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Special | Welt | Global Gateway

Global Gateway in der Praxis

Die Privatwirtschaft soll eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung von Global Gateway spielen. Unternehmen berichten von neuen Geschäftschancen und Herausforderungen.

Für das Jahr 2023 hat die Europäische Union 87 Leuchtturmprojekte auf den Weg gebracht. In Zukunft dürften deutlich mehr Vorhaben dazukommen. Erste Firmen sind bereits dabei, Global-Gateway-Projekte umzusetzen. Doch wie haben sie überhaupt von Global Gateway erfahren? Wie sind sie an eine Finanzierung gekommen? Und welche Herausforderungen gibt es in der Praxis?  Hier kommen beteiligte Firmen zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen mit der EU-Konnektivitätsinitiative.


  • Global Gateway: Medusa-Datenkabel vernetzt EU und Nordafrika

    Im Interview berichtet Norman Albi, Geschäftsführer von AFR-IX telecom, über das Datenkabel Medusa - ein Leuchtturmprojekt der EU-Initiative Global Gateway. (Stand: 17.03.2023)

    Zu Person und Unternehmen


    Norman Albi, CEO, AFR-IX telecom Dies ist ein eingebettetes Bild | © Norman Albi


    Norman Albi ist Geschäftsführer von AFR-IX telecom, einem Infrastruktur- und Telekommunikationsbetreiber im Mittelmeerraum und Afrika. AFR-IX telecom entwickelt das 8.760 km lange Medusa-Unterwasserdatenkabel, das Südeuropa und Nordafrika verbinden wird. Die Unternehmensgruppe beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe.

    Herr Albi, wer kam auf die Idee, ein Datenkabel quer durchs Mittelmeer zu verlegen?

    Es waren afrikanische Telekommunikationsbetreiber, die an uns herangetreten sind, weil viele Datenkabel im Mittelmeer das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. So ein Unterseekabel hält etwa 25 Jahre. Gleichzeitig wächst der Datenverkehr in Afrika insgesamt um circa 45 Prozent pro Jahr. Etwa ein Drittel des afrikanischen Datenverkehrs entsteht in den fünf nordafrikanischen Ländern Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten. Medusa wurde also nicht als europäisches Global-Gateway-Projekt konzipiert, sondern als Reaktion auf die wachsende Nachfrage im Mittelmeerraum.

    Wie ist Medusa dann Teil von Global Gateway geworden? 

    Zum ersten Mal haben wir 2021 von Global Gateway gehört, und zwar von den portugiesischen Behörden, die für die Anlandestation unserer Unterseekabel in Lissabon zuständig sind. Sie meinten, dass Global Gateway auch für uns interessant sein könnte, da darüber der Zugang zu Fördergeldern möglich sei. Daraufhin haben wir uns direkt an die EU gewandt, die uns dann an die Europäische Investitionsbank (EIB) verwiesen hat. Für Medusa erhalten wir Zuschüsse und Darlehen von der EIB.

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    Wann wollen Sie Medusa in Betrieb nehmen? 
    Wir planen, den ersten Medusa-Abschnitt bis Ende 2024 und den zweiten Abschnitt bis Ende 2025 in Betrieb zu nehmen. Im Moment sind wir in der Vergabephase für das Verlegen der Glasfaserkabel. In der Zwischenzeit erkunden wir den Meeresboden, um die genauen Standorte für die Kabel und ihre Anlandestationen, wo also die Unterseekabel an Land ankommen, zu bestimmen. Als Faustregel gilt: Von der Planung bis zur Verlegung eines Tiefseedatenkabels vergehen drei Jahre.

    Welchen Herausforderungen sind Sie im Mittelmeerraum begegnet?

    Da sind zum einen geografische Herausforderungen, zum Beispiel der felsige Meeresboden und die Gezeiten in der Straße von Gibraltar oder die flachen Gewässer zwischen der italienischen Insel Sizilien und Tunesien. Die Windparks in diesem Bereich lassen nur eine schmale Lücke für die Verlegung unserer Datenkabel. Zum anderen gibt es geopolitische Herausforderungen, da die Seegrenzen zwischen Nachbarländern oft nicht klar definiert sind.

