmen schlagen für die Finanzierung zinsfreie staatliche Kredite vor.
Für die Hochgeschwindigkeitsbahn wird ein ausländischer Anbieter benötigt, denn in Vietnam fehlt dazu das nötige Know-how. Das Gros der ausländischen Anbieter von Hochgeschwindigkeitszugsystemen haben gegenüber der vietnamesischen Regierung ihr Interesse angemeldet, darunter auch Siemens. Vorstandsmitglied Peter Körte hatte dazu Ende Juni 2025 auf dem Weltwirtschaftsforum in Tianjin den vietnamesischen Premier Phan Minh Chin gesprochen.
Regierung will Wertschöpfung ins Land holen
Die inländische Industrie ist überschaubar: In zwei veralteten Fabriken werden außerhalb von Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt Wagons zusammengebaut und repariert. Die Regierung will mehr erreichen. Eine wichtige Rolle bei der Auswahl eines ausländischen Anbieters könnte daher die Bereitschaft spielen, Wertschöpfung in Vietnam anzusiedeln.
Das private Stahlunternehmen Hoa Phat hat Ende Mai 2025 bei der deutschen SMS Gruppe Anlagen für die Produktion von Gleisen in Auftrag gegeben. Hoa Phat baut in Dung Quat für insgesamt 536 Millionen US$ eine Produktionslinie für 700.000 Tonnen im Jahr auf, die im 1. Quartal 2027 in Betrieb gehen soll.
Die vietnamesische Regierung plant eine Messe für Bahntechnik im November 2025 im neuen Messezentrum in Hanoi. Nähere Infos gibt die Auslandshandelskammer (AHK) Vietnam.