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Interview | Welt | Auslandsbau

"Hoffen auf Renaissance europäischer Infrastrukturpolitik"

Global Gateway kann die weltweite Infrastrukturfinanzierung nachhaltiger machen – und den Wettbewerb fairer, sagt Frank Kehlenbach vom Auslandsbauverband EIC im Interview. (Stand: 29.12.2023)

Von Edda Schlager | Berlin

Frank Kehlenbach, Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie Geschäftsführer von European International Contractors (EIC) Frank Kehlenbach, Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie Geschäftsführer von European International Contractors (EIC) | © HDB/Simone M.Neumann - www.simone-m-neumann.de

Frank Kehlenbach ist Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und Geschäftsführer des europäischen Auslandsbauverbands (European International Contractors, EIC). Mit dem EIC, der Mitglied in der Business Advisory Group (BAG) der EU-Initiative Global Gateway ist, setzt er sich dafür ein, dass die mit Global Gateway verbundenen hohen Standards künftig auch bei EU-finanzierten Ausschreibungen gelten sollten. 

Herr Kehlenbach, welche Impulse erwarten Sie von Global Gateway für den europäischen Auslandsbau? 

Die Global-Gateway-Initiative könnte mittelfristig dafür sorgen, dass das Thema Infrastruktur wieder ins Bewusstsein der europäischen Entwicklungszusammenarbeit rückt. Denn im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte hat Europa sich aus der Infrastrukturfinanzierung – mit Ausnahme der Sparte der erneuerbaren Energien – fast komplett zurückgezogen. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Energieerzeugung durch Wasserkraft kaum noch. Auch im Verkehrsbereich halten sich die europäischen Geber vornehm zurück. Das aber passt kaum mit den Bedürfnissen zusammen, die die Partnerländer von Global Gateway selbst, vor allem in Afrika, artikulieren. 

Was meinen Sie damit?

Afrikanische Länder signalisieren uns, dass sie in erster Linie Energie benötigen, die sie sich leisten können. Das Potenzial an Wasserkraft ist in Afrika längst nicht ausgeschöpft. Die Europäer finanzieren derzeit allerdings nur Wind- oder Solarenergie. Die afrikanischen Partner benötigen zudem Straßen, Eisenbahnen und Häfen, um sich in die Weltwirtschaft zu integrieren. Aber im Verkehrsbereich engagiert sich die EU außerhalb Europas kaum noch. Hier hat uns China den Rang abgelaufen, indem es konventionelle Verkehrs- und Energieprojekte im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) finanziert und umsetzt, aber ausschließlich mit Lieferbindung an chinesische Unternehmen. 

Welche Defizite in der europäischen Infrastrukturfinanzierung sehen Sie noch?

Die EU und vor allem Deutschland betonen bei Bauvorhaben das Prinzip der Lieferaufbindung. Dem Prinzip zufolge sind Gelder nicht an die Bedingung geknüpft, Waren und Dienstleistungen aus dem Geberland zu beziehen. Internationale Ausschreibungen finden bisher als reiner Preiswettbewerb statt und werden an den günstigsten Bieter vergeben. Davon profitieren vor allem chinesische Bauunternehmen, weil sie durch die liefergebundenen BRI-Projekte beispielsweise in afrikanischen Märkten wie Kenia, Uganda oder Äthiopien schon präsent sind und lokale Unternehmen, Preise sowie Behörden gut kennen. So können sie bei EU-finanzierten Projekten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) sehr günstig anbieten, während eine Teilnahme für europäische Bauunternehmen auf Basis des billigsten Preises kaum noch Sinn macht und sie sich zunehmend aus Afrika zurückziehen. Diese Infrastrukturpolitik hat dazu geführt, dass die europäische Bauindustrie in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Marktanteile an die chinesische Konkurrenz verloren hat.

Welche Möglichkeiten bleiben europäischen Bauunternehmen, um zum Zuge zu kommen?

Aufgrund hoher Standards, denen sie in Europa unterliegen, können sie die chinesische Konkurrenz preislich nicht unterbieten. Daher sollten EU-finanzierte internationale Ausschreibungen auch nach weiteren Zuschlagskriterien wie Qualität, Nachhaltigkeit und Sozialstandards vergeben werden. Denn das sind die Kategorien, in denen europäische Baufirmen führend sind, weil sie auch im Ausland auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, die Wiederverwertung von Rohstoffen oder auf nachhaltige Lieferketten achten. 

Wir begrüßen, dass die Weltbank nun auf die Wettbewerbsverzerrung reagiert hat. Sie verpflichtet ihre Kreditnehmer seit September 2023 dazu, neben dem Preis zusätzliche Kriterien wie Qualität und Lebenszykluskosten in die Wertung von Bauvorhaben einzubeziehen. Mit Global Gateway besteht jetzt die Möglichkeit, diese innovative Vergabepolitik der Weltbank auch für europäisch finanzierte Projekte umzusetzen. Allerdings sollten EU-Kommission und europäische Entwicklungsbanken bei internationalen Bauvorhaben sicherstellen, dass auch nicht-europäische Wettbewerber die EU-Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Es gibt zwar gute Ansätze, wie die KfW-Toolbox Nachhaltige Auftragsvergabe. Gleichwohl verwickeln sich Deutschland und die EU hier erneut in Widersprüche.

Die da wären?

Seit Januar 2023 sind deutsche Auslandsbaufirmen verpflichtet, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuhalten. Auf EU-Ebene soll 2024 ein noch weiterreichendes EU-Lieferkettengesetz verabschiedet werden. Wir als EIC haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die KfW aufgefordert, bei eigenen Ausschreibungen in Afrika und anderen Partnerländern Wettbewerbsgleichheit zwischen deutschen und ausländischen Bietern sicherzustellen, indem alle Teilnehmer KfW-finanzierter Ausschreibungen an den Bedingungen des deutschen Lieferkettengesetzes gemessen werden und die in Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten erfüllen. Bislang haben aber weder die KfW, noch vorausschauend die EIB eine ergänzende Regelung in ihre Vergaberichtlinien aufgenommen.

Was kann die Business Advisory Group von Global Gateway erreichen?

Die Mitglieder der BAG informieren die EU-Kommission über Geschäftsmöglichkeiten und Probleme in ihren Wirtschaftssektoren und empfehlen Prioritäten bei der Umsetzung von Global Gateway. Wir sind dem Schwerpunkt Transport zugeordnet und werden versuchen, die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in EU-finanzierten internationalen Ausschreibungen zu beschleunigen, sowie bei der Finanzierung von großen Verkehrsprojekten eine engere Kooperation zwischen den europäischen Entwicklungsbanken und Exportkreditversicherungsagenturen voranzutreiben. In diesem speziellen Punkt sind uns unsere Wettbewerber in den USA, Japan und China voraus.

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