    Datenkabel gelten als kritische Infrastruktur. Ist es überhaupt möglich, Unterseekabel vor Angriffen zu schützen?

    Unsere Datenkabel liegen in exponierter Lage blank auf dem Meeresboden. Sie sind somit von vornherein anfällig und im Grunde kaum vor Angriffen jedweder Art zu schützen. Die EU arbeitet zurzeit an einer Richtlinie zum Schutz kritischer Infrastruktur, die hoffentlich das Bewusstsein für dieses Thema schärfen wird. Wir setzen jedoch weniger auf den physischen Schutz als vielmehr auf eine Strategie der Diversifizierung: Eine Vielzahl von Kabeln ist der beste Schutz gegen Angriffe. Allein in der EU verfügt Medusa über neun Anlandestationen in sechs Ländern, nämlich in Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und Zypern. Selbst wenn eine oder zwei Verbindungen gekappt würden, können wir mit den verbleibenden Leitungen den Datenaustausch aufrechterhalten.

    Was können andere europäische Unternehmen von AFR-IX lernen, wenn es um Infrastrukturprojekte in schwierigeren Schwellenländern, wie zum Beispiel jenen in Nordafrika, geht?

    AFR-IX telecom hat 15 Jahre Erfahrung auf dem afrikanischen Kontinent. Wir bieten unsere Dienste in 45 von 54 Ländern des afrikanischen Kontinents an und vernetzen sie untereinander und mit Europa. Wir kennen die Telekommunikationsbetreiber in Afrika gut und das hilft uns sehr bei unseren Geschäften. Meiner Erfahrung nach ist die Präsenz europäischer Unternehmen in Afrika gering und sogar rückläufig. Aber wir müssen uns fragen, warum China in Afrika so erfolgreich Geschäfte macht, während wir Europäer das offensichtlich nicht tun. Aus meiner Sicht müssten die europäischen Unternehmen raus aus ihrer Komfortzone und wieder eine gesunde Risikobereitschaft entwickeln. Unsere europäische Mentalität muss sich ändern – und Global Gateway ist ein wichtiges Zeichen für diese neue Einstellung zu Afrika.

    Was ist dann Ihrer Meinung nach der Mehrwert von Global Gateway?

    Mit Global Gateway hat die EU endlich eine Strategie zur Bereitstellung von Infrastruktur in Afrika. Global Gateway kann die Risiken für europäische Unternehmen reduzieren und so die europäische Präsenz auf den afrikanischen Märkten erhöhen.

    Was hat Global Gateway privaten Unternehmen zu bieten?

    Viele Unternehmen würden gerne Projekte in Afrika durchführen, aber die meisten europäischen Kreditgeber sind zu risikoscheu und schrecken vor der Kreditvergabe nach Afrika zurück. Global Gateway ist für europäische Firmen eine echte Neuerung, denn es bietet ihnen die Zuschüsse, Darlehen und Investitionsgarantien, die sie für die Durchführung ihrer Projekte in Afrika oder in anderen risikoreicheren Schwellenländern brauchen. Neben der finanziellen Unterstützung profitieren die Unternehmen aber auch von mehr Sichtbarkeit und gegebenenfalls von politischem Rückhalt für ihre Präsenz im Ausland.

    Was muss bei Global Gateway noch besser werden?

    Das Hauptproblem ist, dass die Unternehmen nicht wissen, wie sie an die Global-Gateway-Gelder kommen. Es wäre wirklich hilfreich, wenn es eine Art "Global-Gateway-Pipeline" mit einer Kontaktstelle für Unternehmen in jedem EU-Land gäbe, die ihre Vorschläge direkt an die entsprechenden EU-Institutionen und Banken weiterleiten würde.

