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Special | Vietnam | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Industrie: Anpassungsdruck von innen und außen

Industrieunternehmen in Vietnam stehen zunehmend unter Druck, die Dekarbonisierung ihrer Produktion voranzutreiben. Gerade kleinen Firmen fehlen aber Know-how und Finanzmittel. 

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Neben dem Energiesektor und der Landwirtschaft spielt die Industrie bei den CO2-Emissionen eine große Rolle in Vietnam. Das Land ist ein wichtiger Exportstandort für zahlreiche Produkte: von Textilien und Schuhen über Elektronik und Möbeln zu Zement, Ziegeln und Stahl. In Vietnam spielen nicht nur die Exporte eine größere Rolle (im Verhältnis zum BIP) als in anderen südostasiatischen Ländern, sondern das Land stellt noch einfachere Produkte her und das vielfach mit veralteter Produktionstechnik. Neben der hohen Kohleverstromung ist die starke Industrieentwicklung ein wichtiger Faktor dafür, dass die CO2-Emissionen gemessen an der Wirtschaftsleistung in Vietnam stark gestiegen sind und höher liegen als etwa in Malaysia oder Thailand. Als wichtigste CO2-Emittenten gelten die Zementindustrie und der Stahlsektor.

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In den vergangenen Jahren ist der Druck auf die Industrie stetig gestiegen, nachhaltiger zu produzieren. Er kommt aus vielen Richtungen. Im Inland erhöht die Regierung die Anforderungen und schafft mehr Anreize für die Senkung des CO2-Ausstoßes. Dazu gibt es zahlreiche Strategien und Programme für einzelne Sektoren mit mehr oder weniger konkreten Zielvorgaben. Übergreifend gibt es das Vietnamesische Energieeffizienzprogramm (Vietnam Energy Efficiency Program, VNEEP), das die Regierung 2006 gemeinsam mit der Weltbank gestartet hat.

Effizienzziele werden noch nicht durchgesetzt

Die dritte Auflage des Programms wurde 2019 lanciert und enthält Energieeffizienzziele für verschiedene Industriezweige und gestaffelt nach Produktionstechnik. Insgesamt soll der nationale Energieverbrauch von 2019 bis 2025 um 5 bis 7 Prozent und bis 2030 um 8 bis 10 Prozent gesenkt werden.

Industrieunternehmen mit einem Verbrauch von über 1.000 Tonnen Öläquivalent (und Gebäude ab 500 Tonnen Öläquivalent) im Jahr müssen jährlich über eine Webseite Energiesparpläne für das kommende Jahr sowie für die kommenden fünf Jahre einstellen (Liste mit 3.068 Firmen). Alle drei Jahre müssen Energie-Audits durchgeführt werden und ebenfalls online registriert werden. Dem Vernehmen nach werden diese Pflichten aber nur teilweise nachgehalten oder Unternehmen kaufen sich mittels informeller Zahlungen frei.

Flankiert werden die Ziele des VNEEP mit Programmen verschiedener Geberorganisationen darunter die EU, Weltbank, ABB, GIZ, USAID und andere. Die Weltbank etwa finanziert Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie.

Emissionshandel in Vorbereitung

Neben Energieeffizienzmaßnahmen bereitet die vietnamesische Regierung die Einführung eines Emissionshandels vor. Die Modalitäten müssen noch festgelegt werden, aber ab 2025 soll der Handel zunächst als Pilotprojekt starten, um dann 2028 in den Regelbetrieb überzugehen. Unternehmen mit einem Energieverbrauch von mehr als 1.000 Tonnen Öläquivalent mussten Ende März 2023 zum ersten Mal ihre Treibhausgasemissionen melden. Ab 2026 sollen sie Einsparpläne entwickeln.

Auch drohende Einschränkungen für Exporte treiben Unternehmen in Vietnam zu Klimaschutzmaßnahmen an. Wichtig sind im Klimabereich Maßnahmen der EU wie der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) und die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten. Im Rahmen des CBAM müssen Unternehmen, die etwa Zement, Stahl, Aluminium oder Düngemittel aus Vietnam in die EU einführen, künftig ihre CO2-Emissionen melden. Wenn diese gewisse Schwellenwerte übertreffen, werden dann ab 2026 zusätzliche Abgaben fällig. Die EU ist allerdings kein sehr bedeutender Markt für die genannten Produkte, obwohl Vietnam hier ein wichtiger Exporteur ist.

Ein immer wichtigerer Antrieb für mehr Klimaschutz in der Industrie sind die selbst gesteckten Ziele der Unternehmen, seien es ausländische Firmen mit Investitionen oder Lieferanten in Vietnam, Industrieparks oder auch große vietnamesische Konzerne. Eine völlige Dekarbonisierung der lokalen Lieferkette ist aber schwierig, schon durch den begrenzten Zugang zu erneuerbaren Energiequellen. 

Kleinere Firmen noch zumeist außen vor

Der vielfache Anpassungsdruck hat zahlreiche Initiativen und Maßnahmen auf Unternehmensseite hervorgebracht. Diese betreffen aber fast ausschließlich große Unternehmen. Die Industrie besteht zu 98 Prozent aus kleinen und mittleren Unternehmen, die kaum Zugang zu Finanzierungen haben und vielfach veraltete Technik einsetzen. Umweltauflagen, die auf dem Papier bestehen, etwa bei der Abwasseraufbereitung, werden bisher von diesen Unternehmen selten umgesetzt. 

Fokusbranche Stahl: Effizienzmaßnahmen dann Umrüstung 

Nach Angaben des vietnamesischen Stahlverbands (Vietnam Steel Association, VSA) produzierte die Industrie 2022 von etwa 20 Millionen Tonnen Rohstahl etwa 13 Millionen Tonnen in Konverter-Anlagen (BOF) und 7 Millionen Tonnen in Lichtbogenöfen. Zunächst mit Gas und später mit Wasserstoff betrieben, gelten letztere mittelfristig als der beste Weg zur CO2-Vermeidung. Die Industrie hat aber 2023 mit einer geringen Nachfrage und Überkapazitäten zu kämpfen.

Die vom Verband propagierte Strategie sieht daher zunächst Energieeffizienzmaßnahmen vor, die den CO2-Ausstoß bis 2025 um bis zu 30 Prozent senken sollen. Ab 2025 könnte dann die Umrüstung und der Umstieg auf Gas und Wasserstoff folgen. Druck geht etwa vom EU-Grenzausgleichsmeschanismus (CBAM) aus. 2022 exportierte die Industrie 16 Prozent des Stahls in die EU, einzelne Firmen aber deutlich mehr.

Fokusbranche Zement: Werke investieren in Abwärmenutzung

Vietnam war 2022 mit etwa 120 Millionen Tonnen nach China und Indien der weltweit drittgrößte Zementproduzent. Die Industrie verfolgt verschiedene Strategien, um den CO2-Ausstoß zu senken. Größere Zementwerke müssen nach staatlichen Vorgaben bis 2025 Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung nutzen. Zahlreiche Anlagen werden derzeit vor allem mit chinesischer Technik umgerüstet.

Zudem versuchen die Hersteller den Klinkeranteil zu verringern sowie mehr Abfälle als Brennstoff zu nutzen, um weniger Kohle zu verbrennen. Bisher werden nur in wenigen Fabriken Abfälle beigemischt. 

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