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Recht kompakt | WTO | GATS

Einleitung und Einordnung

Genau genommen ist das GATS lediglich ein Anhang (Anhang 1B) zum WTO-Übereinkommen. Seiner praktischen Bedeutung wird dies nicht gerecht.  

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Das General Agreement on Trade in Services (GATS) ist ein Anhang des WTO-Übereinkommens. Es regelt den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr. Der Umfang des weltweiten grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen lag gemäß dem World Trade Statistical Review 2021 im Jahr 2020 bei ca. 5 Billionen US$. Der grenzüberschreitende Warenhandel belief sich im selben Zeitraum auf ca. 17 Billionen US$. Damit macht der Dienstleistungshandel einen Anteil von ca. 20 Prozent des Welthandels aus. Zum Vergleich: Innerstaatlich ist in modernen Industrieländern der Anteil des Dienstleistungshandels wesentlich höher. In Deutschland lag er beispielsweise im Jahr 2021 bei fast 70 Prozent. Viele Dienstleistungen werden also lokal erbracht - aber längst nicht alle.

Das GATS als Teil des Welthandelsrechts

Das GATS ist ein recht junges Abkommen. Während das GATT, betreffend den Warenhandel, bereits seit 1947 existiert, gibt es das GATS erst seit 1995. Vorher gab es kein weltweites Regelwerk für den internationalen Dienstleistungshandel. Das GATT war also bereits ein funktionierendes System, als das GATS geschaffen wurde. Insofern verwundert es nicht, dass die Regelungstechnik des GATS derjenigen des älteren Vorbilds sehr ähnelt. Zum Beispiel fällt die Aufteilung des materiellen Regelwerks in den Abkommenstext einerseits und die nationalen Listen (Schedules) andererseits sofort ins Auge. Auch Meistbegünstigungsklausel sowie zum Beispiel das allgemeine Diskriminierungsverbot finden sich in beiden Abkommen, und verfahrensrechtlich gibt es ebenfalls viele Gemeinsamkeiten.

Dienstleistungshandel hat wichtige Besonderheiten

Rechtlich ist das GATS also bestens in das Welthandelssystem integriert. Andererseits gibt es aber auch neben vieler Gemeinsamkeiten auch etliche Unterschiede zwischen Waren- und Dienstleistungshandel. Und diese Unterschiede müssen sich auch auf den rechtlichen Rahmen auswirken.

Zunächst der wichtigste Unterschied: Es gibt keine Zölle auf Dienstleistungen. Dies bedeutet eine erhebliche Vereinfachung. Keine Zollbürokratie ist erforderlich, keine Zölle müssen gezahlt werden, und es muss - bei Geltung eines Freihandelsabkommens - keine komplizierten Ursprungsberechnungen geben.  

In anderer Hinsicht ist das Recht des internationalen Dienstleistungsverkehrs aber auch komplizierter als dasjenige des Warenverkehrs. Eine Ware wird von einem Zollgebiet in ein anderes verbracht, damit ist in Sachen Zoll der wichtigste Tatbestand erfüllt. Dienstleistungen können auf ganz verschiedene Art und Weise gehandelt werden. Da man sie nicht anfassen und oft nicht verorten kann, gibt es verschiedene Erbringungsarten, die so genannten Modi. Und oft gelten für dieselbe Dienstleistung ganz verschiedene Regelungen, je nachdem, in welchem Modus sie erbracht wird.

Nationale Regeln und internationale Leistungen

Endgültig kompliziert wird der internationale Dienstleistungshandel aber, wenn man den Zusammenhang mit nationalen Regeln beleuchtet. Und das muss man, denn wenn eine Dienstleistung aus Deutschland heraus oder nach Deutschland hinein erbracht wird, werden deutsche Regelungen im Zweifel eine wichtige Rolle spielen.

Zum Beispiel die Wiedereinführung der Meisterpflicht im Handwerk. Viele haben dieses Thema sicherlich in der nationalen Debatte um Qualität und Zuverlässigkeit wahrgenommen. Aber sie gehört auch zum Thema Marktzugang für ausländische Dienstleistungserbringer, denn sie betrifft auch diese. Es gibt also ein Spannungsverhältnis zwischen der innerstaatlichen Regulierung einerseits und dem Ziel der Liberalisierung des Dienstleistungshandels andererseits.  

Ein anderes Spannungsverhältnis wird deutlich, wenn ausländische Dienstleister in ein anderes Land einreisen, um dort vorübergehend zu arbeiten. Hieraus ergeben sich häufig sensible politische Fragen (zum Beispiel Arbeitsmigration, Lohn- und Sozialdumping). Oft werden ausländische Dienstleister als Konkurrenten inländischer Kollegen gesehen. Die vielfältigen Vorzüge eines internationalen Austauschs von Wissen und Erfahrungen sind weniger greifbar. 

Freihandelsabkommen

Zuletzt noch ein Wort zur Einordnung der Freihandelsabkommen in den Kontext des internationalen Dienstleistungshandels. Freihandelsabkommen dienen einer vertieften wirtschaftlichen Integration einiger Staaten untereinander. Eigentlich ist das Ziel der WTO die weltweite, und nicht nur die örtliche Liberalisierung des Handels. Da in Freihandelsabkommen aber immerhin von einigen "mit gutem Beispiel vorangegangen" wird, sind diese im WTO Recht toleriert. Das GATS hat in Artikel V eine entsprechende Regelung.

In traditionellen Freihandelsabkommen ist nur der Warenhandel betroffen. Modernere Freihandelsabkommen, wie zum Beispiel das CETA, regeln hingegen auch gewisse Liberalisierungen des Dienstleistungshandels. Zum Beispiel in Sachen vereinfachte Einreise bei Erbringung bestimmter verkaufsnaher Dienstleistungen. Und insofern finden dann zwischen den Vertragsparteien, obwohl beide WTO-Mitglieder, teilweise abweichende Regelungen Anwendung. Denn im Konfliktfall haben die Regeln des Freihandelsabkommens Vorrang vor den allgemeineren Regeln des GATS.

Abschließender Hinweis: Das General Agreement on Trade in Services (GATS) gibt es in deutscher Übersetzung. Dies ist an sich erfreulich, aber wenn es wirklich darauf ankommt, sollte das englische Original genutzt werden. In dieser Textsammlung verlinken wir immer auf den Originaltext auf der WTO-Seite.

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