    Von Wilhelm Emmrich | Berlin

  • Kasachstan will globaler Akteur der Wasserstoffwirtschaft werden

    Das zentralasiatische Land bietet gute Bedingungen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Ein erstes Großprojekt mit deutscher Beteiligung läuft gerade an. (Stand: 14.07.2023)

    Im Westen Kasachstans am Kaspischen Meer ist eine der weltweit größten industriellen Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant. Der deutsch-schwedische Konzern Svevind Energy Group will hier mit seiner kasachischen Tochter Hyrasia Energy ab 2030 pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff beziehungsweise 11 Millionen Tonnen grünen Ammoniak erzeugen.

    Rund 50 Milliarden Euro soll das Projekt Hyrasia One im Verwaltungsgebiet Mangistau kosten. Baubeginn für mehrere Wind- und Fotovoltaikparks mit einer Gesamtleistung von 40 Gigawatt ist 2027. Bis dahin laufen technische Untersuchungen, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien sowie Genehmigungsverfahren.

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    Svevind bringt Großprojekt Hyrasia one auf den Weg

    Im Mai 2023 hat Svevind den Auftrag für die Vorplanung, das so genannte Preliminary Front-End Engineering and Design (Pre-FEED), an das französische Beratungsunternehmen Genesis vergeben. Genesis ist eine 100-prozentige Tochter des französischen Anlagenbaukonzerns Technip Energies. Der Abschlussbericht wird Ende 2023 erwartet und Grundlage der weiteren Planung sein.

    Dabei werden auch potenzielle Risiken der Wasserstoffproduktion für das Kaspische Meer untersucht. Denn dieses ist möglicher Wasserlieferant, aber ökologisch hochsensibel. Laut der kasachischen Umweltbehörde Kazgidromet ist der Wasserspiegel seit 2005 auch wegen des Klimawandels um mehr als zwei Meter gesunken. Die Bevölkerung der Wüstenregion beobachtet dies mit Sorge, Proteste gegen das Wasserstoffprojekt wurden jedoch noch nicht laut. Svevind zufolge sei es Ziel, dass die Wasserstoffproduktion die Erdölförderung in der Region Mangistau mittelfristig ersetzen kann und somit ein großer Wasserverbraucher verschwindet.

    Ein im Oktober 2022 zwischen der kasachischen Regierung und Svevind Energy Group geschlossenes Investitionsabkommen definiert Projektparameter wie Grundstücke, den Zugang zu Infrastruktur, den ungehinderten Fluss von Waren und Kapital sowie weitere wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Es dient als Basis für Verhandlungen mit Investoren, Kunden und Anlagenlieferanten und ist damit eine Grundlage für die spätere Vermarktung des grünen Wasserstoffs.

    Basisdaten des Projekts Hyrasia one

    Projektentwickler

    Hyrasia Energy (100-prozentige Tochter von Svevind Energy Group)

    Investitionssumme

    50 Milliarden Euro

    Geplante installierte Gesamtleistung zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gesamt, davon:

    40 Gigawatt

      - Windenergie, über 5.000 Windturbinen in mehreren Windparks

    27 Gigawatt

      - Sonnenenergie, mehrere Millionen Sonnenkollektoren in mehreren Solarparks

    13 Gigawatt

    Für Elektrolyseure benötigte Leistung

    20 Gigawatt

    Durch technische und Umweltprüfungen untersuchte Gesamtfläche, davon:

    34.000 Quadratkilometer

      - für Wind- und Solaranlagen benötigte Fläche

    7.000 bis 10.000 Quadratkilometer

    Geplante Produktion

    2 Millionen grüner Wasserstoff bzw. 11 Millionen grüner Ammoniak pro Jahr

    Quelle: Svevind Energy Group 2023

    Kasachstan entwickelt Wasserstoffwirtschaft mit deutscher Hilfe

    Eine eigene Wasserstoffstrategie erarbeitet das Land bisher nicht. Jedoch hat KMG Engineering, ein Beratungsunternehmen des staatlichen Mineralölkonzerns KazMunaiGas, im Jahr 2022 ein Kompetenzzentrum für Wasserstoffenergie gegründet, um Impulse für den Sektor zu setzen.

