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Deutsche Firmen profitieren von Reform bei Weltbankprojekten

Der reine Preiswettbewerb gehört bei Ausschreibungen der Vergangenheit an. Damit steigen die Chancen für Qualitätsanbieter, aber auch der administrative Aufwand.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Seit dem 1. September 2023 nutzt die Weltbank im Rahmen ihrer Ausschreibungspolitik verpflichtend gewichtete Beurteilungskriterien. Diese orientieren sich an Aspekten wie Nachhaltigkeit, Qualität, Sicherheit oder dem Innovationsgrad der eingesetzten Technik. Ausnahmen gelten nur noch für die Bereiche Arzneiwaren, Impfstoffe, Rohstoffe, Erziehungsmittel und Standardprodukte ("off the shelve"). Mit dieser weitreichenden Reform rückt die Weltbank von der langjährigen Ausschreibungspraxis ab, nach der allein der Preis für die Auftragsvergabe ausschlaggebend war.

Frank Kehlenbach, Geschäftsleiter Internationales Bauen und Europa des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V., bewertet diese Reform als sehr positiv. Für deutsche Unternehmen werden sich die Chancen auf Zuschläge für Weltbankprojekte erhöhen, so seine Einschätzung. Bei ihnen handele es sich überwiegend um Anbieter, die mit ihrer Qualität, Innovativität und Nachhaltigkeit punkten können. Auch die International Federation of Consulting Engineers begrüßte die Reform. Vorhaben würden dadurch insgesamt werthaltiger, ließ der Weltverband verlautbaren. 

Umsetzung des Systems zunächst unklar

Allerdings sei die Umsetzung der neuen Regel noch unklar, betont Kehlenbach. Ausschlaggebend sei insbesondere, ob das System auch für sehr kleine Projekte gelten soll. Erst bei größeren Vorhaben rechne sich nämlich laut seiner Einschätzung der administrative Mehraufwand. Ein weiteres Problem bestehe bei der Gewichtung. Die Erfahrung in Europa lehre: Wenn ein Kreditnehmer den Preis sehr stark gewichte, sei dieser weiterhin das ausschlaggebende Kriterium.

Die Weltbank hat insgesamt zehn Felder identifiziert, auf denen die Beurteilungskriterien angewendet werden sollen. Diese wiederum fächern sich in zahleiche Unterpunkte auf:

  1. Methodik/Arbeitsplan (z.B. Design einer Pipeline, Risikomanagement, Entsorgung von Gefahrenstoffen)
  2. Sicherheit und Gesundheit (u.a. Sicherheitstraining, Gesundheitsaufklärung) 
  3. Durchführung (etwa Erfahrung mit ähnlichen Projekten in der Vergangenheit, aktuelle Qualitätsmanagementsysteme)
  4. Kapazität (beispielsweise aktuelle Arbeitsbelastung, konkurrierende Projekte) 
  5. Funktionalität (u.a. Qualität, Nachhaltigkeit der Produkte, innovative Prozesse)
  6. Projektteam (z.B. Erfahrung des Teams, Subunternehmen)
  7. Nachhaltigkeit (etwa Einsatz von lokale Arbeitskräften, Wiederverwertbarkeit von Materialien, Abfallvermeidung)
  8. Dekarbonisierung (vor allem Ziele und Maßnahmen zur CO2-Reduzierung, Berücksichtigung der gesamten Lieferkette) 
  9. Management der Wertschöpfungsketten (insbesondere Management von Beschaffungsrisiken, Leistungsfähigkeit der Zulieferer und Subunternehmen)
  10. Cybersecurity (vor allem Schutz von Virusattacken, Back-up-Pläne)

Reform bietet Vorteile für Kreditnehmer und Zulieferer

Die Weltbank führt mehrere Gründe für die Reform ihrer Beschaffungspolitik an. Kreditnehmer sollen so eine größere Flexibilität bei ihren Projekten erhalten und diese besser an die Bedingungen vor Ort anpassen können. Zugleich soll die Bereitschaft von Zulieferern, an Ausschreibungen teilzunehmen, erhöht werden. Bislang hielten sich viele Qualitätsanbieter zurück, da sie im vorhinein wussten, dass sie im Preiswettbewerb keine Chancen hätten. Eine Auswertung der Weltbankprojekte nach Durchführern ergab, dass in der Vergangenheit vor allem chinesische und indische Firmen den Zuschlag für Vorhaben erhielten. 

Durch die Reform werden die Kosten eines Projektes über den gesamte Lebenszyklus betrachtet. Dadurch könnten sie sogar preiswerter werden.

Die Weltbank erwartet, dass mit Hilfe der gewichteten Kriterien die Gesamtkosten eines Projektes über die gesamte Lebensdauer verteilt stärker in den Vordergrund rücken. Auch lassen sich die negativen Folgen von Vorhaben auf Umwelt und Gesellschaft besser darstellen. Doch es gibt auch Nachteile. Ausschreibungen werden komplizierter, was die Behörde selber zugibt. 

Rechtssicherheit könnte leiden 

Die Beurteilungskriterien müssen quantifiziert werden. Dies objektiv und sachkundig zu machen, dürfte in Ländern mit einer schwachen und korruptionsanfälligen Bürokratie schwierig werden. Lösen lässt sich ein solches Problem wohl nur, wenn eine internationale Consultingfirma eingeschaltet wird. Das wiederum treibt die Kosten in die Höhe und ist bei kleineren Vorhaben wenig praktikabel. Letztendlich wird erst die Zukunft zeigen, welchen Weg die Weltbank gehen wird, um die genannten Probleme zu umschiffen.

Für Entwicklungsländer ist die Weltbankgruppe der wichtigste Geldgeber 

In ihrem Geschäftsjahr 2023, das immer schon im Juni endet, hat die Organisation 128 Milliarden US-Dollar in Form von Darlehen, Zuschüssen, Kapitalbeteiligungen und Garantien für Partnerländer und Privatunternehmen zugesagt. Ziel der Weltbank ist die Verringerung der Armut in den Entwicklungs- und Schwellenländern. 

Bei der Umsetzung der Projekte werden die benötigten Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen oft international ausgeschrieben. Gerade bei nachhaltigen und klimafreundlichen Vorhaben ergeben sich gute Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Bei Machbarkeitsstudien oder Planungsverfahren können Beratungsunternehmen ihre Expertise einbringen. 

Germany Trade & Invest (GTAI) informiert tagesaktuell über Entwicklungsprojekte und Ausschreibungen der Weltbank.  

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