Branchen | Vietnam | Gesundheitswesen
Gratisvorsorge für Vietnamesen kann Medizintechnikabsatz fördern
Vietnam führt ab 2026 kostenlose Gesundheitschecks ein. Die Reform bringt Chancen für Anbieter von Medizintechnik und Betreiber privater Krankenhäuser.
06.10.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Vietnam startet 2026 ein landesweites Programm: Alle Bürger sollen einmal jährlich kostenlos medizinisch untersucht werden – inklusive Blutbild, biochemischer Tests, Röntgen und bei Bedarf auch Ultraschall. Die Maßnahme ist Teil einer breiten Reformagenda für den Gesundheitssektor, die auf einer Politbüroresolution vom 9. September 2025 beruht. Sie soll die Gesundheitsfürsorge stärker auf die Prävention ausrichten.
Es ist unklar, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, der derzeit Gesundheitschecks durchführen lässt. Experten schätzen, dass etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung jährlich Gesundheitschecks durchlaufen, die den jetzt geplanten Untersuchungen entsprechen.
Eigentlich müssen Arbeitgeber jährlich Gesundheitsuntersuchungen für alle Mitarbeiter durchführen. Viele Arbeitgeber beauftragen damit staatliche Stellen auf Gemeindeniveau und die Checks sind sehr oberflächlich. Ausländische Arbeitgeber lassen oft umfangreichere Untersuchungen durchführen, aber auch hier sind nicht immer Labortests dabei.
Etwa 20 Millionen Untersuchungen im Jahr 2026
Das Gesundheitsministerium erstellt derzeit einen Umsetzungsplan, der noch im Oktober 2025 von der Nationalversammlung angenommen werden soll. Ab 2026 sollen Gesundheitschecks zunächst rund 20 Millionen Menschen erhalten, die besondere Gesundheitsrisiken aufweisen oder schlechten Zugang zu Gesundheitsleistungen haben. Darunter fallen ältere, behinderte und arme Menschen sowie Bewohner von Berggegenden und Inseln.
Im Jahr 2026 werden sich die Kosten hierfür auf rund 6 Billionen vietnamesische Dong (D), etwa 194 Millionen Euro, belaufen. Das Gesundheitsministerium veranschlagt 300.000 D (9,7 Euro) je Untersuchung.
Noch ist unklar, wann kostenfreie Untersuchungen auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet werden. Die Gesamtkosten der Gesundheitschecks für die gesamte Bevölkerung würden sich dann auf etwa 30 Billionen D (rund 970 Millionen Euro) belaufen.
Chancen für Anbieter von Medizintechnik
Derzeit sind staatliche Kliniken je nach Region sehr unterschiedlich ausgerüstet. Erst die Ausschreibungen werden den tatsächlichen Bedarf offenlegen, für Anbieter von Test- und Labortechnik werden sich durch das Programm aber neue Marktchancen eröffnen.
Die neuen Geräte werden eine Verknüpfung mit der elektronischen Patientenakte ermöglichen müssen. Diese sollten ab Ende September 2025 in allen Krankenhäusern in Vietnam im Einsatz sein. Bis dahin nutzten 760 von insgesamt 1.650 öffentlichen und privaten Kliniken elektronische Akten. Trotz finanzieller und organisatorischer Hürden, unter anderem durch die Zusammenlegung von Provinzen, schreitet die Einführung voran.
Hohe Dunkelziffer an nicht diagnostizierten Krankheiten
Gerade bei Herzkreislauferkrankungen und Diabetes gilt die Dunkelziffer in Vietnam als sehr hoch. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden in Vietnam 70 bis 80 Prozent der Menschen mit Bluthochdruck oder Diabetes nicht behandelt – vor allem, weil die Krankheit nicht diagnostiziert wurde. Die Inzidenz von Diabetes wächst nach Erhebungen der Organisation besonders stark. Im Jahr 2016 litt noch eine von 24 Personen in Vietnam an Diabetes, 2021 war bereits eine von 14 Personen betroffen.
Auch bei Krebs ist die Früherkennung ein Problem. Nach Leberkrebs ist Lungenkrebs die häufigste Todesursache unter den Krebsarten. Nach Informationen des Gesundheitsministeriums werden derzeit drei Viertel der Fälle erst in einem späten Stadium erkannt. Daher ist die Überlebensrate bei Lungenkrebs nach fünf Jahren mit 14,8 Prozent sehr niedrig. Zum Vergleich: In Deutschland liegt laut Robert Koch Institut die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate für Männer bei 19 Prozent, für Frauen bei 25 Prozent.
Staatliche Krankenhäuser unter Druck
Flächendeckende Untersuchungen werden viele bislang unerkannte Krankheitsfälle aufdecken. Dies wird die Auslastung der staatlichen Gesundheitsfürsorge weiter erhöhen, wobei sie schon jetzt überlastet ist. Lange Wartezeiten sind die Norm.
Zudem sollen 72 Basisbehandlungen in staatlichen Krankenhäusern ab 2030 für Mitglieder der staatlichen Basiskrankenversicherung kostenfrei sein. Dort waren Mitte 2025 rund 94 Prozent der Bevölkerung eingeschrieben. 2030 soll die gesamte Bevölkerung erfasst sein. Unklar ist noch, welche Behandlungen genau kostenfrei sein werden.
Der Staat will als Teil der Reformen auch die privaten Zuzahlungen der Bevölkerung senken. Nach jüngsten Erhebungen der WHO betrugen diese 2022 in Vietnam 39,6 Prozent. Sie sollen bis 2030 auf 30 Prozent sinken. Die geplante Absenkung der Zuzahlungen bedeutet eine starke Ausweitung der staatlichen Gesundheitsausgaben.
Staat will private Investitionen erleichtern
Auch der private Gesundheitssektor wird stark wachsen, weil aufgrund der Engpässe im staatlichen Sektor mehr Patienten auf private Einrichtungen ausweichen werden. Der Staat will als Teil der Reformen auch Investitionen in private Kliniken erleichtern.
Dafür sollen private Investoren leichteren Zugang zu Land erhalten. Dies gilt als größtes Hindernis für den Bau privater Krankenhäuser. Private Investoren sollen bevorzugt bei der Umwidmung von Flächen behandelt werden und staatliche Grundstücke mieten können. Enteignungsverfahren sollen beschleunigt werden.
Laut Professor Nguyen Van De, Präsident der Private Hospital Association, bietet dies "eine goldene Chance für private Gesundheitsdienstleister, um Hindernisse zu überwinden und robustes Wachstum zu erreichen", wie er gegenüber der Tageszeitung Vietnam News erklärte.