    Auch Deutschland unterstützt Kasachstan. Das Auswärtige Amt hat in der Hauptstadt Astana eines von weltweit fünf deutschen Büros für Wasserstoffdiplomatie (H2Diplo) eröffnet. "Wir analysieren beispielsweise das Marktpotenzial für Wasserstoff und die Bedarfe in einzelnen Sektoren", so Manuel Andresh, von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die das Wasserstoffbüro federführend betreibt. "Zudem betrachten wir geopolitische Fragestellungen."

    Kasachstan bietet gute Bedingungen für erneuerbare Energien

    Rund zwei Drittel der kasachischen Exporte bestehen aus fossilen Rohstoffen. Doch auch die Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien sind ideal. In den ausgedehnten Wüsten und Steppen des Landes ermöglichen konstante Winde und eine starke Sonneneinstrahlung hohe Wirkungsgrade für Wind- und Solaranlagen. Im Jahr 2022 wurden jedoch laut kasachischem Energieministerium nur 4,5 Prozent des erzeugten Stroms des Landes aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die installierte Leistung von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien beträgt nur 2,4 Gigawatt. Doch auch Kasachstan hat das Ziel, seine Industrie zu dekarbonisieren und bis 2060 sogar CO₂-neutral zu sein.

    Im Auftrag der GIZ untersucht das deutsche Beratungsunternehmen Fichtner mögliche Transportwege von Wasserstoff aus Kasachstan nach Europa und deren technisches und wirtschaftliches Potenzial. Danach könnte die Lieferung von gasförmigem Wasserstoff per Pipeline oder von flüssigem Ammoniak multimodal per Bahn und Schiff über den so genannten Mittleren Korridor erfolgen.

    Experten halten einen Transport von Wasserstoff über die Strecke von rund 5.000 Kilometern per Pipeline aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften jedoch für unrealistisch. In Frage käme deshalb nur der Transport in Form von Ammoniak. Schätzungen gehen davon aus, dass der Transport einer Tonne grünen Ammoniaks aus Kasachstan nach Europa etwa so viel kosten würde wie deren Produktion.

    Transport nach Europa über Mittleren Korridor – oder zu regionalen Abnehmern

    Die Europäische Union hat am Wasserstoffimport aus Kasachstan besonderes Interesse. Allein bis 2030 will sie pro Jahr 10 Millionen Tonnen Wasserstoff selbst produzieren und ebensoviel importieren. Kasachstan könnte mit seiner Lage zwischen Asien und Europa auch für die Zeit danach eine entscheidende Rolle für den internationalen Handel mit grünem Wasserstoff spielen. Deshalb hat die EU eine im Jahr 2022 geschlossene strategische Partnerschaft mit Kasachstan zu Rohstoffen, Batterien und grünem Wasserstoff als Leuchtturmprojekt in die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway aufgenommen.

    Die Entwickler von Hyrasia one haben für die künftige Produktion mehrere Lieferrouten im Blick. Die neue Wasserstoffanlage und ein Hub für den Abtransport der möglichen Endprodukte Wasserstoff und Ammoniak entstehen nur wenige Kilometer entfernt vom Hafen Kuryk. Der wird derzeit zu einem internationalen Umschlagspunkt ausgebaut und soll künftig auch den Abtransport von Wasserstoff und Ammoniak ermöglichen.

    Doch dass die EU als Abnehmer das Rennen macht, ist noch nicht ausgemacht. "Sowohl in Kasachstan als auch in anderen Ländern in der näheren Umgebung sehen wir Interesse", so René Pforte, bei Svevind zuständig für Business Development. Denkbar sei die Versorgung von Industrieanlagen in Kasachstan, aber auch die Lieferung ins energiehungrige China, nach Usbekistan oder Südasien.

    Weitere Wasserstoffprojekte in Kasachstan angedacht

    In Kasachstan selbst könnten grüner Wasserstoff und grüner Ammoniak zur Herstellung von nachhaltigem Stahl, Aluminium, Dünger oder Zement zum Einsatz kommen. Derzeit prüft der Stahlkonzern ArcellorMittal eine eigene Wasserstoffproduktion für seinen Standort im kasachischen Temirtau. Konkrete Planungen sind bisher nicht bekannt.

    Im Januar 2023 unterzeichneten die Qazaqstan Investment Corporation und der Umwelttechnologiekonzern Masdar Clean Energy aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Abkommen zum Bau einer Windkraftanlage in Südkasachstan mit einer Leistung von 500 Megawatt. Kasachstan will das Projekt um eine Wasserstoffproduktion erweitern.

    Farben des Wasserstoffs

    Grüner Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien.


    Türkiser Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch das Verfahren der Methanpyrolyse - dieses Verfahren benötigt 87 Prozent weniger Energie als die Elektrolyse.


    Blauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid durch Dampfreformierung bei Vermeidung des Ausstoßes von CO2 durch Abscheidung und Speicherung.


    Grauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch Dampfreformierung oder durch Elektrolyse mit Strom aus fossilen Brennstoffen.


    Pinker Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus Kernenergie.

    Von Edda Schlager | Berlin

  • "Hoffen auf Renaissance europäischer Infrastrukturpolitik"

    Global Gateway kann die weltweite Infrastrukturfinanzierung nachhaltiger machen – und den Wettbewerb fairer, sagt Frank Kehlenbach vom Auslandsbauverband EIC im Interview. (Stand: 29.12.2023)

    Frank Kehlenbach, Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie Geschäftsführer von European International Contractors (EIC) Frank Kehlenbach, Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie Geschäftsführer von European International Contractors (EIC) | © HDB/Simone M.Neumann - www.simone-m-neumann.de

    Frank Kehlenbach ist Geschäftsbereichsleiter Internationales Bauen und Europa im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und Geschäftsführer des europäischen Auslandsbauverbands (European International Contractors, EIC). Mit dem EIC, der Mitglied in der Business Advisory Group (BAG) der EU-Initiative Global Gateway ist, setzt er sich dafür ein, dass die mit Global Gateway verbundenen hohen Standards künftig auch bei EU-finanzierten Ausschreibungen gelten sollten. 

    Herr Kehlenbach, welche Impulse erwarten Sie von Global Gateway für den europäischen Auslandsbau? 

    Die Global-Gateway-Initiative könnte mittelfristig dafür sorgen, dass das Thema Infrastruktur wieder ins Bewusstsein der europäischen Entwicklungszusammenarbeit rückt. Denn im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte hat Europa sich aus der Infrastrukturfinanzierung – mit Ausnahme der Sparte der erneuerbaren Energien – fast komplett zurückgezogen. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Energieerzeugung durch Wasserkraft kaum noch. Auch im Verkehrsbereich halten sich die europäischen Geber vornehm zurück. Das aber passt kaum mit den Bedürfnissen zusammen, die die Partnerländer von Global Gateway selbst, vor allem in Afrika, artikulieren. 

    Was meinen Sie damit?

    Afrikanische Länder signalisieren uns, dass sie in erster Linie Energie benötigen, die sie sich leisten können. Das Potenzial an Wasserkraft ist in Afrika längst nicht ausgeschöpft. Die Europäer finanzieren derzeit allerdings nur Wind- oder Solarenergie. Die afrikanischen Partner benötigen zudem Straßen, Eisenbahnen und Häfen, um sich in die Weltwirtschaft zu integrieren. Aber im Verkehrsbereich engagiert sich die EU außerhalb Europas kaum noch. Hier hat uns China den Rang abgelaufen, indem es konventionelle Verkehrs- und Energieprojekte im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) finanziert und umsetzt, aber ausschließlich mit Lieferbindung an chinesische Unternehmen. 

    Welche Defizite in der europäischen Infrastrukturfinanzierung sehen Sie noch?

    Die EU und vor allem Deutschland betonen bei Bauvorhaben das Prinzip der Lieferaufbindung. Dem Prinzip zufolge sind Gelder nicht an die Bedingung geknüpft, Waren und Dienstleistungen aus dem Geberland zu beziehen. Internationale Ausschreibungen finden bisher als reiner Preiswettbewerb statt und werden an den günstigsten Bieter vergeben. Davon profitieren vor allem chinesische Bauunternehmen, weil sie durch die liefergebundenen BRI-Projekte beispielsweise in afrikanischen Märkten wie Kenia, Uganda oder Äthiopien schon präsent sind und lokale Unternehmen, Preise sowie Behörden gut kennen. So können sie bei EU-finanzierten Projekten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) sehr günstig anbieten, während eine Teilnahme für europäische Bauunternehmen auf Basis des billigsten Preises kaum noch Sinn macht und sie sich zunehmend aus Afrika zurückziehen. Diese Infrastrukturpolitik hat dazu geführt, dass die europäische Bauindustrie in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Marktanteile an die chinesische Konkurrenz verloren hat.

    Welche Möglichkeiten bleiben europäischen Bauunternehmen, um zum Zuge zu kommen?

    Aufgrund hoher Standards, denen sie in Europa unterliegen, können sie die chinesische Konkurrenz preislich nicht unterbieten. Daher sollten EU-finanzierte internationale Ausschreibungen auch nach weiteren Zuschlagskriterien wie Qualität, Nachhaltigkeit und Sozialstandards vergeben werden. Denn das sind die Kategorien, in denen europäische Baufirmen führend sind, weil sie auch im Ausland auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, die Wiederverwertung von Rohstoffen oder auf nachhaltige Lieferketten achten. 

    Wir begrüßen, dass die Weltbank nun auf die Wettbewerbsverzerrung reagiert hat. Sie verpflichtet ihre Kreditnehmer seit September 2023 dazu, neben dem Preis zusätzliche Kriterien wie Qualität und Lebenszykluskosten in die Wertung von Bauvorhaben einzubeziehen. Mit Global Gateway besteht jetzt die Möglichkeit, diese innovative Vergabepolitik der Weltbank auch für europäisch finanzierte Projekte umzusetzen. Allerdings sollten EU-Kommission und europäische Entwicklungsbanken bei internationalen Bauvorhaben sicherstellen, dass auch nicht-europäische Wettbewerber die EU-Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Es gibt zwar gute Ansätze, wie die KfW-Toolbox Nachhaltige Auftragsvergabe. Gleichwohl verwickeln sich Deutschland und die EU hier erneut in Widersprüche.

    Die da wären?

    Seit Januar 2023 sind deutsche Auslandsbaufirmen verpflichtet, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuhalten. Auf EU-Ebene soll 2024 ein noch weiterreichendes EU-Lieferkettengesetz verabschiedet werden. Wir als EIC haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die KfW aufgefordert, bei eigenen Ausschreibungen in Afrika und anderen Partnerländern Wettbewerbsgleichheit zwischen deutschen und ausländischen Bietern sicherzustellen, indem alle Teilnehmer KfW-finanzierter Ausschreibungen an den Bedingungen des deutschen Lieferkettengesetzes gemessen werden und die in Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten erfüllen. Bislang haben aber weder die KfW, noch vorausschauend die EIB eine ergänzende Regelung in ihre Vergaberichtlinien aufgenommen.

    Was kann die Business Advisory Group von Global Gateway erreichen?

    Die Mitglieder der BAG informieren die EU-Kommission über Geschäftsmöglichkeiten und Probleme in ihren Wirtschaftssektoren und empfehlen Prioritäten bei der Umsetzung von Global Gateway. Wir sind dem Schwerpunkt Transport zugeordnet und werden versuchen, die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in EU-finanzierten internationalen Ausschreibungen zu beschleunigen, sowie bei der Finanzierung von großen Verkehrsprojekten eine engere Kooperation zwischen den europäischen Entwicklungsbanken und Exportkreditversicherungsagenturen voranzutreiben. In diesem speziellen Punkt sind uns unsere Wettbewerber in den USA, Japan und China voraus.

    Von Edda Schlager | Berlin

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